Gespräch des Tages

Commerzbank - Ohne Verlust!

Bankbilanzen können selbst Experten nur noch unter Zuhilfenahme des mehrere hundert Seiten starken Anhangs etwas Nennenswertes entlocken, verstehen können ihn aber auch die Spezialisten kaum noch. Von daher liegt die Commerzbank voll im Trend. Denn der Commerzbank-Jahresabschluss mutet für alle nicht ausgewiesenen Bilanzfachleute etwas seltsam an und ist für die meisten normalen Bürger schwer zu verdauen. Es ist auch nur schwer zu verstehen, warum da nach internationaler Rechnungslegung IFRS ein dicker Gewinn (1,4 Milliarden Euro), nach deutschem HGB jedoch ein satter Verlust (1,2 Milliarden Euro) ausgewiesen wird. Man versteht noch, dass stille Einlagen als Eigenkapital ähnlich wie Dividenden bei deutschen Aktiengesellschaften aus dem HGB-Ergebnis der AG bedient werden. Man versteht auch noch, dass die Abschreibungen auf den Buchwert von Beteiligungen das HGB-Ergebnis belasten, nicht den an Mark-to-Market-orientierten Konzernabschluss. Doch ob beispielsweise auf eine Eurohypo wirklich noch einmal 1,9 Milliarden Euro abgeschrieben werden mussten, weiß man nicht. Schließlich wurden 2009 bereits 860 Millionen Euro abgeschrieben und 2008 noch einmal 1,1 Milliarden. Der gesamte Kaufpreis der Eurohypo betrug 4,6 Milliarden Euro, auch wenn natürlich inzwischen unschöne Dinge wie die Hypothekenbank in Essen dazugekommen sind. Fragezeichen bleiben.

Martin Blessing war sich der Verwirrungen über diese Zahlenspiele aber durchaus bewusst und kündigte offensiv an, sein Ziel sei es, dass der Staat "ohne Verlust" aus seiner Beteiligung an der Commerzbank gehe. Das klingt klar und einfach. Allerdings sind auch für die Einschätzung dieser Aussage schon wieder Rechenkünste notwendig. 16,4 Milliarden betrug die stille Einlage des Bundes vom Start weg, liegt aktuell bei noch 16,2 Milliarden Euro, da im Zuge der Umwandlung von hybriden Kapitalbestandteilen in echtes Eigenkapital der SoFFin mitzog und stille Einlagen in hartes Aktienkapital wandelte, um seinen Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie nicht zu verwässern. "Ohne Verlust" heißt zunächst natürlich die volle Rückzahlung des geliehenen Betrags. Hinzu kommen die dem Gläubiger entstandenen Refinanzierungskosten von derzeit rund 2,5 Prozent. Das macht auf 16,4 Milliarden Euro gerechnet 410 Millionen Euro per annum für 2009 und 2010. Für 2011 fortfolgende wird dieser Betrag sinken, da der Commerzbank-Chef schon für das laufende Jahr die Rückzahlung eines signifikanten Betrags angekündigt hat. Das sind für ihn alles über "10 Prozent". Dabei unterscheidet er noch zwischen Rückzahlung und Reduzierung. Die durch eine Kapitalerhöhung notwendig werdende Umwandlung von stillen Einlagen in Aktien wertet Blessing lediglich als Reduzierung.

Bleibt die Diskussion um die Zinszahlungen. Für 2009 und 2010 gab es nichts für den Bund. Diese entfallenen Zinsen darf die Commerzbank laut Vertrag mit dem SoFFin nicht nachzahlen und sie ist gut beraten, dies auch nicht freiwillig zu tun. Ohne Rechtsgrundlage rund 3 Milliarden Euro an einen einzigen Anteilseigner auszuschütten - da wären Klagen anderer Aktionäre die unmittelbare Folge. Bleibt also 2011 und eventuell noch 2012, sollte hier nicht voll zurückgezahlt werden, wie es aber das Ziel ist. Folgt man dem Commerzbank-Chef in seiner Argumentation, kommen so rund 19 Milliarden Euro an Belastungen auf die Commerzbank zu, statt 22 Milliarden Euro, wie es bei voller Zinszahlung gewesen wäre. Geht man davon aus, dass der Bund weitere stille Einlagen in hartes Eigenkapital wandeln wird, reduziert sich dieser Betrag weiter. Da muss der Commerzbank-Kurs in den kommenden Jahren kräftig steigen, dass das dann immer noch "ohne Verlust" gehen wird.

Ohne Verlust ging auch Konzernlenker Martin Blessing aus der Bilanzpressekonferenz. Denn wer erwartet hatte, ihn schwächeln zu sehen, irrte. Von der vielzitierten Amtsmüdigkeit war nichts zu spüren. Lediglich beim Vorlesen des von der Presseabteilung verfassten Redetextes wirkte Blessing noch lustlos, in der anschließenden, wichtigeren, Frage-Antwort-Runde dann jedoch putzmunter und überzeugend. Unabhängig von den Altlasten beginnen die Aufräumarbeiten ja schließlich auch zu wirken. Fast alle Bereiche machen gute Gewinne mit Ausnahme des Privatkundengeschäfts. Knapp 50 Millionen Euro Gewinn sind im Vergleich zur in dieser Sparte ungleich größeren Deutschen Bank erschreckend wenig - der Branchenprimus erzielte im gleichen Zeitraum 890 Millionen Euro. Auch wenn die Deutsche Bank nicht der Maßstab für die Commerzbank sein sollte, signalisiert das den Handlungsbedarf. Der Weg hin zu alter Stärke und Souveränität ist lang, aber man glaubt Martin Blessing wieder, dass er ihn schaffen wird.

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