Commerzbank

Blessings schweres Erbe

Martin Blessing verabschiedete sich in diesem Frühjahr mit einem Milliardengewinn von der Commerzbank. Das haben ihm viele gegönnt. Fleißig, tapfer und sympathisch hat er die Achterbahnfahrt der gelben Frankfurter Großbank viele Jahre lang erduldet, ohne zu klagen. Grund genug dafür wäre zweifellos vorhanden gewesen. Und man hat dem akribischen Unternehmenslenker auch abgenommen, dass er nicht etwa die Flucht ergreift, sondern nach erfolgreicher Arbeit ein gut bestelltes Haus an den Nachfolger übergibt, um entweder etwas kürzer zu treten oder sich einer neuen Herausforderung zu stellen. Diese hat er mittlerweile bei der Schweizer UBS gefunden. Blessing damals zu seiner letzten Commerzbank-Bilanz: "Das Jahr 2015 hat gezeigt, dass unsere Strategie richtig ist und die Umsetzung erfolgreich verläuft. Wir haben erstmals seit fünf Jahren wieder ein Konzernergebnis von über 1 Milliarde Euro erzielt und unsere Kapitalbasis weiter deutlich gestärkt." "Ich bin daher zufrieden, dass die Bank heute stabiler und stressresistenter aufgestellt ist, als vor der Finanzkrise." "Der Abschluss 2015 ist irgendwo zwischen konservativ und fair. Ich habe nie Probleme in die Zukunft verlagert."

Zum Ausblick auf das Jahr 2016 ergänzte Finanzvorstand Stephan Engels: "Die makroökonomischen und geopolitischen Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Gegenwind haben wir auch mit Blick auf das negative Zinsumfeld zu erwarten. Zudem können steigende regulatorische Anforderungen weitere Investitionen nach sich ziehen. [...] Davon unbenommen werden wir den Wachstumskurs der Bank fortsetzen und unsere Strategie konsequent umsetzen. Wir wollen weiter im Markt angreifen, um mit neuen Kunden und mehr verwaltetem Vermögen unseren Marktanteil auszubauen. [...] Wir rechnen insgesamt damit, dass der Konzernüberschuss leicht über dem Vorjahresniveau liegen wird."

All das war am 12. Februar 2016. Nicht einmal ein halbes Jahr später sieht die Welt ganz anders und überhaupt nicht mehr so rosig wie zu Blessings Abschied aus. Operatives Ergebnis im ersten Halbjahr minus 40 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 615 Millionen Euro, Erträge minus 700 Millionen auf 4,5 Milliarden Euro, Konzernergebnis 372 Millionen Euro nach 645 Millionen Euro, Aufwandsquote im operativen Geschäft 79,1 Prozent nach 70,8 Prozent und Return on Equity 2,6 Prozent nach 4,7 Prozent. Und all das bei historisch niedriger Risikovorsorge im ersten Halbjahr. Die Jahresziele wurden vom Team um den neuen Vorstandsvorsitzenden denn auch gleich kassiert - von einem Milliardengewinn spricht plötzlich niemand mehr - und die Aktie donnerte auf ein Allzeittief.

Da fragt man sich dann schon, was von der nachhaltigen Geschäftsstrategie, der vorausschauenden Konzernsteuerung und der guten Marktposition der Commerzbank übrig geblieben ist. Oder war man im Überschwang der Dankbarkeit für Martin Blessing vielleicht doch einfach zu euphorisch, obwohl man die Belastungen aus den Negativzinsen und den regulatorischen Anforderungen im Februar doch eigentlich schon ebenso klar absehen und auch einschätzen konnte wie die anhaltende Verunsicherung der Kunden ob politischer und wirtschaftlicher Instabilitäten. Egal wie: Dieses Halbjahresergebnis nach einem solchen Abschluss für 2015 macht es für Martin Zielke keineswegs einfacher, wo man doch eigentlich gerade das Gefühl haben durfte, die Commerzbank sei aus dem schweren Fahrwasser heraus und andere hätten nun den Schwarzen Peter der Kreditwirtschaft übernommen. Da hilft es auch nicht, dass alle ehedem deutschen Großbanken schon lange kein Quell ungetrübter Freude mehr sind. Und dieses Halbjahresergebnis mildert auch den Glanz, der über Martin Blessings Wirken strahlte, ein wenig, auch wenn ihn das vermutlich nicht mehr kümmern wird. Der Zeitpunkt seines Abschieds war von ihm definitiv richtig gewählt. Nur über die Qualität seiner Hinterlassenschaft müssen nun doch noch die kommenden Monate entscheiden.

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