Italienische Bonds: Wie Phoenix aus der Asche?

Abbildung 1: GDP** Weighted Peripheral Spread* versus Eurozone Excess Liquidity

Andrew Cormack, Portfolio Manager, Western Asset Management, London
Im Zuge von Bilanz und Stresstest der EZB registriert der Autor ein spürbares Nachlassen des Finanzierungsdrucks in Europa, wagt aber noch keine Prognose auf eine bessere Finanzierungssituation für die Realwirtschaft. Eine Belebung bescheinigt er im Verlauf dieses Jahres dem Interesse institutioneller Anleger in Staatsanleihen der europäischen Peripherieländer. Mit Blick auf die italienischen Anleihemärkte setzt er Hoffnung auf eine erfolgreiche Reformpolitik des seit Februar dieses Jahres in Rom amtierenden Ministerpräsidenten. Ein Risiko sieht er gleichwohl in der EZB-Politik, deren Glaubwürdigkeit er insbesondere in einer sich abzeichnenden Verschlechterung der Wachstumsperspektiven für gefährdet hält. (Red.)

Historisch enge Bewertungen, die Anleger nicht adäquat für das zugrunde liegende Risiko entschädigten - so lässt sich die Lage am italienischen Bondmarkt zum Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise in einem Satz zusammenfassen. Doch seit Sommer 2011 hat sich einiges getan. Sicher, die Aussichten für die Anleihenmärkte in der europäischen Peripherie haben sich seit dem Höhepunkt der Krise leicht verbessert. Dennoch stehen sowohl der private als auch der öffentliche Sektor unverändert vor großen Herausforderungen, die das Wachstum noch für Jahre belasten werden. Europa braucht dringend strukturelle Reformen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und wieder Vertrauen in sein Bankensystem zu schaffen. Nur so kann es gelingen, die aktuell noch sehr zerbrechliche wirtschaftliche Erholung in neue Arbeitsplätze umzuwandeln. Und solche strukturellen Reformen brauchen Zeit, vermutlich Jahre. Damit bleiben die langfristigen Aussichten nach wie vor hochgradig ungewiss. Ohne eine entgegenkommende Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) werden sich keine Erfolge einstellen.

Rückläufiges Tail Risk in der Eurozone

Dieser Ausgangslage zum Trotz sprechen Investoren den Anleihenmärkten in der Peripherie wieder ihr Vertrauen aus und zeigen deutliches Interesse - zu Recht, gibt es doch gleich mehrere Gründe dafür, dass vor allem Anleihen aus Italien Substanz haben und deshalb für Anleger attraktiv sind.

Im Juli 2012 hatte EZB-Chef Mario Draghi angekündigt, "alles zu tun, was nötig ist", um die Eurozone vor einem Kollaps zu schützen. Nur zwei Monate später wurde das Outright Monetary Transactions (OMT) Program der EZB initiiert, das es den Währungshütern ermöglichte, unbegrenzt Staatsanleihen mit Fälligkeiten von drei Jahren oder weniger aufzukaufen. Gekauft hat die EZB bislang nichts. Dennoch war die reine Ankündigung genug, um den europäischen Anleihenmarkt zu stabilisieren. Die Spreads fünfjähriger italienischer Staatsanleihen haben sich um mehr als 350 Basispunkte verengt und die Yields haben im Februar dieses Jahres mit 2,02 Prozent einen neuen Tiefstand erreicht. Der Markt hat Draghi beim Wort genommen und dieser selbst hat das OMT als "wahrscheinlich erfolgreichste geldpolitische Maßnahme der jüngeren Vergangenheit" bezeichnet.

Ein weiteres Maß, das Tail Risk, also das Risiko extremer Verluste, zu messen, ist die überschüssige Liquidität der Eurozone. In Zeiten einer höheren Risikoaversion horten Banken Cash, um für Zeiten größerer Unsicherheiten gewappnet zu sein. Wie die Abbildung 1 zeigt, spiegelt sich die Maßnahme der EZB direkt in der überschüssigen Liquidität wider. Ende 2011 hatte die EZB über drei Billionen Euro in Form von zwei längerfristigen Refinanzierungsgeschäften in das Bankensystem gepumpt. Ziel war es, die Liquidität zu erhöhen und so den Bedarf der Banken zu bedienen. Seitdem zahlen die Banken dieses Darlehen zurück und im Februar 2014 fiel die überschüssige Liquidität erstmals seit zweieinhalb Jahren auf knapp über 110 Milliarden Euro. Aufgrund der Tatsache, dass die größten Banken der Eurozone sich gerade der Überprüfung ihrer Assetqualität durch die EZB unterziehen mussten, darf der Rückgang der überschüssigen Liquidität als klares Zeichen dafür gewertet werden, dass der Finanzierungsdruck in Europa deutlich nachgelassen hat. Es muss sich allerdings noch zeigen, ob ein geringerer Druck auch die Finanzierungssituation für die Realwirtschaft verbessert.

Äußerst entgegenkommende EZB-Politik

Ein anhaltendes Entgegenkommen der EZB bei der Geldpolitik ist ausschlaggebend für eine weitere Verengung der Spreads bei italienischen Staatsanleihen. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Währungshüter der Europäischen Union die Zinsen noch für eine gewisse Zeit auf diesem außergewöhnlich niedrigen Niveau halten werden - vermutlich sogar länger, als derzeit eingepreist. Die Inflation in Europa ist besorgniserregend niedrig, wie die EZB bereits im März mit ihrer Inflationsprognose von 1,5 Prozent für 2016 bestätigt hat. Anders ausgedrückt: Trotz allem Entgegenkommen der EZB, liegt die erwartete Inflation in zwei Jahren knapp 0,5 Prozent unter dem Ziel der Zentralbank. Draghi ist überzeugt, dass das Inflationsrisiko weitestgehend ausbalanciert ist.

Die Risiken sind negativ verzerrt - vor allem mit Blick auf den nach wie vor hohen Schuldenberg, den es abzubauen gilt und den strukturellen Gegenwind, der vermutlich ein weiteres Anziehen der Fiskalpolitik erfordern wird, um der Bürde entgegenzuwirken, die aufgrund der alternden Erwerbsbevölkerung auf Europa lastet.

Die Zentralbanken in den USA und Japan weiten ihre jeweiligen Bilanzen aus. Allerdings wird dort noch auf erste Anzeichen inflationärer Impulse gewartet. Im Gegensatz dazu nimmt die EZB in Zeiten eines noch äußerst fragilen wirtschaftlichen Aufschwungs auch eine straffere Bilanz in Kauf. Schon im März hat Draghi seine lockere Geldpolitik bestätigt. In der Folge werden die Zinsen niedrig bleiben, was Investoren zwingen wird, höhere Renditen entweder in Anleihen mit längeren Laufzeiten oder in höher rentierenden Staatsanleihen der Eurozone zu suchen. Die Nutznießer in diesem Szenario: italienische Staatsanleihen.

Nachfrage größer als Angebot

In 2011 kam es zu einem absoluten Ausverkauf bei italienischen Staatsanleihen. Investoren haben im Rekordtempo verkauft, ganz egal zu welchem Preis (siehe Abbildung 2). Der heute zu beobachtende Trend ist genau gegenteilig: Das Vertrauen ausländischer Investoren in italienische Staatsanleihen steigt. So reinvestiert beispielsweise eine große Anzahl japanischer institutioneller Investoren in die Anleihenmärkte der europäischen Peripherie. Bestätigung liefern die Zahlen aus der zweiten Jahreshälfte 2013, wonach sie Nettokäufer italienischer und spanischer Staatsanleihen waren. Wenn das Vertrauen ausländischer Investoren zurückkehrt, bedeutet das in der Regel, dass sich auch die zugrunde liegenden Fundamentaldaten der Anleihen verbessern. Und tatsächlich: Sieht man einmal von den langfristigen, strukturellen Herausforderungen ab, ist der italienische Bondmarkt preislich attraktiv - besonders dann, wenn man ihn mit den deutlich volatileren Anleihenmärkten in den Schwellenländern wie Südafrika, Türkei oder Russland vergleicht.

Aufwertungen der Ratingagenturen haben ebenfalls dazu beigetragen, dass sich die Stimmung in der europäischen Peripherie verbessert hat. Bereits im Februar hat Moodys Spanien von Baa2 auf Baa3 heraufgestuft - mit guten Perspektiven für weitere Upgrades. Damit wurde vor allem der Fortschritt gewürdigt, den das Land bei strukturellen Reformen und den Finanzierungsbedingungen der Regierung gemacht hat. Gleiches gilt auch für Italien. Hier hat Moodys ebenfalls betont, dass weitere Heraufstufungen möglich sind, wenn sich die wirtschaftliche Lage und die Situation am Arbeitsmarkt weiter verbessert. Man sollte nicht unterschätzen, wie wichtig Ratings sind. Denn die meisten internationalen Investoren sind eng an die konventionellen globalen Anleihen Indizes gebunden, die eben nur Investmentgrade only sind. Aber nun, da sich das Rating-Momentum ins Positive gedreht hat, hat sich auch das Risiko verringert, dass Länder der europäischen Peripherie aus den so wichtigen Indizes ausgeschlossen werden.

Außerdem hat sich die Wahrscheinlichkeit, dass Anleger schnell verkaufen, wenn sich das Risiko erhöht, im Vergleich zu 2011 deutlich verringert. Das liegt vor allem auch daran, dass heimische Investoren nun vorrangig zu den Gläubigern gehören. Besonders Banken sind Teil dieses Kreises und haben stärkere Anreize, die lokal begebenen Schuldtitel zu halten. Auch das ist ein wichtiger Trend, denn bei inländischen Banken ist es eben auch wahrscheinlicher, dass sie Rückkäufe und Kupons reinvestieren.

Mit Blick auf das Angebot hat Italien für dieses Jahr noch einen Finanzierungsbedarf von 210 Milliarden Euro. Demgegenüber stehen Zahlungen an Investoren aus Fälligkeiten und Kuponzahlungen von 220

Milliarden Euro. Und da die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass diese Gläubiger ihr Kapital auch wieder in neue italienische Schulden investieren, muss sich das Land nicht auf die Suche nach neuen Investoren machen, um sich für dieses Jahr zu finanzieren. Im Gegenteil: Die Nachfrage von Seiten zusätzlicher Investoren wie beispielsweise aus Japan unterstreicht die aus italienischer Sicht günstige Angebot-Nachfrage-Situation nur noch.

Bahnbrechender Moment in der Innenpolitik

Ganze 63 Regierungen gab es in den 68 Jahren, in denen Italien wieder eine Republik ist. Demnach liegt die Halbwertzeit einer jeden italienischen Regierung nur etwas über einem Jahr. Die politische Szene ist sehr fragmentiert, unberechenbar und dient in erster Linie sich selbst. Doch die Wähler hatten genug von einem politischen System, das nur sein eigenes Überleben sichert und haben rebelliert. Silvio Berlusconi steht symbolisch für all das, was in der italienischen Politik falsch war. Und nach seinem gescheiterten Versuch, die Regierung im September 2013 zu stürzen, bekam er die Quittung. Das ist eine sehr positive Tendenz. Der verhältnismäßig sehr junge Matteo Renzi hat gute Chancen, in seiner Amtszeit auch bedeutungsvolle Reformen umzusetzen.

Mit den vorgeschlagenen und im Parlament durchgebrachten Reformen zum Wahlrecht würde sich die Wahrscheinlichkeit verringern, dass künftige Wahlen in nicht regierungsfähigen Koalitionen enden. Außerdem steht eine Reform des Steuersystems auf Renzis Agenda. Damit sollen die Differenz zwischen Brutto- und Nettogehältern verringert werden. 2012 hatte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die durchschnittliche Steuerbelastung in Italien auf 47,6 Prozent geschätzt, der sechsthöchste Satz unter den 34 Mitgliedstaaten.

Italien braucht dringend strukturelle Reformen, um sein Produktivitätswachstum langfristig zu sichern. Da kommt der Optimismus rund um den neuen, jungen, energetischen Premier gerade recht. Seine Versprechen, für Veränderungen zu sorgen, steigern die Reformchancen und ihre effektive Umsetzung. Viele Kritiker unken zwar bereits, dass auch seine Amtszeit nicht viel länger dauern werde als die seiner 62 Vorgänger. Allerdings ist der Optimismus im Volk groß, und Italien hat damit deutlich bessere Chancen, sich unter seinem neuen Premier auch zu verändern.

Chancen für Anleger

Die Yields fünfjähriger italienischen Staatsanleihen liegen bei etwa 2,1 Prozent. Einfach ausgedrückt - und unter der Prämisse, dass es zu keinen Ausfällen kommt - macht ein Anleger rund 11 Prozent während der Laufzeit der Anleihe. Da die Ertragskurve aktuell aber sehr steil ist, wird ein Großteil des Total Returns wahrscheinlich schon in den ersten ein bis zwei Jahren ausgezahlt. Tatsächlich könnten die Total-Return-Chancen in den kommenden 12 Monaten äußerst attraktiv ausfallen, sollten die Yields fünfjähriger Staatsanleihen deutlich weniger steigen, als die Terminmärkte heute einpreisen (siehe Abbildung 3).

Vor allem eine diversifizierte Strategie eröffnet Anlegern Chancen am italienischen Bondmarkt. Ein Beispiel: Wenn man zwei unkorrelierte Positionen, die einzeln betrachtet Value bieten, miteinander kombiniert, kann das zu starken risikoadjustierten Gewinnen führen. In Zeiten, in denen sich die Spreads am italienischen Anleihenmarkt stark geweitet haben - bis zu 0,25 Prozent pro Woche absolut betrachtet - hat der Euro typischerweise abgewertet. Deshalb bietet die Kombination aus übergewichteten italienischen Staatsanleihen und einer aktiven Shortposition im Euro Mehrwert. Investoren müssen hierfür nur im Hinterkopf behalten, dass auch bei einer starken Überzeugung von der Position in italienische Staatsanleihen die Euroabsicherung das Anleihen-Engagement nicht komplett aufwiegt.

Und das Risiko?

Natürlich gibt es Szenarien, die diesen Optimismus trüben könnten. Ein Beispiel ist die EZB-Politik. Auch wenn Mario Draghi durchweg zu seiner entgegenkommenden Politik steht, bleibt dennoch das Risiko, dass dies ein Fehler ist und die Maßnahmen nicht präventiv genug sind und die Lockerung nicht ausreicht, um eine weitere Rezession zu verhindern. Sollten sich die Wachstumsperspektiven der Eurozone verschlechtern, würden sich Ratingagenturen wie Anleger wieder auf die langfristige Nachhaltigkeit bei Anleihenemissionen fokussieren und damit Aufwärtsdruck auf Yields und Spreads erzeugen. Außerdem bestünde die Gefahr, dass die EZB in einem solchen Szenario Glaubwürdigkeit einbüßen würde - mit fatalen Folgen. Denn wie bereits erläutert, liegt der Erfolg des OMT der EZB eben genau in ihrer Glaubwürdigkeit begründet. Sollte der Markt nicht mehr daran glauben, dass Draghi das Tail Risk unter Kontrolle hat, hätte dies dramatische Auswirkungen.

Aktuell gibt es aber keinen Grund, vom schlimmsten Fall auszugehen. Deshalb steht Western Asset Management Anleihen "Made in Italy" auch nach wie vor konstruktiv gegenüber und glaubt an ihr Aufwärtspotenzial. Trotz der starken Outperformance italienischer Anleihen - absolut wie relativ betrachtet - seit Draghis Einschreiten im Sommer 2012 herrscht Zuversicht, dass sich die Spreads weiter verengen können. Investoren sollten nur bedenken, dass die Spreads bereits nahe ihres Dreijahres-Tiefs liegen, die Yields sogar nahe ihres historischen Tiefs. Deshalb ist es wichtig, die Größe einzelner Positionen den individuellen Renditezielen und der Risikotoleranz anzupassen und - vielleicht noch viel wichtiger - sicherzustellen, dass das Engagement auch entsprechend breit gestreut ist.

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