Leitartikel

Nur noch ein Spielball

Dem spanischen Banco Santander wurde ein 17-Prozent-Paket an der Commerzbank angeboten. Das gleicht jenem Paket, das der Bund über den Rettungsfonds SoFFin noch an Deutschlands zweitgrößter Bank hält. Kommt nun also wieder Bewegung in den Poker um Deutschlands zweitgrößte Bank? Verabschiedet sich der Bund mit saftigen Verlusten aus seinem wenig schmeichelhaften Engagement in der Bankenszene? Nein, weit gefehlt. Dieses Angebot an die Spanier stammt aus dem Jahr 2000. Damals dachte ein anderer unglücklicher Großaktionär laut und öffentlich über einen Ausstieg aus der Commerzbank nach, nachdem das Investment in keinster Weise seinen Anforderungen gerecht wurde. Damals die Cobra, heute der Bund. So ähneln sich die Bilder.

So richtig glücklich ist seit Langem keiner der Aktionäre mit seiner Commerzbank geworden. Kursverluste von über 96 Prozent seit Anfang dieses Jahrtausends, gut 95 Prozent davon allein in der Amtszeit des amtierenden Vorstandschefs Martin Blessing - das schmerzt! Auch wenn die Kursexplosion der vergangenen Wochen, so wenig sie nachvollziehbar und begründbar ist, dem ein oder anderen Zocker eine goldene Nase gebracht hat. Doch kann das der Anspruch einer Commerzbank sein, ein Pennystock und ein Zockerpapier?

Die Commerzbank ist mittlerweile weit entfernt. Weit entfernt von den eigenen Ansprüchen, weit entfernt von den eigenen Versprechungen, weit entfernt von den politischen Erwartungen an eine zweite starke deutsche Bank neben der Deutschen Bank, weit entfernt von den Wünschen und Anforderungen der Eigentümer, der Kunden und der Mitarbeiter und ganz weit entfernt vom Ruhm und Glanz vergangener Tage der beiden Vorgängerbanken. Jüngste Enttäuschung: Auch zum Halbjahr 2013 tritt das Institut auf der Stelle. Unter dem Strich steht im Konzern ein Verlust von 51 Millionen Euro zu Buche. Das operative Ergebnis hat sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 547 Millionen Euro nahezu halbiert, und selbst in der Kernbank, wo sich in 2013 endlich Verbesserungen zeigen sollten, sank das operative Ergebnis von 1,4 Milliarden Euro auf nur noch eine Milliarde Euro.

Natürlich liefert die Commerzbank die Erklärungen für all diese Entwicklungen gleich mit. Das niedrige Zinsumfeld belaste, es seien höhere Risikovorsorgen angefallen und der Abbau des nicht mehr gewollten Portfolios in der sogenannten NCA koste viel Geld. Natürlich kostet das Geld, denn kein Käufer wird bereit sein, mehr als unbedingt notwendig zu bezahlen, wenn der Verkäufer dermaßen unter Druck steht und sich auch selbst unter diesen Druck setzt. Und wenn man bedenkt, dass fast ein Viertel der aktuellen Bilanzsumme zum Abbau vorgesehen ist, kann einem Angst und Bange werden. Denn der Zwang, ordentliche Eigenkapitalquoten vorzeigen zu können, drückt auch auf die Erträge, heute wie in der Zukunft. Kein typisches Commerzbank-Problem sind dagegen niedrige Zinsen und etwas schwächere konjunkturelle Entwicklungen. Davon sind alle Banken betroffen, doch irgendwie hat man das Gefühl, denen macht es weniger aus.

Was der Commerzbank fehlt, ist ein klares und unverwechselbares Profil, ist strategische Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit sowie eine stabile Ertragsbasis. Außer der Mittelstandsbank reüssiert kein anderes Segment stetig. Besonders groß sind die Baustellen im Privatkundengeschäft. Mit einem Halbjahresergebnis von operativ 123 Millionen Euro werden hier magere zwölf Prozent des Gewinns vor Steuern der Deutsche-Bank-Einheit PCAM erzielt. Erträgen von 1,7 Milliarden Euro stehen 4,8 Milliarden Euro beim Branchenprimus gegenüber. Warum holt die Commerzbank seit Jahren aus ihren 15 Millionen Kunden so viel weniger Ertrag als der große Nachbar? Ein Punkt sind sicher die zahlreichen Umstrukturierungen und strategischen Kehrtwendungen der vergangenen Jahre, die die Mitarbeiter verunsichert und demotiviert haben - vor allem die ursprünglich starke Einheit der Dresdner Bank im Geschäft mit gehobenen und gewöhnlichen Privatkunden wurde verprellt. Fusionen lassen sich nicht auf dem Reißbrett vollziehen, sondern es bedarf stets auch der Menschen. Nun kommen sogar noch Entlassungen und Filialschließungen hinzu. Eine andere Schwachstelle ist die Strategie der attraktiven Konditionenpolitik, sprich des Begrüßungsgeldes, des Abschiedsgeldes und des kostenlosen Kontos. So lassen sich zwar viele Kunden gewinnen, was sich öffentlichkeitswirksam herausstellen lässt. Doch Kunden hat die Commerzbank eigentlich genug. Bleibt die Frage, ob sich mit einer solchen Abwerbestrategie auch Geld verdienen lässt? Offensichtlich zu wenig, erst recht nicht, wenn die Cross-Selling-Raten weit von auskömmlichen Größenordnungen entfernt sind und dies rechtfertigen könnten.

Wie lange die Commerzbank noch die "Bank an Ihrer Seite" sein wird, hat sie nur noch bedingt selbst in der Hand. Deutschlands zweitgrößte Bank ist eine Getriebene, ein Spielball von Politik, Märkten und Medien. Vorstand und Aufsichtsrat haben viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Zu häufig wurden Ankündigungen mir nichts, dir nichts kassiert und über den Haufen geworfen, zu schnell wurde das Schiff gedreht, zu wenig Gradlinigkeit war in Strategie und Ausrichtung zu erkennen. Und zu oft wollte man es "den Märkten" einfach recht machen. Die Posse um die Verkleinerung des Vorstands ist nur das jüngste von zahlreichen Ungeschicken. Nachdem wochenlang zwei Namen in den Medien diskutiert wurden, fehlen diese in der offiziellen Mitteilung des Aufsichtsrates. Doch damit nicht genug der persönlichen Beschädigung der Betroffenen, kurz darauf werden wiederum breit in der Öffentlichkeit Zeitpunkt der Entlassung und Abfindungshöhe diskutiert. Die Politik ist kurz vor der Wahl natürlich fleißig auf Stimmensuche und sträubt sich gegen

Abfindungen in Millionenhöhe. Doch wer redet eigentlich darüber, dass dieselben Leute, die nun schreien, vor einem Jahr die Verträge der beiden Vorstände noch verlängert haben? Und fallen fünf Millionen Euro mehr oder weniger bei Abfindungen für den Abbau von 5 000 Stellen in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro wirklich ins Gewicht - den Neidfaktor einmal ausgeblendet?

Ein rascher Verkauf der Minderheitsbeteiligung des Bundes ist trotzdem unwahrscheinlich und gut zu bedenken. Zum einen müsste ein möglicher Aufkäufer über den Markt oder von anderen Investoren weitere Pakete erwerben, um wenigstens die Sperrminorität zu erreichen. Zum anderen bleibt dann immer noch die Frage nach den interessanten Teilen der Commerzbank. Wohl kaum eine andere europäische Bank wird sich das Institut mit all seinen Problemen aufladen. Wahrscheinlicher wäre eine Aufspaltung und ein Weiterverkauf von Teilen wie beispielsweise dem Firmenkundengeschäft, dem Investmentbanking an andere, spezialisiertere Häuser. Das muss für die Commerzbank selbst und die Kunden nicht schlechter sein, aber ist es politisch vertretbar? Ein Ausstieg des Bundes auf Kosten des Überlebens der zweitgrößten deutschen Bank als Gesamtheit? Doch die Zeit für eine Lösung drängt. Wie schön wäre es doch, wenn die Commerzbank nicht an der Börse wäre, wenn sie alle Freiheiten des Handels hätte, Zeit so viel sie wollte, fernab von Quartalsberichten, Roadshows und KGVs.

Wie viel Martin Blessing als Vorstandschef davon noch vorbereiten, umsetzen, erleben darf, hängt natürlich von der Geduld der übrigen Beteiligten ab. Und die scheint zunehmend erschöpft. Denn auch Martin Blessing glaubt man nicht mehr alles. Leider!

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