Internationale Wirtschaftsbeziehungen: zunehmende Rechtsrisiken als Hemmnis für die (Kredit-)Wirtschaft?

Prof. Dr. Heribert Hirte, MdB, CDU, Köln/Berlin, und Geschäftsführender Direktor des Seminars für Handels-, Schifffahrts- und Wirtschaftsrecht der Universität Hamburg

Prof. Dr. Heribert Hirte, MdB, CDU, Köln/Berlin, und Geschäftsführender Direktor des Seminars für Handels-, Schifffahrts- und Wirtschaftsrecht der Universität Hamburg, Hamburg - Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen ausblenden oder auch nur maßgeblich beschneiden zu wollen, wie das derzeit in der öffentlichen Diskussion mit Blick auf mögliche Szenarien der kommenden Jahre zuweilen passiert, ist für den Autor in einer arbeitsteiligen globalen Welt eine eher wirklichkeitsfremde Sicht der Dinge. Und damit gehört für ihn auch der Umgang mit Rechtsrisiken aus den globalen Wirtschaftsbeziehungen zum gelebten Alltag. Durch internationale Vereinheitlichung sieht er diese zwar in manchen Bereichen reduziert, aber in vielen Wirtschaftssektoren eben auch als höchst relevant. Als aktuelles Beispiel für die Kreditwirtschaft greift er im Folgenden exemplarisch die von der Bundesregierung vorgeschlagene nationale Umsetzung der CSR-Richtlinie auf. Insbesondere durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung hält er hier ein internationales Handeln für erschwert. An dieser Stelle das Tun und Lassen des eigenen Unternehmens im Blick zu haben, stuft er noch als eine vergleichsweise einfache Übung ein. Als schwierig bis unmöglich erachtet er es indes, auch die Kette von Subunternehmen mit einzubeziehen. Für die Politik formuliert er die Richtung, das grundsätzlich wünschenswerte Ziel der Transparenz nicht durch überzogene Haftungsanforderungen zu torpedieren. (Red.)

Internationale Beziehungen sind aus der deutschen Wirtschaft jeglicher Größe nicht mehr wegzudenken. Selbst der kleine deutsche E-Bay-Shop ist heute schon grenzüberschreitend tätig, verschickt auf Wunsch Waren in angrenzende EU-Länder, und das Bestellen bei chinesischen Internetanbietern gehört selbst für Otto Normalverbraucher zum Alltag. Dies gilt genauso für die Kreditwirtschaft, die neben dem meist grenzüberschreitend organisierten M&A-Geschäft auch gerade im Retailbereich grenzüberschreitend tätig wird; abgesehen von den angesprochenen Lieferbeziehungen sei nur an die Anlagen vieler Deutscher in Irland, Island oder Malta während der vergangenen Bankenkrise erinnert.

Verunsicherung durch vorgeschlagene Umsetzung der CSR-Richtlinie

Zwar werden manche Rechtsrisiken durch die internationale Vereinheitlichung von Aufsichtsrecht, insbesondere durch die Europäische Union, aber auch durch den Baseler Ausschuss, reduziert. Ganz aktuell führt jedoch die von der Bundesregierung vorgeschlagene nationale Umsetzung der CSR-Richtlinie (Richtlinie 2014/95/EU), ein vordergründig rein bilanzrechtlicher Normenkomplex, zu großer Verunsicherung in Bezug auf internationale Wirtschaftsbeziehungen, auch in der Kreditwirtschaft.

Die hier geführte Diskussion soll exemplarisch aufgegriffen werden; denn der Bereich der "Rechtsrisiken" ist naturgemäß deutlich weiter, wenn man nur das Steuer- und Kartellrecht in die Betrachtung mit einbezieht.

Ausweislich der Erwägungsgründe der CSR-Richtlinie soll die Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit, wie sozialen und umweltbezogenen Faktoren, dazu dienen, Transparenz zu schaffen und das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern zu stärken.

Als Adressaten sollen daher kapitalmarktorientierte Gesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern in einer sogenannten nicht finanziellen Erklärung, die entweder Teil des Lageberichts oder einer separaten Veröffentlichung im Internet sein kann, über Umweltbelange, Arbeitnehmerbelange, Sozialbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung berichten. Dabei sind zu diesen Aspekten jeweils diejenigen Angaben zu machen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft sowie die Außenwirkung ihrer Tätigkeit auf diese Aspekte erforderlich sind.

Geschäftsbeziehungen der Kapitalgesellschaft tangiert

Es geht jedoch nicht nur, wie der interessierte Rechtsanwender auf den ersten Blick denken mag, darum, was ein Unternehmen selbst tut und welchen Einfluss das Unternehmen selbst auf diese Aspekte hat. Dies wäre gerade für Unternehmen der Kreditwirtschaft einfach zu beantworten - gerade in Deutschland tariflich abgesicherte Löhne, die Frage, ob Ökostrom verwendet wird oder nicht, und die Erklärung, man lehne natürlich Korruption in jeder Weise ab, würden hier in kürzester Zeit einen CSR-Bericht ermöglichen.

Vielmehr geht es dem Gesetzgeber gerade auch um die Geschäftsbeziehungen der Kapitalgesellschaft, die Auswirkungen auf die genannten Belange haben. Dabei führt die Begründung des Regierungsentwurfs aus, dass in der öffentlichen Diskussion für die Wahrnehmung verstärkter Verantwortung durch Unternehmen auch die Kette von Subunternehmern im Hinblick auf Dienstleistungen eine zentrale Rolle spiele.

So sei es für die Allgemeinheit daher beispielsweise wichtig zu erfahren, ob die berichtende Kapitalgesellschaft aufgrund ihres Geschäftsmodells eine Lieferkette eingerichtet hat, um dann auch über diese Lieferkette nichtfinanzielle Angaben zu erhalten. So wird es auch gerade für die Kreditwirtschaft schwierig werden, dieser Berichtspflicht nachzukommen. Falls es denn überhaupt möglich sein sollte, in Deutschland Geschäftspartner, im Wesentlichen also auch Kreditnehmer, diesbezüglich beurteilen zu können, wird dies bei einer internationalen Verflechtung mit komplizierten Finanzierungsstrukturen praktisch unmöglich werden.

Prüfung des nichtfinanziellen Berichts

Über die zugrunde liegende Richtlinie hinaus, die fordert, dass die Mitglieder der Aufsichtsorgane sicherstellen, dass die nichtfinanzielle Erklärung entsprechend den Anforderungen der CSR-Richtlinie erstellt und offengelegt wird, sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, dass der Aufsichtsrat auch den gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu prüfen hat, sofern er erstellt wurde.

Dabei bleibt sowohl im Gesetzestext als auch in der Gesetzesbegründung offen, was "prüfen" heißt; lediglich an anderer Stelle wird klargestellt, dass eine externe inhaltliche Prüfung nicht grundsätzlich notwendig ist, denn nur im Fall einer solchen Überprüfung ist auch dieses Urteil öffentlich zugänglich zu machen. Selbst wenn eine externe Prüfungspflicht nicht besteht, sind bis zum jetzigen Zeitpunkt nur wenige Fälle vorstellbar, bei denen der Aufsichtsrat nicht internen oder externen Rat zur Beurteilung der nichtfinanziellen Erklärung einholen wird.

Negative Auswirkungen für die Wirtschaft reduzieren

Auch ist unklar, wie mit falschen, unvollständigen oder unklaren Äußerungen des Aufsichtsrats, insbesondere im Rahmen von Hauptversammlungen, umgegangen werden soll. Insbesondere stellt sich der Verfasser die Frage, inwieweit die bisherige Rechtslage die Möglichkeit einer Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses bietet. Dies ist insofern schwierig zu beurteilen, als dass die Erwägungsgründe der Richtlinie fordern, dass die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen haben, dass wirksame Nationalverfahren eingerichtet werden und dass diese Verfahren allen natürlichen und juristischen Personen offen stehen, die gemäß nationalem Recht ein berechtigtes Interesse daran haben, dass sichergestellt wird, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie eingehalten werden.

Somit bestehen also allein durch die vorgesehenen bilanzrechtlichen Regelungen erhebliche Unsicherheiten sowohl in Bezug auf den Umfang der vorgegebenen Berichtspflicht als auch in Bezug auf die vorgesehene Überprüfungspflicht durch die Leitungs- und Aufsichtsorgane der Unternehmen.

Dem Verfasser ist es daher im weiteren Verlauf der Beratungen über die Umsetzung der CSR-Richtlinie wichtig, hier sowohl durch textuelle wie auch erklärende Veränderungen die negativen Auswirkungen für die Wirtschaft zu reduzieren. So tritt er unter anderem dafür ein, dass eine freiwillige externe Überprüfung der nichtfinanziellen Erklärung erst nach einer gewissen Übergangsfrist veröffentlicht werden muss und dass klargestellt wird, dass eine Veröffentlichung eines Testats nur bei einer tatsächlich konzernfremden Überprüfung verpflichtend ist; sollte sich zum Beispiel der Aufsichtsrat einer konzerneigenen Consulting-Tochter bedienen, bedürfe es keiner Offenlegung des Ergebnisses. Damit soll verhindert werden, dass aufgrund eines möglichen nicht zu positiven Testats ganz auf eine externe Beratung verzichtet wird, was letztlich zulasten einer guten Berichterstattung geht.

Auch soll durch eine unterschiedliche Wortwahl klargestellt werden, dass die Prüfung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat eine andere Qualität hat als die Beschäftigung mit der nichtfinanziellen Erklärung. Letztendlich setzt sich der Verfasser auch dafür ein, nicht nur in dem noch zu erstellenden Bericht des Rechtsausschusses, sondern gerade auch im Gesetzestext klarzustellen, dass eine Anfechtung des Entlastungsbeschlusses von Aufsichtsräten nicht auf eine fehlerhafte nichtfinanzielle Erklärung gestützt werden kann.

Risiken kanalisieren

Kurz und gut: Das aktuelle Beispiel der Umsetzung der CSR-Richtlinie zeigt, in welchem Umfang zusätzliche rechtliche Risiken auf die (Kredit-)Wirtschaft zukommen. Der Politik ist aber durchaus bewusst, dass diese Risiken zu kanalisieren sind, um nicht durch überzogene Haftungsanforderungen das grundsätzlich wünschenswerte Ziel höherer Transparenz infrage zu stellen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X