Schwerpunkt

Die Active-Share-Kennzahl als Maßstab für aktives Portfoliomanagement

Dem amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson wird das geflügelte Wort zugeschrieben "Geld kostet zu viel". Gerade auf institutionelle Anleger trifft diese Wahrheit zu: In der Spannung zwischen überdurchschnittlicher Wertentwicklung für ihre langfristig ausgelegten Anlagen und überschaubaren Gebühren für die zuständigen Fondsmanager greifen immer mehr auf Indexinvestments zurück, die heute bereits über 20 Prozent des weltweiten Fondsgeschäfts ausmachen.

Laut Analysen des unabhängigen englischen Onlinemediums Citywire haben im Jahr 2009 nur 154 von 567 Fondsmanager europäischer Aktien mit ihrem Produkt den Vergleichsindex geschlagen; erschreckende 73 Prozent haben entweder benchmarkähnliche Ergebnisse erzielt oder lagen darunter. Auf einen 3-Jahres-Zeitraum fällt dieses Ergebnis um vier Prozent auf 69 Prozent, die Zahlen sind aber immer noch katastrophal.

Statistiken des deutschen Branchenverbands BVI besagen Ähnliches. Diese Zahlen bestätigen wiederum die langfristig erarbeiteten Ergebnisse, zu denen das Expertenteam rund um die Entwicklung der Active-Share-Kennzahl gekommen ist. Wie aber kann ein institutioneller Investor die Spreu vom Weizen trennen und Renditekiller von Renditeträgern unterscheiden? Sind Indexanlagen zukünftig die einzige Lösung?

Herausforderungen für institutionelle Investoren

In den letzten 25 Jahren ist die Anzahl der Fondsmanager, die als "Closet Indexer" gelten, rasant gestiegen. Das sind die Manager, die sich bei der Auswahl ihrer Titel überwiegend an den vorgegebenen Index halten und nicht wirklich aktiv investieren. Rund 45 Prozent aller vermeintlich aktiven Fondsmanager gelten heute als solche versteckte Indexer. Versteckte Indexer erzielen eine ähnliche Rendite wie die zugrunde liegende Benchmark - bei jedoch wesentlich höheren Kosten. Die unterdurchschnittliche Entwicklung ihrer Portfolios entspricht in etwa der Höhe ihrer Kosten.

Closet Indexer verzeichnen zudem oft einen überdurchschnittlich hohen Umschlag im Portfolio. Hierdurch steigen nicht nur die Transaktionskosten für Investoren, sondern auch der Eindruck, dass der Fondsmanager weder mit seinem Fondsuniversum vertraut ist noch seinen eigenen Anlagen traut. Aktive Manager weisen etwa einen durchschnittlichen Umschlag von 64 Prozent auf, während Closet Indexer auf über 90 Prozent kommen.

Dazu kommen veränderte Marktbedingungen: Risikofreie Investitionen erwirtschaften nur noch extrem geringe Renditen, die die Verpflichtungen institutioneller Investoren langfristig nicht mehr decken. Sogar die Rendite deutscher Staatsanleihen liegt auf einem historischen Tief. In einem Umfeld zunehmender politischer Risiken, mit denen wirtschaftliche Risiken eng verbunden sind, werden ursprünglich exotische Zahlungsausfälle, wie einst im Jahr 2001 in Argentinien, auch in Europa zur grimmen Gewissheit. Institutionelle stecken somit in einer Klemme, denn renditeträchtige Chancen lassen sich nur noch in riskanteren Anlageklassen verwirklichen: Die Titelauswahl, Sektor-Positionierung und Länderallokation werden immer wichtiger, an Asien kommt mittelfristig kein institutionelles Portfolio mehr vorbei. Die gezielte Auswahl des richtigen Fondsmanagers, der aktiv und versiert investiert, ist entscheidend für den Erfolg und somit die Performance eines Portfolios.

Active Share als Entscheidungshilfe für Anleger

Der Active Share (AS) eines Portfolios wird definiert als

Formel

Wie man sich leicht überlegen kann, misst der Active Share die relative Größe eines Portfolios mit einem Nettowert von Null, das in Kombination mit dem Indexportfolio wiederum das zu betrachtende Portfolio mit dem n Anteilen wpf i ergibt. Diese Größe muss sich zwischen Null (für den Fall, dass das Portfolio mit dem Indexportfolio identisch ist) und Eins (für den Fall, dass keinerlei Übereinstimmung zwischen den Benchmarkwerten und den Portfoliowerten besteht) bewegen.

Die Active-Share-Kennzahl hat sich dabei neben dem traditionellen Kriterium Tracking Error in den vergangenen Jahren als Messlatte für aktives Management etabliert. Investoren können mit Hilfe der Kennzahl auswerten, ob ihr Fondsmanager aktiv investiert und somit zum Mehrwert des Portfolios beiträgt. Der Tracking Error misst die Volatilität der Differenz zwischen den Renditen des Portfolios und der Benchmark.

Gemeinsamer Einsatz mit dem Tracking Error

Active Share ergänzt die bereits bestehenden Fondskennzahlen, denn der Tracking Error bildet das Abweichungsrisiko eines Portfolios nur unzureichend ab. Die Active-Share-Kennzahl stellt somit eine Weiterentwicklung dar: Anstatt lediglich die Standardabweichung in den Renditeunterschieden zu berücksichtigen, untersucht Active Share, wie sich die Positionen eines Fonds von denjenigen seiner Benchmark unterscheiden. Ein Active Share von Null entspricht hierbei einem Portfolio, das komplett den in der Benchmark repräsentierten Aktien entspricht. Im Gegensatz dazu kennzeichnet der Wert 100 ein Portfolio, das sich gänzlich aus Titeln zusammensetzt, die nicht in der Benchmark geführt werden.

Durch den gemeinsamen Einsatz von Tracking Error und Active Share lassen sich Fondsmanager in fünf unterschiedlichen Klassen einteilen: (1) diversifiziert, (2) konzentriert, (3) faktorbasiert, (4) mäßig aktiv und (5) Closet Indexer. Natürlich ist die Quantifizierung von Talent nur schwer möglich - auch ein sehr aktiver Manager ist eventuell nur ein mäßig talentierter Stockpicker.

Ein Fondsmanager, der gut diversifiziert und als Stockpicker gilt, kann zum Beispiel einen niedrigeren Tracking Error aufweisen als ein faktorbasierter Manager, der bestimmte Kriterien einer Branche oder eines Sektors berücksichtigt und somit besser abschneiden würde. Der Tracking Error würde hierbei suggerieren, dass der Erstere wesentlich weniger aktiv agiert als der zweite. Mit Einsatz der Active-Share-Kennzahl lässt sich somit ein aussagekräftigeres Bild über ein aktiv geführtes Portfolio gewinnen, denn Active Share gewichtet sämtliche Wetten ungeachtet der Diversifikation gleich.

Zu diesen Ergebnissen kommt auch eine umfangreiche Analyse aller US-Aktienfonds, die über einen Zeitraum von 19 Jahren (1990 bis 2009) rund 2 740 Fonds untersucht hat. Dabei wurden alle US-Aktienfonds, die in den USA domiziliert sind, untersucht. Im Durchschnitt haben Closet Indexer, die einen Active Share von unter 60 Prozent besaßen, über diesen Zeitraum pro Jahr rund 0,9 Prozent unterperformt. Im Gegensatz dazu konnten die laut Active Share aktivsten Fondsmanager, die eine Kennzahl von über 90 Prozent aufwiesen, jährlich eine Outperformance von 1,2 Prozent aufweisen. Bei Fonds, die über einen besseren Track Record verfügten und deren Volumen nicht zu groß war, war die überdurchschnittliche Wertentwicklung noch höher.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch die internationalen Analysen, bei denen rund 10 145 in Europa registrierte globale, regionale, Länder- und Sektorenfonds aus 30 Ländern, in Europa registriert, untersucht wurden. Insgesamt verfügten diese Fonds über ein Gesamtvolumen von 7,9 Billionen US-Dollar. Closet Indexer unterperformten um rund ein Prozent pro Jahr, wohingegen Portfolios, deren Manager einen hohen Active Share vorwiesen, eine Outperformance von einem Prozent generierten.

Anforderungen an aktive Manager

Grundsätzlich kann also festgestellt werden, dass ein geringfügiges Maß an aktivem Management dem Investor weniger bringt als es kostet. In einem relativ effizienten Marktumfeld können nur Manager mit einem sehr sicheren Urteil und einem hohen Maß an Selektivität bestehen und somit ihren Investoren eine beständige Outperformance darstellen. Dies ist nicht nur intuitiv einleuchtend, sondern wird durch die empirischen Ergebnisse auch eindrucksvoll bestätigt.

Für aktive Fondsmanager ergeben sich durch die Closet Indexer weitere Chancen, denn durch überwiegend Benchmark-nahe Investitionen werden Marktineffizienzen geschaffen, die aktive Fondsmanager wiederum positiv für ihre Portfolios nutzen können. Um Aktien mit überdurchschnittlichen Wertentwicklungschancen zu finden, müssen Portfoliomanager gut recherchieren, denn in effizienten Märkten entscheiden Informationsvorsprünge über den Anlageerfolg. Nicht alle Unternehmen der Branche verfügen allerdings über ausreichende Analyseressourcen, und auch auf die Organisation des Research und seine Integration in das Portfoliomanagement kommt es an.

Es zahlt sich von daher langfristig für Investoren aus, wenn sie darauf achten, dass ihr Portfoliomanager ernsthaft internes Research betreibt und Maßnahmen ergreift, die Informationsblockaden verhindern. Natürlich dürfen Anbieter ihre Research-Ergebnisse nicht vorschnell veröffentlichen, denn Exklusivität ist der Schlüssel zum Erfolg - zumindest solange, bis die entsprechenden Portfoliotransaktionen durchgeführt worden sind. Auch Erfahrung ist wichtig. Im Zweifel leistet ein eingespieltes Team aus erfahrenen Portfoliomanagern oder Analysten mehr als eine kurzfristig zusammengewürfelte Schar junger Analysten.

Und auch auf die Organisation und die Prozesse kommt es an. Wer sein Research global einheitlich aufstellt, hat bessere Karten als Anbieter, deren regionale Analysten nach unterschiedlichen Methoden arbeiten. Aberdeen gehört zu den Vermögensverwaltern, die deswegen einen global einheitlichen Anlageprozess verfolgen und die regionalen Teams alle nach demselben Modell arbeiten lassen. Natürlich ist gutes Research auch eine Kostenfrage. Viel eigenes Research kostet, und am Markt sind höhere Managementgebühren nur begrenzt durchsetzbar. In der Praxis wachsen allerdings Häuser mit funktionierendem Research schneller als die Konkurrenten, sodass sie sich die nötigen Ressourcen auch leisten können.

Anmerkungen:

Die Basisstudie von Prof. Cremers zur Einführung des Active Share Ansatzes findet sich unter http:// papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_ id=891719.

Die neueste Veröffentlichung zu Active Share unter globalem Blickwinkel ist zu finden unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_ id=1830207.

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