Zinskommentar

Wende in Sicht?

Nach der Absenkung des Hauptrefinanzierungssatzes für Geschäftsbanken im Mai entschied sich die Europäische Zentralbank im Juni, den Leitzins auf seinem aktuellen Niveau von 0,5 Prozent zu belassen. Hintergrund ist die noch immer deutlich angeschlagene europäische Wirtschaft, deren Leistung sich in den vergangenen sechs Quartalen rückläufig entwickelte. Gegenüber der Prognose vom März hat die EZB ihre Einschätzung zum Wirtschaftswachstum für 2013 nach unten korrigiert, während die Erwartungen für das kommende Jahr leicht optimistischer wurden.

Mittelfristig geht die EZB von einer weiterhin niedrigen Inflationsrate leicht unter der Preisstabilitätsgrenze von zwei Prozent aus. Gleichzeitig sei die Funktionsweise des Kreditmarktes noch immer eingeschränkt, wenn es hier auch erste Aktivierungsanzeichen gäbe, sagt EZB-Präsident Mario Draghi. Für das kommende Jahr geht er von einer stärkeren globalen Nachfrage nach europäischen Gütern aus. Gleichzeitig erwartet er - aufgrund seiner Geldpolitik und der real höheren Einkommen wegen des niedrigen Preisniveaus - einen Anstieg der Binnennachfrage. Zudem sollten die strukturellen Reformen bis dahin größtenteils umgesetzt sein und greifen. Die Risiken, dass eine oder mehrere dieser Annahmen nicht eintreffen könnten, bleiben hoch.

Die griechische Regierung hat vergangene Woche unerwartet die Schließung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ERT angekündigt. Rund zweitausend Mitarbeiter sollen entlassen werden. Die Begründung, dass der Sender eine schlechte Führung und Verwaltung hatte, ist wahrscheinlich nur ein Teil der Wahrheit. Vielmehr ist dies der Versuch, die von der Troika geforderte Verschlankung des Staatsapparates zu erfüllen. Ob dies gelingt, ist angesichts der aktuellen Demonstrationen fraglich.

Nun möchte der Internationale Währungsfonds (IWF) den Hellenen mehr Zeit für die Umsetzung der Reformen geben und ihnen gleichzeitig weitere Schulden erlassen. Die Bundesregierung ist vehement gegen einen weiteren Schuldenschnitt, der laut Medienberichten diesmal hauptsächlich staatliche Institutionen wie zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verschmerzen müssten. So kurz vor der Bundestagswahl könnte die Zusage weiterer Steuergelder für Griechenland das Wahlergebnis der Regierungspartei negativ beeinflussen.

Während in Griechenland das öffentlichrechtliche Fernsehen geschlossen wird, entschied sich Mario Draghi erstmals seit Ausbruch der Krise, einem deutschen öffentlich-rechtlichen Sender ein Interview zu geben. Hintergrund für seine Gesprächsbereitschaft ist das laufende Verfahren der EZB beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dieses prüft die Rechtmäßigkeit der Aufkäufe von Staatsanleihen durch die Zentralbank im Rahmen des OMT-Programmes. Mario Draghi betonte mehrfach, dass dieses Programm erfolgreich Stabilität in die unruhigen Märkte gebracht habe. So seien die Finanzierungskosten der Krisenstaaten gesunken, das Investitionsklima hätte sich verbessert und die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen seien gestiegen, was den Sparern in Deutschland, den Versicherern und Pensionskassen zugutekäme. Die Chefin des IWF, Christine Lagarde, befürchtet, dass eben diese Stabilität zerbrechen könnte, falls das Gericht in Karlsruhe die Auflage des OMT-Programmes für illegal halten würde.

Die Baufinanzierungszinsen haben Ende Mai kräftig angezogen. Einher ging dies mit einem Renditeanstieg der zehnjährigen Bundesanleihen um 0,3 Prozent. Auch in den USA sind die Zinsen nach dem historischen Tiefstand Anfang Mai deutlich gestiegen. Ob mit dem aktuellen Anstieg der Baufinanzierungszinsen in Deutschland eine Zinswende eingeläutet wurde, kann heute noch niemand sagen. Für sicherheitsorientierte Privatkunden ist die Zeit des Abwartens auf weiter sinkende Zinsen aber damit vorerst vorbei. Kunden, die für ihre künftigen Ausgaben Planungssicherheit wollen, sollten sich nun über die Vorteile des Bausparens beziehungsweise des Forward-Darlehens informieren.

(Dr. Klein & Co. AG)

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