Geldpolitik I

Ende oder Wende?

In den vergangenen zweieinhalb Jahren konnte man die Geldpolitik der EZB seit der viel beachteten Londoner Draghi-Rede vom Juli 2012 als wirkungsvolle Ankündigungspolitik gekoppelt mit diversen Maßnahmen werten. Mit dem Beschluss des EZB-Rates vom 22. Januar dieses Jahres zum Kauf von Anleihen hat die Notenbank nun Taten in Form einer weiteren ganz massiven Flutung der Finanzmärkte mit Liquidität folgen lassen. Die Wirkungen der schon in den beiden vergangenen Jahren beschlossenen unkonventionellen Maßnahmen erst einmal abzuwarten und zusätzlich auf die positiven Effekte des Ölpreisverfalls sowie des ohnehin deutlich gesunkenen Eurokurses zu setzen, war der Mehrheit des EZB-Rates offensichtlich nicht ausreichend. Und auch die in Politik, Wissenschaft und teilweise auch aus Kreisen der Notenbanken geäußerten Hinweise auf völlig andere Kapitalmarktbedingungen für das Quantitative Easing in den USA und die demzufolge sehr kontroversen Ansichten über die höchst ungewissen Effekte eines Ankaufsprogramms in der Eurozone fanden letztlich zu wenig Gehör.

Getroffen wurde die jüngste Notenbankentscheidung vordergründig nach dem Prinzip einer freiwilligen Vorleistung. Gleichwohl hat sich damit die Verbindung zwischen Politik und Notenbank weiter zementiert. Denn schon im Vorfeld und im Verlauf des Entscheidungsprozesses der Notenbank haben sich immer wieder Politiker durch öffentliche Äußerungen eingemischt. Und nach dem EZB-Votum haben auf die floskelhaft klingende Aufforderung von Mario Draghi an die Mitgliedsstaaten, in ihrem Reformeifer nicht nachzulassen, die Regierungschefs zweier Kernstaaten, François Hollande und Matteo Renzi, gleich artig ihren Willen zu Wirtschaftsreformen in Frankreich beziehungsweise Italien bekundet. Welchen Bestand solche rein verbalen Aussagen im politischen Prozess haben können, ließ sich unmittelbar vor als auch nach den Parlamentswahlen in der Rhetorik aus Griechenland erkennen.

Im rein politischen Bereich folgte die Bewältigung der Eurokrise bislang einem anderen Prinzip. Solidarität im Gegenzug zu Strukturreformen! So hat Sigmar Gabriel kürzlich an dieser Stelle die Ausrichtung verteidigt, mit der die europäische Politik in den vergangenen Jahren der Schuldenkrise Europas entgegengewirkt hat (ZfgK 1-2015).

Vielleicht war die jüngste EZB-Entscheidung im späteren Rückblick einmal ein entscheidender (Zwischen-)Schritt des Kalküls von Helmut Kohl, über eine bestehende Währungsunion die politische Union und die Wirtschaftsunion zu erzwingen. Dann könnte das Ankaufsprogramm ein wichtiger Meilenstein der Geschichtsschreibung der EZB werden und ihren Ruf als wirkliche europäische Instanz begründen. Möglicherweise hat sie aber auch das - vorübergehende oder gar endgültige - Ende der Währungsunion in der heutigen Konstellation der 19 Euroländer eingeläutet.

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