Professionalisierung der Führungs- und Personalarbeit in Genossenschaftsbanken

Abbildung 1: Übersicht der wesentlichen Erkenntnisse

Joachim Kehr, Geschäftsführer, GenoPersonalConsult GmbH, Neu-Isenburg - Die Volks- und Raiffeisenbanken sind während der jüngsten Finanzkrise von Gesellschaft und Verbrauchern durchaus als stabile Unternehmen mit angemessenem Geschäftsmodell wahrgenommen worden. Doch wie zufrieden waren und sind die Mitarbeiter der genossenschaftlichen Primärbanken vor und nach der Krise? Was ist ihnen wichtig und wie gut erfüllen Arbeitsplatz und Führungskräfte diese Ansprüche? Manches Ergebnis der vom Autor beschriebenen Studie muss aufhorchen lassen: Eine offene Kommunikation im Haus betrachtet ein Großteil der Befragten als wesentliches Kriterium für Arbeitszufriedenheit. Nur ein Fünftel sieht sie aber auch als umgesetzt an. Auch beim Führungsverhalten der Vorgesetzten klafft nach wie vor eine Lücke zwischen Anspruch und erlebter Qualität. (Red.)

Laut einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Soziales werden bis zu 30 Prozent des Unternehmenserfolgs durch die Unternehmenskultur bestimmt. Damit hat diese "Vorsteuergröße" des unternehmerischen Erfolgs auch für die Volksbanken Raiffeisenbanken eine große Bedeutung. Grund genug für die Geno-PersonalConsult in einer Metastudie der durchgeführten Mitarbeiterbefragungen in Primärinstituten der genossenschaftlichen Finanzgruppe die Langzeitentwicklung prägender Kulturaspekte zu analysieren. Die Befragungsergebnisse - aus der Zeit vor und nach der Finanzmarktkrise - zeigen positive Entwicklungen, aber auch deutlichen Handlungsbedarf. Insgesamt wurden 24 Befragungen mit rund 3800 Teilnehmern von der GPC analysiert.

Die GenoPersonalConsult (GPC) ist die Personalberatung im genossenschaftlichen Verbund und Partner unter anderem bei der Durchführung von Mitarbeiterbefragungen. Charakteristisch für die GPC- Befragungen ist die Erhebung sowohl der Erwartungshaltung als auch des Erfüllungsgrades aus Mitarbeitersicht. So sind fundierte Aussagen über die Befunde der Marktorientierung, der Einstellung zum Unternehmen, dem Arbeitsumfeld sowie der Führungssituation möglich. Im Rahmen der 24 analysierten Befragungen wurden zwei Zeiträume betrachtet (2000 bis 2004 sowie 2010 bis 2014). Von den über 5 000 befragten Mitarbeitern konnten 3 800 valide Ergebnisrückläufe berücksichtigt werden.

Detaillierter Blick auf die Unternehmenskultur

Ausgangspunkt für die Metastudie war die Frage, ob sich in der Wahrnehmung und Einstellung der Mitarbeiter in der genossenschaftliche Finanzgruppe seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ein Wandel vollzogen hat. Aus dem Zeitraum von 2000 bis 2004 wurden die Ergebnisse von acht Befragungen aus der Zeit von 2010 bis 2014 die Ergebnisse von 16 Befragungen berücksichtigt. In beiden Zeiträumen wurde der Fokus auf eine Auswahl von 18 besonders prägnanten und beständig erhobenen Items gelegt. Für die Befragungen wurde eine 6er-Skala verwendet, wobei "5"+ "6" (Top-Boxes) eine hohe Zustimmung und "1"+ "2" (Low-Boxes) eine bewusste Ablehnung der jeweiligen Aussage (Item) darstellt.

Zur Auswertung wurde der Prozentwert der beiden Top-Boxes berücksichtigt, um die Signifikanz der getroffenen Aussagen zu erhöhen. In relevanten Fällen zeigt der Prozentwert der beiden Low-Boxes die Ablehnungsintensität der Mitarbeiter zu dem betreffenden Item. Konkret betrachtet wurde das arithmetische Mittel zu Wichtigkeit und Erfüllung der jeweiligen Items über die Zeitspannen hinweg. Die sich in der "Wichtigkeit" der einzelnen Items ausgedrückte Erwartungshaltung der Mitarbeiter hat sich im Zeitablauf leicht reduziert, wenngleich sich eine gewisse Konstanz der bedeutsamen Kriterien für Arbeitszufriedenheit zeigt (siehe Abbildung 1). In der Wahrnehmung der befragten Bankmitarbeiter sind aktuell neben den Hygienefaktoren wie der Sicherheit des Arbeitsplatzes (92 Prozent Wichtigkeit) oder fairer und leistungsgerechter Vergütung (91 Prozent) vor allem die "weichen Faktoren" wie das Wir-Gefühl in der Abteilung (89 Prozent), die Anerkennung der Führungskraft für gute Arbeitsleistungen (93 Prozent) und die Zusammenarbeit mit den Kollegen in der Abteilung (92 Prozent) von bedeutender Wichtigkeit.

Handlungsbedarf bei Kommunikation in der Bank

Nach wie vor hoch ist die Erwartung an eine offene und direkte Kommunikation in der Bank, die mit 89 Prozent in beiden Zeitspannen unverändert ist. Der auch aktuell geringe Erfüllungswert bei diesem Punkt - nur 14 Prozent der Befragten sahen dieses Kriterium vor der Krise erfüllt, 21 Prozent danach - ist schon ein erstes Signal bezüglich der noch ungelösten Handlungsfelder. Erschwerend kommt die Ablehnungsquote (Low-Boxes) hinzu, nach der 23 Prozent der Mitarbeiter explizit eine offene und direkte Kommunikation ihn ihrem Hause nicht wahrnehmen.

Als signifikant ist die deutlich zurückgegangene Erwartungshaltung bei den Items "Wer Leistung zeigt, kann etwas erreichen" (nur noch 77 Prozent) und insbesondere bei "Ich bin bereit, mich für meine Bank in besonderem Maße zu engagieren" (nur noch 86 Prozent) zu bewerten. Zeigt doch dieser Befund, dass herkömmliche Motivationsansätze einer gesellschaftlichen und betrieblichen Veränderung unterliegen.

Erfüllungsgrad zeigt positive Weiterentwicklung

Betrachtet man die Zustimmungsquoten zu den angebotenen Items durch die Mitarbeiter, kann den Genossenschaftsbanken aus der Studie heraus insgesamt eine Weiterentwicklung über fast alle Befragungsthemen hinweg attestiert werden. Trotz der deutlich differenzierteren öffentlichen Wahrnehmung des Berufsbildes Banker wird die Aussage "Mein Arbeitsplatz ist sicher" mit 55 Prozent Erfüllung deutlich stärker wahrgenommen als im Zeitraum vor der Krise mit lediglich 31 Prozent. Auch das Item "Ich bin stolz, bei der Bank beschäftigt zu sein" hat sich mit plus 16 Prozent und einem Erfüllungsgrad von 63 Prozent in den Top-Boxes sehr positiv entwickelt (siehe Abbildung 2).

Eine erfreuliche Weiterentwicklung konnte im Bereich der Führungsarbeit gemessen werden. Hier wurde die Lücke zwischen dem Anspruch der Mitarbeiter an Führungskräfte und der erlebten Qualität der Führungsarbeit reduziert. Trotz dieser positiven Entwicklung ist der Abstand zwischen subjektiver Wichtigkeit und der erlebten Führungssituation aber immer noch ausgeprägt.

Kaum Veränderungen sind in Bezug auf die positive Einschätzung zu den eigenen Karriereperspektiven (Veränderung: plus 1,9 Prozentpunkte; Wert: 37 Prozent) und die als leistungsgerechte beziehungsweise fair empfundene Vergütung (plus 3,1 Prozentpunkte; 35 Prozent) zu erkennen. Die Zusammenarbeit mit Kollegen in anderen Abteilungen (plus 8,5 Prozentpunkte; 42 Prozent) hat sich aus der Sicht der Mitarbeiter günstiger entwickelt.

Kritischer Spannungsbogen im Führungsbereich

Die Befragten scheinen jedoch eine "Zwei-Klassen-Gesellschaft" in der Führung wahrzunehmen. Einerseits steigt der Anteil der Mitarbeiter, die ihrer Führungskraft eine positive Bewertung geben - andererseits ist der Anteil der deutlich negativen Rückmeldungen sehr hoch. So weisen führungsbezogene Befragungsitems einen Ablehnungswert (Low-Boxes) von 21 Prozent bis 37 Prozent auf. Offensichtlich gelingt es einem bedeutenden Teil der Führungskräfte nicht, die Mitarbeiter hinsichtlich Anerkennung der Leistung, Förderung und Entwicklungsperspektiven sowie kommunikativ zu erreichen. Möglicherweise hierdurch begründet zeigen sich negative Tendenzen im Bereich des Engagements und der Motivation. Sowohl Erwartungshaltung als auch Erfüllungsgrad haben deutliche "Einbrüche" bei dem Item "Ich bin bereit, mich in besonderem Maße zu engagieren" zu verzeichnen.

Auch die nach wie vor geringen Erfüllungswerte zur "offenen und direkten Kommunikation" - im Kontext mit dem Schlusslicht "Wir-Gefühl" mit nur 17 Prozent Zustimmung - zeigen einen Hebel in der Grundlagenarbeit von Führung und Personalmanagement.

Sieben Thesen für die Führungs- und Personalarbeit

Diese Ergebnisse geben klare Impulse für eine organisationale Weiterentwicklung, eine Stärkung der Führungsarbeit sowie die stringentere Umsetzung der Führungsentwicklung auf der zweiten und dritten Führungsebene. Abbildung 3 zeigt sieben zentrale Handlungsfelder.

So gilt es, die Führungskräfte zukünftig noch stärker durch einen echten Leistungsbeitrag von gestaltender Personalarbeit zu unterstützen, geeignete Instrumente zu entwickeln und damit Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Führungsarbeit zu schaffen. Dem Personalbereich der Bank kommt dabei, entlang der Unternehmensstrategie des Hauses, eine wichtige Funktion zu. Dazu gehört aber auch ein klarer, kritischer Blick auf die Führungsmannschaft sowohl bei der Besetzung von Führungspositionen als auch in der laufenden Kompetenzentwicklung im Bereich Leadership.

Erfolgsfördernd ist hierzu ein dynamischer und angstfreier Umgang mit fundierten diagnostischen Instrumenten zur Standortbestimmung sowie der Flexibilität durch Positionswechsel innerhalb der Führungsebene oder gar im Hinblick auf eine Rückversetzung in eine Spezialisten-Funktion. Insbesondere die horizontale Flexibilität bietet enormes Gestaltungs- und Entwicklungspotenzial sowohl für die Bank als auch für die einzelne Führungskraft. Neben einem ganzheitlicheren Blick auf die Unternehmenserfordernisse beugen neue Herausforderungen im eigenen Hause dem Tunnelblick vor und fördern die Vitalität und Zukunftsorientierung des Einzelnen sowie des ganzen Führungsteams.

Durch die Stärkung der horizontalen Integration aller Führungskräfte können auch deutliche Verbesserungen in der offenen und direkten Kommunikation erreicht werden. Es gilt zu erkennen, dass in einem komplexer werdenden Umfeld die den Mitarbeiter bewegenden Fragen häufig grundsätzlicher Natur sind. Durch eine einheitliche Meinungsbildung im Führungskreis können solche Themen mit einer klaren Haltung und Botschaft sehr zufriedenstellend beantwortet werden. Der Mitarbeiter wird nicht jede Entscheidung begrüßen, aber er weiß, woran er ist. Gerade in Bezug auf anstehende schwierige Entscheidungen ist dies für Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen wichtig.

Ein wirkungsstarker Ansatz hierbei kann es sein, die Mitarbeiter - auch in strategische Entscheidungen und Entwicklungen - partizipativ in die Organisationsentwicklung mit einzubinden. Aus der Beratungspraxis der GPC heraus entwickelt wurde das Konzept com.mit bereits in diversen Banken und Verbundunternehmen mit hoher Akzeptanz der Führungskräfte und Mitarbeiter sowie konkreten Verbesserungen in der Alltagssituation eingesetzt. Durch Wiederholungsbefragungen konnten Erfolge der Kulturveränderung messbar gemacht werden.

Die kompletten Studienergebnisse können beim Autor angefordert werden. Anfrage unter kontakt[at]gpconsult[dot]de

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