Personalpolitik

Anforderungenan das Personalmanagement im Fusionsprozess

Als die Commerzbank am 1. September 2008 die Übernahme der Dresdner Bank bekannt gab, war das auch der Startschuss für eine in Deutschland beispiellose Personalaufgabe. Es galt, 26 000 Beschäftigte des Dresdner Bank-Konzerns zu integrieren und dabei ein Versprechen zu halten, das die Commerzbank ihren alten und neuen Mitarbeitern zu Beginn des Integrationsprozesses gegeben hatte: Sämtliche Kollegen haben auf Basis ihrer Qualifikation die gleichen Chancen, Mitarbeiter der neuen Commerzbank zu werden - unabhängig davon, ob sie zuvor zu den "Gelben" oder den "Grünen" gehörten.

Dieses Versprechen war wohl durchdacht, denn der HR-Bereich der Commerzbank hatte schon die Gespräche im Vorfeld der Übernahme begleitet. Schließlich war klar, dass es mit der Verschmelzung viele Strukturen doppelt geben würde, zum Beispiel zwei Rechts- oder IT-Abteilungen.

Die Konzernzentrale der Dresdner Bank und die Zentrale der Commerzbank sind am selben Standort angesiedelt - nur wenige Gehminuten voneinander entfernt. Und auch die Niederlassungen der Dresdner Bank liegen oft in unmittelbarer Nähe zu den Filialen der Commerzbank - in Deutschland ebenso wie im Ausland. Die Gleichung, 26 000 Beschäftigte der Dresdner Bank plus 41 000 Beschäftigte des Commerzbank Konzerns ergeben den Personalstamm der neuen Commerzbank, konnte folglich nicht aufgehen.

Eine Analyse ergab, dass rund 58 000 Mitarbeiter nötig sind, um in der Zentrale und in der Fläche gleichermaßen beratungs- und leistungsfähig zu bleiben. In den Wochen und Monaten vor dem 1. September war es Aufgabe des HR-Bereichs, in enger Abstimmung mit der Unternehmensleitung und den Arbeitnehmervertretern Szenarien zu entwickeln, wie der unumgängliche Stellenabbau möglichst sozialverträglich erreicht werden kann.

Kündigungen ausgeschlossen

Im Zusammenhang mit der Integration der Dresdner Bank werden etwa 9 000 Vollzeitstellen abgebaut, davon etwa 6 500 im Inland. Trotzdem wurden von Anfang an betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2011 ausgeschlossen.

Das war der Stand am 1. September 2008 - und für die Mitarbeiter beider Banken war er eine Zäsur. Den Personalverantwortlichen war sehr wohl bewusst, welche Mechanismen nun möglicherweise greifen würden. Verunsicherung über die berufliche Zukunft könnte das Engagement der Mitarbeiter negativ beeinflussen, die Loyalität mit dem Arbeitgeber könnte abnehmen, ambitionierte Mitarbeiter könnten abwandern - um nur drei "Gefahren" zu nennen. Daher musste zügig vermittelt werden, dass Leistungsträger eine vielver sprechende Zukunft bei der neuen Commerzbank haben. Schnelle und funktionstüchtige Ergebnisse waren gefragt. Dabei musste berücksichtigt werden, dass bis zur endgültigen Verschmelzung beide Banken rechtlich eigenständige Unternehmen mit eigenen Arbeitnehmervertretern waren.

Die Führungskräfte standen also vor der Aufgabe, während der Integrationsphase Leistungsfähigkeit und Motivation in ihren Einheiten zu erhalten, ohne zu wissen, ob sie ihre Aufgaben behalten würden. Gleichzeitig spielten sie eine wichtige Rolle im Übergang auf neue Strukturen und Verantwortlichkeiten, die mit den Arbeitnehmervertretungen verhandelt werden sollten. Wichtigste Aufgabe des Personalressorts war dabei, für zahlreiche Fragen schnelle, praktikable und vor allem überzeugende Lösungen zu finden. Den Rahmen dafür gab ein Integrationsausschuss vor.

Führungsebene für Führungsebene

Noch im September 2008 entschied der Gesamtvorstand der neuen Commerzbank über die Besetzung der ersten Führungsebene, die "Executives". Die Ernennung der Regional- und Bereichsvorstände erfolgte unter anderem nach strukturierten Einzelinterviews mit den zuständigen Vorständen. Die fachliche und persönliche Eignung war das entscheidende Auswahlkriterium - unabhängig von der bisherigen Unternehmenszugehörigkeit. Ziel: in einem fairen Prozess die fähigsten Kandidaten zu finden. Die Potenziale und Talente beider Häuser sollten genutzt werden, um ein herausragendes Führungsteam zu bilden. Der HR-Bereich begleitete den Auswahlprozess eng, die Entscheidung über die neuen Executives fällte der Gesamtvorstand.

Nächster Schritt war die Besetzung der rund 370 Positionen der zweiten Führungsebene. Beide Banken bestimmten gemeinsam den Kreis derer, die dafür in Frage kamen. Sie wurden Anfang Oktober aufgefordert, sich zu bewerben. Mitte Oktober führten die neuen Executives Interviews mit den Kandidaten. Ende Oktober präsentierten die Executives ihre Vorschläge dem Vorstand, danach entschieden sie gemeinsam über die Zusammensetzung der zweiten Führungsebene. Mit dieser zeitnahen Besetzung wurden schnell Klarheit und Sicherheit für die Organisationsstruktur der neuen Commerzbank geschaffen. Für zwei der acht Segmente, Commercial Real Estate und das Mittel- und Osteuropageschäft, entfiel der Auswahlprozess, weil diese Geschäftsfelder bei der Dresdner Bank nicht vorhanden waren. Die zweite Führungsebene der übrigen sechs Segmente wurde - auf Basis fachlicher und persönlicher Eignung - nahezu paritätisch besetzt. Da unterhalb der Bereichsvor-stands-Ebene mit der Integration zum Teil Bereiche entstehen, die größer und komplexer sind als zuvor, wurden zwei neue Funktionen geschaffen: der Zentralbereichsleiter und der Geschäftsbereichsleiter. Beide gehören ebenfalls zur zweiten Führungsebene und berichten direkt an ihren Bereichsvorstand.

Anfang April 2009 startete die Auswahl für die dritte und vierte Führungsebene in der Frankfurter Zentrale. Geeignete Kandidaten mit entsprechender fachlicher und persönlicher Eignung konnten sich auf diese Stellen bewerben, im Anschluss daran führten die Führungskräfte der zweiten Ebene in Abstimmung mit dem Personalressort Bewerbungsgespräche. Daraus resultierten Besetzungslisten, die mit dem Betriebsrat abgestimmt wurden.

Nur wenige Tage später führten die Führungskräfte der zweiten Ebene die Rückmeldegespräche mit den Kandidaten - Resultat einer engen Zusammenarbeit zwischen Führungskräften, Arbeitnehmervertretung und Personalressort. Rund 85 Prozent der Stellen in der dritten und vier ten Ebene wurden in diesem Auswahlver fahren besetzt. Etwa 45 Prozent dieser Führungskräfte kommen von der Dresdner Bank. Betriebsrat und Personalressort einigten sich darauf, die verbleibenden 15 Prozent der Stellen in einer "zweiten Runde" erneut auszuschreiben. Im nächsten Schritt folgt die Besetzung der Führungsebenen in der Fläche.

Mit der Neustrukturierung der Commerzbank werden dort, wo es ökonomisch sinnvoll ist, auch Standorte zusammengelegt werden. Um diese Phase für die Mitarbeiter so einfach wie möglich zu gestalten, hat Human Resources mehrere Konzepte entwickelt. So wird es in den Hauptregionen Nord, West, Süd, Ost und Mitte Clearing-Stellen geben. An sie können sich Mitarbeiter wenden, um den internen Stellenmarkt optimal auszuschöpfen.

Zudem haben Beschäftigte, deren Standort in den kommenden Jahren zusammengelegt wird, die Option, anzugeben, an welchem Ort sie künftig gerne eingesetzt werden möchten - möglicherweise auch in anderer Position. Schließlich hat die Commerzbank zum Beispiel im neuen Karrieremodell "ComMap" die Projekt-Laufbahn deutlich gestärkt und die Durchlässigkeit von Karrierewegen erhöht.

Altersteilzeit sinnvoll nutzen

Neben der schnellen Besetzung der Führungspositionen war der "Interessenausgleich und vorläufige Sozialplan für die Zentrale" ein wichtiger Bestandteil der Personalarbeit. Der Konzernbetriebsrat hat diesen am 30. März verabschiedet. Die Verhandlungen dafür waren unter Hochdruck geführt worden, das Ziel: die schnellstmögliche Zusammenführung der Zentraleinheiten. Denn nur mit einer gemeinsamen Konzernzentrale ist es möglich, den Integrationsprozess umzusetzen.

Bei den Verhandlungen war es die Aufgabe der zentralen Human-Resources-Abteilung, die Interessen von Mitarbeitern und Bank gleichermaßen zu wahren. Im Interessenausgleich wurde die Integration des Betriebs der Zentralen der Dresdner Bank und von Dresdner Kleinwort in die Commerzbank geregelt. Darüber hinaus wurde geklärt, wie die Organisationsstruktur der zentralen Einheiten in Frankfurt aussehen wird.

Der Sozialplan legt fest, welche Leistungen Mitarbeiter erhalten, die freiwillig ausscheiden. Damit werden Rahmenbedingungen und Instrumente für einen möglichst sozialverträglichen Stellenabbau geschaffen. Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, die Details im Intranet nachzulesen. Fragen beantworten die Vorgesetzten, die das Personalressort entsprechend darauf vorbereitet hat, oder die Personalabteilung direkt per E-Mail oder Telefon. Mit der Eingliederung der Dresdner Bank-Zentrale lösten sich deren Betriebsräte kraft Gesetz auf. Doch dank einer Vereinbarung zwischen Commerzbank und Gesamtbetriebsrat bleiben die ehemaligen Arbeitnehmervertreter der Zentrale als Berater am Integrationsprozess beteiligt.

Anfang Juli unterzeichnete der Konzernbetriebsrat schließlich den Rahmen-Interessenausgleich, den Sozialplan sowie die Teil-Interessenausgleiche für die Fläche. Seit Februar hatte es in zwölf Arbeitskreisen intensive Verhandlungen gegeben. Diese orientierten sich inhaltlich an den Integrationsmodulen, zum Beispiel am Modul Private Kunden oder am Modul Mittelstandsbank. Auf Arbeitgeberseite verhandelte der jeweils zuständige Executive, der Betriebsrat saß mit am Tisch - und ein Verhandlungspartner von Human Resources.

Zugleich wurde vom Konzernbetriebsrat der vorläufige Sozialplan für die Zentrale bestätigt und um Vereinbarungen zu Mobilität, Altersteilzeit und Abfindungen erweitert. Der Kündigungsschutz wurde zudem deutlich ausgedehnt. Er wird in Abhängigkeit zum Abbau der Vollzeitstellen erweitert und verlängert sich zunächst bis Ende 2012, wenn die Abbauziele für Ende 2011 erreicht werden. Bisher wurden bereits mit rund 1 500 Mitarbeitern Altersteilzeitverträge abgeschlossen. Mit der Altersteilzeit reduzieren ältere Mitarbeiter zwar ihre Arbeitszeit, aber bleiben der Bank erhalten. So wird sichergestellt, dass der Wissenstransfer funktioniert.

Weitere Mitarbeiter haben Abfindungsangebote angenommen und orientieren sich beruflich neu. Zur Unterstützung hat das Personalressort auch Outplacement-Berater engagiert. Die Commerzbank ist zuversichtlich, dass der Personalabbau sozialverträglich gestaltet werden kann und hat den möglichen Ausschluss von betriebsbedingten Beendigungskündigungen sogar bis zum Ende des Jahres 2013 ausgeweitet - vorausgesetzt bis Ende 2012 werden geplante betriebswirtschaftliche Synergieziele erreicht.

Zwei Welten werden zu einer

Natürlich gibt es zahlreiche technische Voraussetzungen einer Integration. Die größte Herausforderung davon ist die Harmonisierung der beiden Informationstech-nologie-Welten. Aber ungleich komplexer ist die Aufgabe, die Menschen bei einer solchen Verschmelzung mitzunehmen und die Unternehmenskulturen beider Banken in die neue Commerzbank zu integrieren. Von der Stimmung und Motivation der Mitarbeiter hängt ab, wie erfolgreich die Commerzbank in diesem Veränderungsprozess sein wird. Dafür ist es wichtig zu wissen, wie die Zustimmung der Mitarbeiter zu ihrem Arbeitgeber ist, wie sie die Integration erleben und empfinden.

Im kommenden Jahr wird das mit Hilfe einer konzernweiten Mitarbeiterbefragung ermittelt. Doch auch schon jetzt, während des gesamten Integrationsprozesses, macht sich die Bank mit repräsentativen Befragungen regelmäßig ein Bild von der Meinung der Mitarbeiter. Die Commerzbank bedient sich hier des "Integrationsmonitors" und des "Pulse Checks".

Im Integrationsmonitor werden die Mitarbeiter der Integrationsteams befragt. Beim Pulse Check werden 400 zufällig ausgewählte Mitarbeiter aus Dresdner Bank und Commerzbank gebeten, sich zu den Themen Zusammenschluss und Integration zu äußern. Nach wie vor sehen die meisten Mitarbeiter den Zusammenschluss positiv. Die Antworten des Integrationsmonitors zeigen, dass die mehr als 2 600 Mitarbeiter der Integrationsmodule hinter ihrer Arbeit stehen - trotz schwieriger Rahmenbedingungen. Die Ergebnisse dieser Umfragen dienen dem Personalressort unter anderem dazu, Handlungsempfehlungen für die Führungskräfte zu entwickeln, um sie in ihrer Aufgabe als Change Agents zu stärken.

Keine Frage: Die Integration der Dresdner Bank ist ein Marathon, auf dem bis jetzt die ersten fünfzehn bis zwanzig Kilometer geschafft sind. Doch das Ziel liegt klar vor Augen: Deutschlands Bank Nummer eins für Privat- und Mittelstandskunden! Der Weg dorthin ist nur mit engagierter, durchdachter und vor allem schneller Personalarbeit zu bewältigen.

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