Das Tech-Quartier in Frankfurt - Basis und Motor für Innovation

Dr. Michael Reckhard, Foto: WIBank_Gregor Schläger, Abbildung 4/Tech-Quartier

Auf den ersten Blick scheint die räumliche Nähe angesichts neuer Möglichkeiten der Digitalisierung weniger wichtig zu sein als früher. In einem frühen Stadium der Entwicklung und praktischen Erprobung neuer Ideen erweist sich der Austausch vor Ort aber als überaus nützlich. Die besondere Kreativität bei persönlichen Begegnungen von Menschen unterschiedlicher Disziplinen hält der Autor für einen zentralen Erfolgsfaktor des Frankfurter Tech-Quartiers. (Red.)

Menschen im 21. Jahrhundert begegnen sich in virtuellen Räumen, auf Plattformen und in digitalen Welten. Dass persönliche Begegnungen auch in der digitalen Ära elementar für ein modernes Wirtschaftsleben sind, zeigen Hubs wie das Tech-Quartier. Innovation lebt maßgeblich von Orten, an denen Menschen sich treffen und austauschen können, über die Grenzen von Disziplinen und Geschäftsmodellen hinweg. Aus der Vielzahl der Ideen und ihrer Verbindung entsteht in einem Hub etwas, das unerwartet, neu und letztlich innovativ ist.

Auf Initiative des hessischen Wirtschaftsministers Tarek Al-Wazir startete 2015 ein Dialog mit Start-ups, die erzählten, was sie brauchen, um erfolgreich zu sein. Daraufhin gründeten die Goethe-Universität Frankfurt, Technische Universität Darmstadt, Stadt Frankfurt und Wirtschaftsund Infrastrukturbank Hessen (WI-Bank) im Jahr 2016 das Tech-Quartier (TQ). Es ist Begegnungsort, Brutstätte und Beschleuniger zugleich und ganz der Innovation und Kooperation verschrieben. Die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen ist hier nicht nur Finanzierungspartner für Start-ups, sondern eröffnet aufgrund ihres breiten Netzwerks den Zugang zu diversen Kundengruppen, von der Industrie über Verbände bis zu kommunalen Akteuren.

Dieses Angebot der WI-Bank wird von vielen Start-ups in Anspruch genommen, denn die rasche Erschließung von Kundengruppen ist ein kritischer Erfolgsfaktor für Start-ups. Ein weiterer ist der Zugang zu Talenten. In der digitalen Ökonomie sind Coder für den Unternehmenserfolg essenziell und die sind eine rare Ressource.

Deshalb ist die Kooperation mit Hochschulen für das TQ und die dortige Community von großer Bedeutung. Ohne die Goethe-Universität und die TU Darmstadt als Gesellschafter und die Hochschulen, die Community-Member des TQ sind (Frankfurt University of Applied Sciences, Hochschule Darmstadt, Technische Hochschule Mittelhessen), wäre das TQ als Hub kaum denkbar.

Immer neue Konstellationen und Kombinationen von Zusammenarbeit

Im TQ treffen technisch orientierte Startups auf ein Ökosystem aus etablierten Unternehmen, anderen Gründern, Wissenschaftlern, öffentlichen Institutionen und staatlichen Akteuren. Das Erfolgsgeheimnis dieses Ökosystems liegt in der Kollaboration, die allen nutzt, woraus immer neue Konstellationen und Kombinationen von Zusammenarbeit entstehen - und daraus auch stetig wachsender Nutzen für die einzelnen Akteure und gleichzeitig das Ökosystem als Gesamtheit (siehe Abbildungen 1 bis 4).

Das Tech-Quartier ist eine Erfolgsgeschichte: Auf 3 200 Quadratmeter, über mehrere Etagen im Hochhaus Pollux verteilt, befinden sich moderne und flexible Arbeitsplätze für Gründer, Start-up-Teams und Unternehmen in der Wachstumsphase. Das Pollux liegt im Herzen Frankfurts, zwischen Messe und Europaviertel. Mit zahlreichen Events, maßgeschneiderten Services und Programmen für Talente, Start-ups und etablierte Unternehmen bietet das TQ das ideale Umfeld für die Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle von morgen.

Über 140 Start-ups zählt das dynamische Hub bereits zu seinen Mitgliedern - Tendenz steigend. Neben zahlreichen Neugründungen und ersten Erfolgsgeschichten finden mittlerweile auch mehr und mehr internationale Wachstumsunternehmen aus dem Ausland ihren Platz im Tech-Quartier. Sie bestätigen damit das erfolgsversprechende Konzept, hinter dem sich mehr als reines Co-Working verbirgt. Es gibt 7 Accelerator-Programme in Zusammenarbeit mit Partnern, wie zum Beispiel Landing Pad, EY Start-up Academy oder Papillon. Dafür wurden insgesamt 60 Start-ups aus dem Inland und dem europäischen Ausland ausgewählt. Mehr als 240 Events realisierte das Team allein im Jahr 2018. Neben regelmäßigen Veranstaltungen, sorgen andere Events, wie das Business Speed Dating oder der zwei bis drei Mal pro Jahr stattfindende Investors Day, gezielt für die Schaffung neuer Synergien und Businessoptionen.

Gemeinsame Suche nach Lösungen

Das TQ bildet den Nährboden, was indes nicht nur dem wirtschaftlichen Wohl der "Vernetzten" zuträglich ist, sondern auch dazu führt, dass das TQ bereits nach nur zwei Jahren auf dem besten Weg ist, erfolgreich dieses Ökosystem für Tech-Innovationen zu replizieren.

Was das TQ so besonders macht, ist das konstruktive Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure. In der digitalen Ökonomie erfolgreich zu sein ist ein Ziel, das alle vereint. Selbstverständlich bleibt der Wettbewerb untereinander bestehen, aber es lassen sich eben immer wieder Lösungen finden, die zu entwickeln für einen allein zu risikoreich, kostenintensiv oder umständlich gewesen wären. Das TQ selbst ist ein gutes Beispiel für diesen Ansatz. Es ist auch ein Start-up und nur aus der gemeinsamen Anstrengung vieler Beteiligter aus der Rhein-Main- Region heraus konnte die Erfolgsgeschichte des TQ geschrieben werden. Jetzt gilt es, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben und daran arbeiten die Gesellschafter, Sponsoren, Geschäftsführer und das Team des TQ gemeinsam mit dem Land Hessen.

Dafür nötig ist ein permanenter Neuanfang. Im Tech-Quartier ist jeder Tag der erste. Denn wenn eine Innovationsplattform wie das Tech-Quartier sich und seine Angebote nicht stetig neu erfindet und weiterentwickelt, wer dann?

Dr. Michael Reckhard Mitglied der Geschäftsleitung, Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank), Offenbach am Main
Dr. Michael Reckhard , Mitglied der Geschäftsleitung, Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank)

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