Der Wert aktiven Fondsmanagements - eine aktuelle Betrachtung

Dominik Kremer, Leiter, Vertrieb an institutionelle Kunden Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA), Columbia Threadneedle Investments, Frankfurt am Main

Dominik Kremer, Leiter, Vertrieb an institutionelle Kunden Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA), Columbia Threadneedle Investments, Frankfurt am Main - Die Debatte um den Wert aktiven Fondsmanagements dreht sich in erster Linie um mögliche Überrenditen für Investoren. Sich darauf zu beschränken, greift aus Sicht des Autors jedoch zu kurz. Denn darüber hinaus bescheinigt er dem aktiven Portfoliomanagement einen maßgeblichen Beitrag an einer effizienten Preisbildung am Kapitalmarkt. Seine Botschaft: Aktives Fondsmanagement gewährleistet eine zielgerichtete Allokation von Kapital und stimuliert damit Wettbewerb und Wirtschaftswachstum. Und schließlich unterstützt es gesellschaftliche Entwicklungen im Sinne der Investoren. (Red.)

"Willst du das Leben leicht haben? So bleibe immer bei der Herde." Was der Philosoph Friedrich Nietzsche bereits vor mehr als 100 Jahren konstatierte, gerät in der Investment-Welt offenbar zunehmend zum Leitmotiv: Anlagestrategien, die auf Uniformität statt auf individuelle Fähigkeiten setzen, sind auf dem Vormarsch. Das gilt vor allem für den Bereich der börsengehandelten Indexfonds - auch Exchange Traded Funds (ETFs) genannt - der seit einigen Jahren steigende Mittelzuflüsse verbucht. Solche Fonds, welche die Wertentwicklung von Marktindizes mehr oder minder eins zu eins abbilden, machen das Leben eines Investors auf den ersten Blick tatsächlich leichter. Denn sie bieten Zugang zur Wertentwicklung des breiten Marktes oder ganzer Marktsegmente abzüglich Kosten, ohne dass es dafür aufwendiger Marktanalysen oder eines aktiven Portfoliomanagements bedarf.

Beitrag zu einer funktionierenden Marktwirtschaft

Was bei Nietzsche wie eine Empfehlung klingt, ist jedoch nicht als Aufruf zur Bequemlichkeit zu verstehen. Im Gegenteil: Der Philosoph lehnte den "Instinkt der Mittelmäßigkeit", wie er es nannte, ab. Denn er war davon überzeugt, dass es des aktiven Engagements der besonders Talentierten bedürfe, um die Gesellschaft insgesamt voranzubringen. Auch in dieser Hinsicht lassen sich Parallelen zur heutigen Investment-Welt ziehen. Beispielsweise sorgt aktives Fondsmanagement dafür, dass der Kapitalmarkt effizient funktioniert. Denn aktive Portfoliomanager setzen gezielt auf die Einzelwerte, denen sie auf Basis umfassender Analysen besonderes Potenzial zutrauen. Im Gegensatz dazu meiden sie Papiere, die sie anhand ihrer Research-Ergebnisse skeptisch beurteilen. Das führt dazu, dass die Kurse der entsprechenden Wertpapiere steigen beziehungsweise fallen. Davon profitieren auch börsennotierte Indexfonds, die keine eigenen Marktanalysen betreiben. Denn in der Regel enthalten die Aktienindizes, die international als Marktmaßstäbe etabliert sind, die nach Marktkapitalisierung und Börsenumsatz größten Aktien. Und zu dieser im Vergleich zu anderen Werten herausgehobenen Position trägt nicht zuletzt die Nachfrage aktiver Investoren, die auf Analyseergebnissen beruht, bei. Im Anleihenbereich verhält es sich teilweise ähnlich. Insofern schafft aktives Fondsmanagement letztlich auch die Basis für die Renditen, die börsennotierte Indexfonds erzielen.

Gleichzeitig leisten aktive Portfoliomanager einen wesentlichen Beitrag zu einer funktionierenden Marktwirtschaft. Denn mit ihren Investitionen entscheiden sie darüber, welchen Unternehmen sie Kapital in welcher Höhe zur Verfügung stellen. Indem sie sich am Primärmarkt an Börsengängen und Kapitalerhöhungen beteiligen sowie am Sekundärmarkt Aktien handeln, prägen sie das Eigenkapital eines Unternehmens. Im Zuge von Anleihenemissionen liefern sie Fremdkapital und am Anleihen-Sekundärmarkt bestimmen sie wesentlich über die Zinssätze zur Refinanzierung mit. Der Wettbewerb um dieses Kapital spornt Unternehmen dazu an, ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln sowie Dienstleistungen und Produkte weiter zu verbessern. Insofern ist dieser Wettbewerb auch ein wesentlicher Beitrag dazu, das Wirtschaftswachstum zu befördern. Damit trägt aktives Portfoliomanagement zur Entfaltung der globalen Konjunktur bei.

Förderung gesellschaftlicher Trends

Passive Anlageinstrumente wie ETFs treffen im Gegensatz dazu keine aktiven Anlageentscheidungen. Das heißt, sie entscheiden nicht bewusst darüber, wie sie das Kapital ihrer Investoren allozieren und welche Unternehmen beziehungsweise welche Bereiche der Wirtschaft sie damit unterstützen. Dadurch ist die aktive Förderung von Wettbewerb und Wirtschaftswachstum in der beschriebenen Art und Weise nicht gegeben.

In Bezug auf weitergehende gesellschaftliche Entwicklungen ist aktives Portfoliomanagement ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Beispiele dafür sind das Streben nach klimaschonender oder gar -neutraler Produktion, nach Entfaltungsmöglichkeiten für Mitarbeiter unabhängig von deren Geschlecht oder sozialem Hintergrund sowie nach transparenten Regeln für gute Unternehmensführung, etwa wenn es um die Vorstandsvergütung geht. Aktive Portfoliomanager haben die Möglichkeit, die Interessen ihrer Investoren in dieser Hinsicht gegenüber den Unternehmen, in die sie investiert sind, deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das schließt nicht nur öffentlichkeitswirksame Auftritte auf Hauptversammlungen ein. Treffen mit dem Aufsichtsrat im kleinen Kreis oder Briefe an den Vorstand entfalten ebenfalls ihre Wirkung. Schließlich sind die Unternehmen an einem konstruktiven Dialog mit ihren Kapitalgebern interessiert, damit diese das Kapital nicht in andere Richtungen lenken. Passive Finanzinstrumente wie ETFs müssen in den Unternehmen aus dem jeweiligen Index, den sie abbilden, investiert bleiben. Daher können sie ihr Gewicht nicht in der Form in die Waagschale legen, wie es aktive Portfoliomanager tun.

Gesellschaftliche Trends wie die beschriebenen frühzeitig zu erkennen und ihre Portfolios entsprechend auszurichten zu können, ist ein wesentlicher Vorteil aktiver Fondsmanager gegenüber passiven Finanzinstrumenten. Denn daraus ergeben sich zahlreiche Chancen, um Überrenditen im Vergleich zum breiten Markt und damit Mehrwert für Investoren zu erwirtschaften - gerade in Zeiten rasanten gesellschaftlichen Wandels, wie er momentan statt findet. Statt solche spezifischen Aspekte angemessen und anhand konkreter Beispiele zu würdigen, wird die Diskussion über den Mehrwert aktiver Fondsmanager für Investoren in der Regel sehr allgemein geführt.

Langfristiger Mehrwert für Investoren

Mit den Studien, die dazu beinahe im Wochentakt erscheinen, lassen sich mittlerweile Bibliotheken füllen. Der Tenor lautet in der Regel: Nur wenige Fondsmanager schneiden besser ab als der breite Markt, sprich sind ihr Geld wert. Dabei fallen drei Dinge auf:

Erstens sind diese Studien mitunter dadurch verzerrt, dass sie auch vermeintlich aktiv gemanagte Fonds beinhalten, die keinen Mehrwert bringen. Diese sogenannten verkappten Indextracker sind in den vergangenen zwei Jahren vermehrt in den Fokus der Debatte um aktives Fondsmanagement gerückt. Analysen, welche diese Produkte ausklammern und sich dabei an der Kennzahl Active Share orientieren, kommen zu dem Ergebnis: Wirklich aktives Portfoliomanagement schafft verbreitet langfristigen Mehrwert für Investoren in Form höherer Renditen. Zweitens betrachten die Studien teilweise nur Zeiträume von einem bis fünf Jahren. Damit spiegeln sie nicht die Anlagehorizonte wider, die institutionelle Investoren in der Regel verfolgen und die nicht selten über zehn Jahre hinausreichen. Drittens gehen die meisten Studien zur Leistung aktiver Fondsmanager nicht darauf ein, woran sich in der Masse der Portfoliomanager vielversprechende Talente erkennen lassen. Dabei wäre das für Investoren eine wichtige, potenziell Mehrwert stiftende Information.

Mit Blick auf die ersten beiden Punkte sei auf die Untersuchung von Antti Petajisto verwiesen, die er 2013 an der NYU Stern School of Business durchgeführt hat. Für seine Auswertung hat Petajisto die Renditen aller Aktienfonds auf dem US-Markt zwischen Januar 1990 und Dezember 2009 analysiert, ausgenommen Indexfonds, Branchenfonds und Fonds mit verwalteten Vermögen unterhalb von zehn Millionen Dollar. Im betrachteten Zeitraum verzeichneten die 20 Prozent Fonds mit den höchsten Active Shares im Durchschnitt Renditen, die annualisiert nach Gebühren und Transaktionskosten 1,26 Prozentpunkte oberhalb ihres jeweiligen Vergleichsindex lagen. Vor diesen Kosten schlugen sie ihre Benchmark sogar um 2,61 Prozentpunkte. Fonds, die stets nah am Index blieben, schnitten vor Kosten nur wenig besser als der jeweilige Index ab. Die Überrenditen waren so gering, dass sie von den Gebühren und Transaktionskosten quasi aufgezehrt wurden. Das heißt: Nach Abzug der Kosten verbuchten Investoren Verluste.

Was den dritten Punkt angeht, sind quantitative Kennzahlen wie Tracking Error und Information Ratio seit Jahren etabliert. Als weitere Größe, die zu einer umfassenden quantitativen Betrachtung beiträgt, hat der Active Share in den vergangenen Jahren an Gewicht gewonnen. Darüber hinaus gibt es qualitative Faktoren, die einen Blick wert sind. Für folgende Größen ist empirisch untermauert, dass sie die Wertentwicklung begünstigen. Das sind:

- bewährter und wiederholbarer Anlageprozess,

- Eingehen von Positionen mit hohem Überzeugungsgrad, antizyklisches, eigenständiges Denken und hohe Portfoliokonzentration,

- Mentalität nach dem Motto "investieren, um zu gewinnen", die sich in der Regel in hohem Active Share und Tracking Error widerspiegelt,

- Festhalten an einem Anlagestil, mit dem bereits Erfolge nachgewiesen wurden, oder Verwendung eines bewährten Stock-Picking-Ansatzes, bei dem sich bestimmte Stilmerkmale erfolgreich herauskristallisiert haben, die mit den gewünschten Anlageergebnissen im Einklang stehen,

- langfristiger Anlageansatz, Verkaufsdisziplin, Reinvestitionen in neue, vielversprechende Titel anstatt Vergrößerung bestehender Positionen, und ein wohlüberlegter Ansatz in Bezug auf den Portfolioumschlag angesichts möglicher negativer Effekte hoher Transaktions kosten,

- Berücksichtigung von Umweltaspekten, sozialen und Governance-Aspekten (ESG), die eine gute Corporate Governance sowie nachhaltige und verantwortungsvolle Geschäfts- und Managementpraktiken fördern,

- Vergütungsstrukturen, die zur Interessengleichheit des Fondsmanagers und seines Teams mit denen der Investoren beitragen.

Identifizierung leistungsfähiger Fondsmanager

Hinzu kommt die Fähigkeit des Fondsmanagers: (1) makro- und mikroökonomische Einschätzungen in den Entscheidungsprozess zu integrieren; (2) klar zu kommunizieren, wie Anlageideen innerhalb des Portfolios umgesetzt werden; (3) offen und konstruktiv über Portfoliopositionen zu diskutieren; (4) Verhaltensmuster zu erkennen und zu kontrollieren; (5) die Kapazitätsbeschränkungen seiner Strategien zu erkennen; (6) Mehrwert in steigenden und fallenden Märkten zu generieren; (7) Risikomanagement ins Zentrum des Entscheidungsprozesses zu stellen.

Die Identifizierung leistungsfähiger Fondsmanager anhand der genannten Kriterien ist aufwendig. Dennoch sollte sich die Beurteilung auf Basis dieser wesentlichen Renditetreiber langfristig auszahlen. Daher sollten Investoren sie bei der Produktauswahl berücksichtigen. Zudem ist es für eine umfassende Kosten-Nutzen-Betrachtung aktiv gemanagter Fonds im Vergleich zu passiven Finanzinstrumenten unerlässlich, neben dem Rendite- und Gebührenaspekt auch den Nutzen aktiver Portfoliomanager für den Finanzmarkt, die Wirtschaft und breitere gesellschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen.

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