Public Private Partnerships und die Finanzierung des Dreißigjährigen Krieges

Prof. Dr. Christoph Enders, Foto: FOM/Tom Schulte

Public Private Partnerships werden in der heutigen Zeit vor allem für zivile Projekte genutzt, in denen die öffentliche Hand als alleiniger Investor überfordert wäre. Der Autor bietet einen historischen Exkurs in das 17. Jahrhundert, als diese Kooperationen zwischen Staat und Unternehmern ganz allgemein der Finanzierung von Kriegen dienten, am Beispiel des Dreißigjährigen Krieges, einem der längsten Konflikte in der europäischen Geschichte. Die Auslagerung der Kriegsfinanzierung, das zeigt die Geschichte, hat viele Nachteile. Die Wirtschaft wird geschwächt und tendenziell werden Konflikte dadurch regional und zeitlich ausgeweitet. Für den Unternehmer Wallenstein endete dieses Beispiel mit einem politischen Mord. (Red.)

Krieg braucht zwingend Finanzierung. Krieg - aber auch Frieden schließen - muss man sich leisten können. Der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) ist der letzte große Konflikt in Europa bei dem die Kriegsführung an Unternehmer übertragen wurde. Krieg hat man durch Public Private Partnerships (PPPs)1) führen und finanzieren lassen.

Der Dreißigjährige Krieg kann als Abfolge von einzelnen Kriegen angesehen werden. Vom böhmisch-pfälzischen über den niedersächsisch-dänischen und schwedischen Krieg bis zum "Krieg, der nicht enden will"2) . Die Erschöpfung der Ressourcen der beteiligten Kriegsparteien - im Hinblick auf Personal, Produktionskapaziäten und damit letztlich auch Finanzierungsmöglichkeiten - ging mit einer längeren Kriegsdauer einher. Eine Ursache liegt in den "Kosten" des Friedens, also insbesondere die der Demobilisierung von Soldaten und einer Regelung von Kriegsschulden.3) Demobilisierung war vor allem ein schwedisches Problem.

Weder verfügte Schweden über die finanziellen Mittel zur Bezahlung auf gelaufener Forderungen der vertraglich gebundenen Kriegsunternehmer noch konnten zirka 60 000 überwiegend nichtschwedische Söldner einfach "entlassen" werden: Herumziehende ("gardende") Söldner stören den Frieden. Erst die Bereitschaft der Reichsstände zur Zahlung dieser Demobilisierungskosten erlaubte im Juli 1650 das "Closing" des westfälischen Friedensvertrages vom Januar 1648.4)

Den hohen Kosten von Krieg standen im 17. Jahrhundert nur sehr begrenzte finanzielle Möglichkeiten der kriegsführenden Parteien gegenüber.5) Dies gilt auch für den Habsburger Ferdinand II., der als Kaiser zentrale Kriegspartei war. Seine finanzielle Situation war wie folgt:

- Einnahmen kamen prioritär aus eigenem Landbesitz und Regalien (Münz-, Bergwerks- und Zollregalien) und diese waren schon in Friedenszeiten bestenfalls ausreichend;6)

- eine (zweckgebundene) Erhöhung von Steuern war nur eingeschränkt möglich, da dies die Zustimmung der Landstände7) brauchte und zudem bewilligte Steuern nicht unbedingt gezahlt wurden;

- die Münzverschlechterung ab 1622 zur Steigerung der Seigniorage ("Kipper und Wipper"-Zeit) war aufgrund der induzierten Inflation nicht nachhaltig durchhaltbar;8)

- Zahlungen durch Drittstaaten (Subsidien) waren faktisch wenig ergiebig;9)

- Konfiskationen und Weiterverkauf von (Feindes-)Land waren naturgemäß "Einmaleffekte".10)

Die Bonität von Ferdinand II. war zusammenfassend unzureichend: Weder konnten Einnahmen signifikant gesteigert werden noch waren größere Kredite verfügbar, da Kredit ceteris paribus höhere zukünftige Einnahmen für den Schuldendienst braucht. PPPs waren deshalb für Ferdinand II. im Hinblick auf eigene militärische Fähigkeiten alternativlos: zwischen 1625 und 1630 war dies das finanzierungsseitig interessanteste Pu blic Private Partnerships unter Wallenstein.

PPPs im Dreißigjährigen Krieg

PPPs im Dreißigjährigen Krieg haben konzeptionell Merkmale sowohl von "non-recourse" Projektfinanzierungen, die auf Nutzungsgebühren (zum Beispiel Mautstraße) basieren, als auch von Forfaitierungsmodellen, bei denen der Auftraggeber für die Leistungen zahlt. Im Unterschied zu heutigen PPPs hatten die Auftraggeber (zum Beispiel der Kaiser) eine schlechtere Bonität als die Auftragnehmer (Kriegsunternehmer). Die Kreditwürdigkeit Letzterer basierte auf dem (potenziellen) Einsatz von Gewalt, was einen direkten Zugriff auf Ressourcen Dritter ermöglichte.

Der Dreißigjährige Krieg zeigt die für PPPs üblichen Regelungen zu zur erbringenden Leistung, Vertragsdauer und (finanzieller) Kompensation:

- Leistung war im Kern die Aufstellung eines Regimentes von Soldaten (Zahl, Bewaffnung) und die Kriegsführung.

- Die Vertragsdauer war bei Vertragsabschluss nur schwer zu definieren, da a priori unklar war, wann wieder Frieden geschlossen wird. Kriegsunternehmer haben in der Regel ein Interesse an langen Vertragslauf- beziehungsweise Kriegszeiten und kalkulierbaren Kosten, das heißt die militärische Strategie wird - Soldaten sind teuer und müssen sowieso sterblichkeits- und desertionsbedingt häufig ersetzt werden - eher eine verlustminimierende Defensivstrategie mit entsprechend längerer Dauer sein als eine auf eine kurzfristige finale Entscheidung ausgerichtete.

- Die Höhe der Kompensation basierte auf Kostenerstattung plus "Gewinnmarge", was tendenziell ebenfalls kriegsverlängernd wirkt. In der Folge finden sich große Armeen (mit hohen Kosten), die überwiegend zur Sicherung der eigenen Position (unter anderem zur Eintreibung von Kontributionen) eingesetzt werden - also nicht kriegs- weil schlachtenentscheidend sind.11) Die Zahlung der Kompensation erfolgte aus (a) Mitteln des Auftraggebers und (b) Mitteln, die der Kriegsunternehmer selbst "erwirtschaften" beziehungsweise eintreiben musste (inklusive Plünderungen12) et cetera als variables Einkommen).

Die vom Auftraggeber zugesagten Beträge sind selten zeitgerecht und vollständig gezahlt worden. Damit entstanden Forderungen des Kriegsunternehmers gegenüber dem Auftraggeber. Zur Rückführung der Forderungen blieb oftmals nur die Übertragung von (erobertem oder konfisziertem) Land. So erhielt Wallenstein in 1627 das sehr niedrig bewertete Herzogtum Sagan; erst danach begann Wallenstein mit dem Feldzug gegen den Dänen Christian IV.13) Die Übereignung von Land (gegebenenfalls mit Titel) statt vereinbarter Cash-Zahlungen war für die meisten Kriegsunternehmer trotz niedriger Wertansätze wirtschaftlich eine "Second-Best"-Lösung. Der Wert von (zum Teil verwüstetem) Land, das im Krieg auch wieder an den Feind verloren gehen kann, ist begrenzt. Offiziere der schwedischen Armee verkauften das ihnen in Franken übergebene Land direkt weiter, allerdings zu einem nachfragebedingt sehr niedrigen Preis.14) Eine finale - aber für die Betroffenen fatale - Regelung von Forderungen war der Tod. Dies gilt für Soldaten, deren ausstehender Sold nicht mehr gezahlt wurde, wie für Kriegsunternehmer wie Wallenstein, dessen Forderungen - nach seinem Tod - entfielen.

Dreh- und Angelpunkt der PPPs waren die Kontributionen. Kontributionen bestanden ursprünglich in der Bereitstellung von Gütern des täglichen Bedarfs inklusive Quartier für das Militär durch die lokale Bevölkerung gegen entsprechende Bezahlung.15) Im Dreißigjährigen Krieg wurde aus Kontributionen eine Leistung der Bevölkerung, für die keine Bezahlung erfolgte: aus Kontributionen wurden Kriegssteuern.16) Wallenstein hat das System der Kontributionen weiter umgestellt. Statt der Bereitstellung von Gütern "in kind", brauchte Wallenstein cash. Die Kontributionen wurden monetarisiert und der Sold der Offiziere und Soldaten addiert.17) Zudem erhob Wallenstein Kontributionen bei "Freund und Feind".

Kontributionen in cash waren eine Voraussetzung für das PPP-Modell von Wallenstein:

- Bezahlung, der für ein großes Heer notwendigen überregionalen Lieferungen von Ausrüstung und Nahrungsmitteln;

- Vorfinanzierung der Kontributionen durch Kredit; - höhere Gewinnmöglichkeiten durch Cash pro Kopf entsprechend der Soll-Stärke (nicht Ist-Stärke);

- Zahlung eines hohen, sehr wettbewerbsfähigen Soldes18) durch die Möglichkeit der Kostenüberwälzung.

Das "alignment of interests" im PPP-Modell wurde durch die Vorfinanzierung der Kosten, an der sich Kriegsunternehmer und - in deren Unterauftrag - Hauptleute beteiligen (mussten) sowie die Partizipation an den Erträgen, hergestellt. Dies gilt auch für die Soldaten, die ihre eigene Ausrüstung stellten und regelmäßig Forderungen aus nichtgezahltem Sold hatten.

Chancen und Risiken der Kriegsunternehmer

Die Zahl der Kriegsunternehmer im Dreißigjährigen Krieg wird auf rund 1 500 geschätzt.19) Deren Kreditwürdigkeit und Reputation waren Voraussetzungen für ein PPP. Beides war im Verhältnis zu Handelshäusern/Bankiers wie zu Unterauftragnehmern (zum Beispiel Hauptleute) wichtig. Selbst für die einfachen Soldaten war die Reputation des Kriegsunternehmers relevant: (erhoffte) Soldzahlung (Counterparty-Risiko des Soldaten), erwartete gute Quartiere und variable Einkommen - Vorgesetzte mit einer eher laxen Moral im Hinblick auf irreguläre Aktivitäten wie unerlaubtes Plündern wurden präferiert.20)

Die Kriegsunternehmer als "Obristen" stellten eigene Regimenter auf, die dann Teil einer größeren Armee waren. Die Regimenter waren "Quasi-Eigentum" des Obristen beziehungsweise eines Investors.21) Zwar konnte der Auftraggeber Regimenter gegen Entschädigung22) auflösen und fusionieren, aber es finden sich auch Beispiele, in denen diese verkauft oder vererbt wurden.23)

Hinzu kam grundsätzlich "Vertragsfreiheit", das heißt der Kriegsunternehmer konnte den Auftraggeber wechseln. Gerade qualifizierte Obristen waren gesucht und wurden mit entsprechenden Angeboten abgeworben. Ein Beispiel ist E.W. von Knyphausen: "Early in the 1630's , while in the service of the town of Hamburg, the former [Knyphausen; CE] received swedish and saxon offers on the basis of which he concluded a very favorable lifetime contract with Hamburg".24)

Während die Kosten für die Aufstellung und Unterhaltung eines Regiments relativ leicht kalkulierbar waren, lagen die Chancen für die Kriegsunternehmer auf der Einnahmenseite:25)

- Zahlung von Sold (als Größenordnung erhält ein Regimentsobrist bei Wallenstein mehr als das 200-fache eines Infanteriesoldaten).26) Die hohen (vereinbarten, aber unregelmäßigen) Soldzahlungen enthielten neben einer Zins-/Tilgungskomponente für die Vorfinanzierungen eine entsprechende Risikokomponente;

- Gewinn aus dem Vertrag (unter anderem durch Bezahlung nach Soll- und nicht nach Ist-Stärke des Regiments);

- Gewinn aus der eigenen Produktion beziehungsweise dem Handel mit Ausrüstung und Nahrungsmitteln;

- irreguläre Quellen wie unerlaubte Plünderung, Einbehalten von Sold et cetera

Die Risiken des Kriegsunternehmers sind: 27)

- Tod auf dem Schlachtfeld beziehungsweise durch Krankheit, wobei das Risiko für hohe Offiziere (Median der Überlebenszeit 18 Jahre nach dem Eintritt ins Militär) deutlich niedriger war als für Soldaten;

- verlorene Schlachten und damit starke Reduzierung der eigenen Truppen (also des eigenen Investments) in Verbindung mit Desertionen und Krankheiten;

- Bestrafung bei (vermeintlich) unzureichender Performance;

- Plünderung der eigenen Bagage nach einer verlorenen Schlacht. Hohe Offiziere führten wesentliche Teile ihres oft luxuriösen "Hausstandes" mit sich: kostbare Silberwaren, Juwelen oder Möbel und ein demonstrativer Luxuskonsum dienten auch dazu, die Fassade an Reichtum und Kreditwürdigkeit aufrechtzuerhalten;28)

- Gefangennahme und damit die Notwendigkeit, selbst Lösegeld zu zahlen. In einzelnen Fällen scheint es gelungen zu sein, dieses Risiko vertraglich auf den Auftraggeber abzuwälzen.29)

Die Situation der Soldaten

Traditionell war der Sold für die einfachen Soldaten in cash zu zahlen. Am Anfang gab es ein Handgeld ("signing bonus") kombiniert mit einer Zahlung (Laufgeld) für Reisekosten vom Ort der Werbung zum Musterungsplatz plus ein erstes Monatsgehalt. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Wettbewerbs um erfahrene Soldaten und einer abnehmenden Wahrscheinlichkeit regelmäßiger Soldzahlungen nimmt die Relevanz der Up-Front-Zahlungen im Dreißigjährigen Krieg zu.30) Aber auch eine Abfindung war üblich. So erhielten die Soldaten in der schwedischen Armee am Ende des Dreißigjährigen Krieges drei "Monatsgehälter".31)

Der einzelne Soldat hatte seine eigene Ausrüstung (Waffen, Kleidung) mitzubringen beziehungsweise vom Handgeld zu kaufen. Sollte es ihm an den finanziellen Möglichkeiten fehlen, so konnte die Ausrüstung vom Obristen oder Hauptmann vorfinanziert werden. 32) Vom Sold sollte der Soldat grundsätzlich zudem seine eigene Versorgung bestreiten beziehungsweise etwaige Versorgungsleistungen wurden vom Sold abgezogen.

Das größte Risiko eines Soldaten war nicht der Tod in der Schlacht oder Gefangennahme, sondern Krankheit. Der einfache Soldat hatte nach Musterung noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von rund 3,3 Jahren.33) Das Risiko (beziehungsweise die Folgen) einer Gefangennahme war relativ gering: gefangene Soldaten wurden oftmals der siegreichen Armee eingegliedert ("untergesteckt"34) ), was zum einen kostengünstig deren Ist-Stärke erhöhte und zum anderen die Rekrutierungsbasis des Feindes reduzierte.

Die Chancen für Soldaten lagen nur begrenzt auf der Komponente eines unregelmäßig gezahlten "Festgehaltes" (Sold). Wirtschaftlich relevant war der variable Teil, der aus Plünderung et cetera kommen musste. Zudem war für die Soldaten die Versorgung (Verpflegung, Quartier) ein wichtiges Kriterium, zu bleiben oder wegzulaufen.35) Eine Motivation für Soldaten könnte auch in dem Mangel an (Erwerbs-/Lebens-)Alternativen gelegen haben: "... it often seemed safer to be inside the army in wartime Germany ..."36) .

Waffen und Munition sowie das nur begrenzt haltbare Pulver musste der Kriegsunternehmer beschaffen. Die Beschaffung brauchte spezialisierte nationale (zum Beispiel Waffen aus Nürnberg) und internationale Lieferanten (zum Beispiel Salpeter für die Pulverherstellung).37) Damit war ein effizientes Einkaufssystem kombiniert mit einer leistungsfähigen Logistik erforderlich. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Viehfutter der im Vergleich zum 16. Jahrhundert großen Armeen konnte ebenfalls lokal nicht mehr sichergestellt werden.

Die "Vor-Ort-Logistik" einer Armee wurde durch den sogenannten Tross geleistet: Transportdienstleistungen, Verpflegung, Sanitätswesen, Beschaffung oder Reparatur von Kleidung et cetera Entscheidend waren die sogenannten Marketender,38) die von der Verpflegung über den Ankauf von Beutegut bis zur Vergabe von kleinen Krediten an Soldaten eine zentrale Position einnahmen: "Ein Heer ohne Marketender war ein Heer ohne Geld".39) Im Tross, der zahlenmäßig der eigentlichen Armee nicht nachstand,40) reisten auch die Familien der Soldaten mit und erbrachten eigene Leistungen beispielsweise im Sanitätswesen.

Die Chancen und Risiken im Tross sind hoch mit denen der Soldaten korreliert: ein Sieg war ökonomisch attraktiv, da sich Geschäftsopportunitäten boten (zum Beispiel Ankauf von Plünderungsgut oder eigenes Plündern), eine Niederlage potenziell fatal, da dann der Tross vom Sieger geplündert wurde.

Das PPP-Modell Wallensteins

Das PPP-Modell hat Wallenstein mit seinen weit überdurchschnittlichen Managementfähigkeiten,41) der sowohl Eigen- als auch Fremdkapital eingesetzt hat, (temporär) perfektioniert. Neben der Finanzierungsseite gilt dies für die Kombination von einer Armee mit der Versorgung aus eigener Produktion gestützt auf eine leistungsfähige Logistikkette.42)

Wirtschaftliche Basis hierfür war eigenes Vermögen, das nicht ererbt, sondern - sicherlich nicht nach modernen Compliance-Maßstäben - erwirtschaftet worden war. Reiches Heiraten war gleichwohl ein Anfang. Entscheidend war, dass Wallenstein auf der richtigen - der kaiserlichen - Seite stand und ein sehr gutes politisches Netzwerk hatte.43) Das Angebot von Wallenstein, dem Kaiser ein Heer von 24 000 Mann für den niedersächsisch-dänischen Krieg aufzustellen, wird von Ferdinand II. im Juni 1625 akzeptiert.44) Dies zeigt die Prioritäten Ferdinands II.: Wallenstein erhält den Auftrag als Unternehmer (mit entsprechenden finanziellen Möglichkeiten); seine militärische Qualifikation dagegen war eher durchschnittlich.45) Wallenstein agierte dabei als "General Contractor", der Unteraufträge an Kriegsunternehmer mit eigener Finanzierung vergibt.46)

Die Finanzierung der Armee kam von dem Prager Bank-/Handelshaus Hans de Witte.47) Kerngeschäft von de Witte war die europaweite Beschaffung und Lieferung von (Luxus-)Gütern unter anderem für Kaiser und Adelige. Nicht unüblich war in diesem Geschäft der Lieferantenkredit. Darüber hinaus hat de Witte auch ungebundene Kredite vergeben. Auch Wallenstein und dessen Hofhaltung48) wurden zum Teil von de Witte finanziert. Man kann folglich argumentieren, dass Teile der für das Heer eingesetzten Eigenmittel von Wallenstein wiederum kreditfinanziert waren.

Die mit der Kreditvergabe an den Kaiser und Wallenstein korrespondierende politische Protektion war nützlich im Falle von nicht zahlenden Kreditnehmern. Im Bedarfsfall hat der oberste Verwalter in Böhmen, Liechtenstein, eingegriffen und die Rückzahlung befohlen.49) Faktisch waren somit die (Lieferanten-)Kredite von de Witte "Super-Senior". Entsprechend war das Kredit-Standing von de Witte - als Bank/Handelshaus mit Refinanzierungsbedarf - im europäischen Finanzmarkt sehr gut.

Entscheidend für die laufende Unterhaltung des Wallenstein´schen Heeres war die Vorfinanzierung der Kontributionen die sogenannten Antizipationen - durch de Witte. Zur Refinanzierung von Lieferantenkrediten von de Witte wurden zukünftige Kontributionen durch de Witte vorfinanziert (antizipiert). Wallenstein als Person war dabei formal nicht Kreditnehmer, sondern "Servicer".50) Die Risikoträger aus Sicht de Witte´s waren die jeweiligen Länder, Städte oder Stände, die Kontribution zu leisten hatten. Zahlstelle war de Witte beziehungsweise ein von ihm designiertes Handels-/Bankhaus.51) Finanzierungstechnisch wurden oftmals Wechsel eingesetzt, wobei Zinsen oder Wechselgebühren upfront von den Antizipationen einbehalten wurden. Die Höhe der Zinsen/Wechselgebühren beliefen sich auf 8 bis 12 Prozent pro Jahr.52)

Kreditfinanzierung der Armee

Die Refinanzierung von de Witte basierte auf seinem sehr guten Kredit-Standing bei institutionellen Finanziers (internationale Handels-/Bankhäuser) und vermögenden Privaten, die Geld bei de Witte angelegt haben. Wenn de Witte Lieferungen an das Heer kreditierte, hat er selbst Lieferantenkredite (also Zahlungsziele) in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat de Witte sich durch Kredit (beziehungsweise Wechsel) refinanzieren lassen. De Witte - persönlich haftend - hat für seine Refinanzierung keine formalen Sicherheiten gestellt, seine Verbindlichkeiten waren pari passu.53)

Risikomindernde Faktoren der Kreditfinanzierung der Wallenstein'schen Armee waren:

- die grundsätzliche Unterstützung von de Witte durch den Kaiser und Wallenstein im Zusammenhang mit der faktischen Monopolstellung von de Witte (gegenüber Wallenstein) und von Wallenstein gegenüber dem Kaiser: Ohne de Witte kein Heer und ohne Heer, ein Kaiser ohne Heer;

- die (rechtlich nicht verbindlichen beziehungsweise durchsetzbaren) Zusagen ("Comfort Letters") vom Kaiser und Wallenstein, die Vorfinanzierungen zeitgerecht zurückzuzahlen beziehungsweise die entsprechenden Möglichkeiten zu schaffen;54)

- die Kontributionen, die gegen Reichsrecht verstießen,55) waren formal zwar nicht abgetreten, aber wirtschaftlich kam die Struktur einer Abtretung nahe: So wenden sich Vertreter Schlesiens, das mit den Kontributionen im Rückstand war, direkt an de Witte oder de Witte verweist seine Gläubiger aus dem Militär darauf, das Geld selbst einzutreiben;56)

- die Qualität des Servicers Wallenstein, der über uneingeschränkte militärische Gewalt in Kombination mit - dem damaligen Zeitgeist kompatiblen - geringen Hemmungen, diese auch einzusetzen, verfügte.

Unabhängig von diesen risikomindernden Faktoren basierte das Finanzierungsmodell auf Annahmen, die nur in den ersten Jahren zutrafen. Rückkopplungseffekte zwischen der Höhe der Kontributionen, den Transaktionskosten der Erhebung, hohen Zinsen und der sich "automatisch" verringernden ökonomischen Basis der kontributionspflichtigen Länder und Städte führten zu einem Zusammenbruch der Finanzierung.

Die Kontributionen in "Feindes- und Freundesland" waren gemessen an dem normalen Steueraufkommen außerordentlich hoch. Pommern beispielsweise verpflichtete sich 1627 zu einer monatlichen Zahlung von 40 000 Talern plus Versorgung für 22 000 Soldaten bei einem normalen jährlichen Steueraufkommen von 90 000 Talern.57) Obwohl ein signifikanter Teil der erhobenen Kontributionen lokal wieder nachfragewirksam wurde, sind derartige Volumina nicht nachhaltig zu erheben.

Kontributionen schwächen Wirtschaft

Die Eintreibung der Kontributionen hatte zudem erhebliche Transaktionskosten. Kontributionen müssen großräumig und permanent erhoben werden, um etwaige Ausweichreaktionen beziehungsweise Abwanderungen der Bevölkerung unattraktiv zu machen.58) Das starke Wachstum des Wallenstein´schen Heeres ist in diesem Zusammenhang zu sehen.59) Darüber hinaus war die Eintreibung von Kontributionen nicht frei von Unregelmäßigkeiten.60) Hinzu kam der Luxuskonsum der Offiziere, der auch aus dem jeweiligen Land aufgebracht werden musste.61)

Die Kombination aus Höhe und Erhebungsmethoden der Kontributionen reduzierte die lokale Wirtschaftskraft. Dass bei einer gewalttätigen Eintreibung der Kontributionen (und durch illegale Plünderungen) zwangsläufig Ressourcen vernichtet werden, hat die betroffene lokale Wirtschaft weiter geschwächt.

Ein solches Finanzierungsmodell braucht zwingend - analog zu einem Schnellballsystem - immer neue Wirtschaftsräume, unabhängig, ob diese vom Feind erobert wurden oder Verbündeten gehörten. Die Expansion Wallensteins endete aber 1628 mit der nicht gelungenen Belagerung Stralsunds. Zeitlich parallel weist de Witte Wallenstein auf - zu der Herbstmesse in Frankfurt - fällige Wechsel hin.62) Darüber hinaus erinnert de Witte sowohl den Kaiser als auch Wallenstein an den von ihnen persönlich noch ausstehenden Schuldendienst.63)

Das Finanzierungskonzept der Antizipationen hat somit bestenfalls drei Jahre funktioniert. Die Ineffizienz der Erhebung, die sich kumulierenden Zinsen und die sich verschlechternde Wirtschaftsbasis bei konstanter Fläche führte zu einer sinkenden Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der wirtschaftlichen Schuldner (Länder, Städte). So hatte selbst eine reiche Stadt wie Magdeburg Ende 1629 immer noch rückständige Kontributionen aus 1627 oder Schlesien und Mecklenburg hatten im April 1629 für das Jahr 1628 weniger als ein Drittel der veranschlagten Kontributionen gezahlt.64) Das Eintreiben mit militärischem Druck und Gewalt kam an eine natürliche Grenze: "Denn dort, wo es nur noch arme Bürger gab, konnte es auch keine reiche Stadt mehr geben".65)

Krise durch sinkenden Schuldendienst

Die wirtschaftliche Lage de Witte´s war die klassische Zwangslage einer Bank, die einem Schuldner einen so großen Kredit gegeben hat, dass ein Kreditausfall die Bank selbst ruinieren würde. Spätestens ab 1628 war de Witte (und Wallenstein) im Krisenmodus, der durch sinkenden Schuldendienst, zunehmende Wechselverbindlichkeiten und etwaige Wechselreiterei66) gekennzeichnet war.

Auf dem Regensburger Kurfürstentag im Sommer 1630 und nach dem Frieden mit Dänemark war die Reduzierung des Wallenstein´schen Heeres (und damit der Kontributionen) Priorität für die katholischen Kurfürsten.67) Der erste Schritt zur Kostensenkung war die Absetzung Wallensteins. Der Kreditpyramide fehlte damit der Servicer. Letzte Versuche von de Witte, Ferdinand II. zur Übernahme der Verbindlichkeiten zu verpflichten, 68) mussten fehlschlagen: weder waren die Kontributionen umfänglich eintreibbar noch hatte Ferdinand II. eine entsprechende Bonität. Nach dem Selbstmord von de Witte folgt ein rund 10-jähriges geordnetes Konkursverfahren.69) Das Verfahren zeigt, dass Finanzierungen für ihren Bestand politisch abgesichert sein müssen: die Forderungen der Gläubiger de Witte´s, die (jetzt) mit dem schwedischen Feind kooperierten, wurden nicht anerkannt.70)

Tendenz zur Ausweitung der Kriege

PPPs, bei denen Kriegsunternehmer auf Kosten-plus-Basis agieren, haben eine inhärente Tendenz, Krieg (a) räumlich auszuweiten und (b) zu verlängern. Das mit PPPs einhergehende Vertragsverhältnis reduziert einerseits die Optionen des eigentlichen Kriegsherrn als Auftraggeber im Hinblick auf Kriegsführung und Frieden schließen. Eine gewisse Analogie ist die Finanzierung von Projekten oder Unternehmen mit Fremdkapital: eine hohe Fremdfinanzierung korreliert mit "Mitsprache" der Gläubiger durch Covenants et cetera.

Aber der Auftraggeber hat andererseits Optionen, die als politisches Risiko eines damaligen PPPs anzusehen sind. Ultimativ ist dies die gewaltsame Beendigung eines PPPs. So war die Ermordung Wallensteins 1634 die Gelegenheit zur Annullierung seiner Forderungen gegenüber dem Kaiser und - nach Konfiskation seines Vermögens - einer großen Landumverteilung zur "Bezahlung" anderer Gläubiger.71)

Fußnoten

1) Parrott, 2012, S. 2.

2) Münkler, 2017, S. 635ff.

3) Vgl. Repgen, 2015, S. 456ff.; Hattenhauer, 2000.

4) Repgen, 2015, S. 456f.

5) Wilson, 2018, S. 229 - 250; S. 240.

6) Vgl. allgemein Winkelbauer, 2003, S. 449ff.

7) Krüger, 2003, S.8.

8) Leins, 2016; Roth, 1993.

9) Wilson, 2018, S. 234.

10) Vgl. Münkler, 2017, S. 184ff.

11) Vgl. Asch, 2018, S. 246; Asch, 1997, S. 151.

12) Vgl. Redlich, F., 1956.

13) Schmidt, 2018, S. 301.

14) Redlich, 1964, S. 358.

15) Krüger, 1996, S. 48ff.

16) Vgl. Hüther, 1987.

17) Vgl. Redlich, 1959, S. 254.; Carl, 2018, S. 44; Papke, 1979, S. 141.

18) Vgl. Münkler, 2017, S. 289.

19) Redlich, 1964, S. 210.

20) Ebd., S. 468.

21) Vgl. Redlich, 1964, S. 176ff. Gegenargument ist, dass die starke Abhängigkeit vom Auftraggeber dem "Eigentumscharakter" widerspricht (Höbelt, 2010, S. 135ff.).

22) Redlich, 1964, S. 175.

23) Ebd., S. 236.

24) Ebd., S. 182.

25) Ebd. S. 317ff.

26) Eigene Schätzung auf Basis Redlich 1964, S. 308 und S. 487.

27) Vgl. Redlich, 1964, S. 373ff.

28) Parrott, 2012, S. 244.

29) Bernhard von Weimars Vertrag 1635 mit der Französischen Krone hatte eine entsprechende Klausel (Asch, 1997, S. 161). Asch (1997, S. 162)weist darauf hin, dass derartige Freistellungen in den letzten Kriegsjahren üblich waren. Das finanzielle Risiko des Kriegsunternehmers wurde durch Vereinbarungen zur Höhe der Zahlung (abhängig vom Rang des gefangenen Offiziers) zwischen den verfeindeten Parteien reduziert. Zudem gingen Lösegelder jetzt oftmals an den Auftraggeber und nicht - als Gewinn - an den jeweiligen Offizier/Obrist, d.h. das geringere Risiko geht mit geringeren (Gewinn-)Chancen einher (Redlich, 1956, S. 31 ff.).

30) Redlich, 1964, S. 274.

31) Ebd., S. 492; Parrott, 2012, S. 249.

32) Vgl. Krüger, 1996, S. 48.

33) Gotthard, 2016, S. 175.

34) Kaiser, 1998, S. 62.

35) Ebd., S. 52.

36) Parker, 1988, S. 307.

37) Vgl. Zunckel, 1997.

38) Vgl. Redlich, 1954.

39) Burschel, 1994, S. 231.

40) Wilson, 2009, S. 49.

41) Vgl. Ernstberger, 1929.

42) Vgl. Carl, 2018, S. 37; Ernstberger, 1929.

43) Vgl. Diwald, 1984, S. 170.

44) Wilson, 2009, S. 485.

45) Papke (1979, S. 139)verweist darauf, dass Wallenstein militärisch gesehen weder genial noch originell war.

46) Redlich, 1964, S. 306.

47) Vgl. Ernstberger, 1954. Sehr kritisch zu de Witte ist Redlich, 1957.

48) Ernstberger, 1954, S. 405ff.

49) Ebd., S. 83.

50) Da die Kreditbücher de Wittes nicht mehr auffindbar sind (Ernstberger, 1954, S. 39), kann nur aus einzelnen Quellen (z.B. Briefen) auf Art, Umfang und Struktur der Finanzierungen geschlossen werden.

51) Vgl. Redlich, 1959, S. 252.

52) Ernstberger, 1954, S. 332.

53) Ernstberger (1954, S. 474)berichtet, dass es nach dem Konkurs von de Witte Proteste von Gläubigern gab, als ein Gläubiger bevorzugt Geld zurück erhielt.

54) Ebd., 1954, S. 360.

55) Vgl. Schmidt, 2018, S. 262; Wilson, 2009, S. 492.

56) Ernstberger, 1954, S. 390.

57) Wilson 2018, S. 237.

58) Ritter (1908) berichtet, dass in Halberstadt nach sechs Monaten mehr als ein Drittel der Haushalte "entflohen" waren (S. 304). Vgl. auch Demura, 2008.

59) Asch, 1997, S. 159.

60) Wilson, 2009, S. 496.

61) Zu dem außerordentlichen Hofstaat von Wallenstein vgl. Mann, 1971, S. 286ff.

62) Ernstberger, 1954, S. 362ff.

63) Ebd., S. 365.

64) Ebd., S. 378ff.

65) Ebd., S. 379.

66) Redlich, 1957, S. 190.

67) Münkler, 2017, S. 437.

68) Ernstberger, 1954, S. 409ff.

69) Ebd., S. 442ff.

70) Ebd., S. 484ff.

71) Burkhardt, 2018, S. 128, und Schmidt, 2018, S. 430.

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Prof. Dr. Christoph Enders FOM Hochschule für Ökonomie und Management, Bonn
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