Bankenaufsicht

Kein Wunschkonzert

Seit der Finanzkrise 2007/2008 haben Regierungen, internationale Organisationen sowie die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden intensiv am Rechtsrahmen für das Finanzsystem gearbeitet. Es herrscht weitgehend Konsens darüber, dass die zahlreichen Maßnahmen zur Regulierung des Finanzsektors notwendig waren, um die Lücken zu schließen, die es einigen Finanzinstituten ermöglicht hatten, übermäßig hohe Risiken anzuhäufen. Die Lehren, die aus der damaligen Krise gezogen wurden, haben den Finanzsektor insgesamt stärker aufgestellt, weshalb sie nun selbst eine bessere Ausgangsposition haben und angesichts der Corona-Pandemie in der Lage sind, die Wirtschaft zu stützen. Auf die Kehrseite dieser Medaille würden einige Institute, vor allem die kleineren Häuser, allerdings schreiben, dass die hohen regulatorischen Anforderungen in den letzten Jahren zunehmend zur starken Belastung geworden sind.

Aus diesem Grund hat der Bankenverband (BdB) gefordert, die Einführung neuer regulatorischer Anforderungen weiter zu verschieben, um die Kreditversorgung der Wirtschaft in der aktuellen Lage gewährleisten zu können. Konkret geht es um die Umsetzung der Baseler Eigenkapital-Richtlinie. Die Aufsichtsbehörden hatten die Implementierung der neuen Vorschriften zwar bereits um ein Jahr auf 2023 verlegt. Doch wie der Volksmund zu sagen pflegt: "Wem man den kleinen Finger gibt, der nimmt oft die ganze Hand." So ist die Terminierung aus Sicht des Lobbyverbands vor der Annahme, dass die Kreditnachfrage im zweiten Halbjahr 2021 aufgrund des verlängerten Shutdowns wieder ansteigen wird, nicht verhältnismäßig: "Wir müssen aufpassen, dass wir den Aufschwung nicht abwürgen durch Basel IV", mahnt Hauptgeschäftsführer des BdB, Christian Ossig, daher an. In die Regeln müssten seiner Ansicht nach aktuellere Daten aus den Jahren 2020 und 2021 mit einfließen, da die Simulationen der europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA zu den Basel-III-Auswirkungen auf die Banken anhand der Bilanzdaten des Jahres 2019 durchgeführt wurden.

Auch wenn dieser Einwand berechtigt erscheint, sollte die Pandemie nicht als Vorwand genutzt werden, um eher unbeliebte Maßnahmen in weite Ferne zu rücken. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bezieht in diesem Zusammenhang eine klare Stellung: "Keineswegs können aus unseren temporären Krisenmaßnahmen eine Deregulierung oder eine Aufsicht der leichten Hand resultieren", erklärt BaFin Präsident Felix Hufeld in seinem Neujahrsgrußwort 2021. Wenn die Krise überwunden ist, müssten die Regler in kleinen Schritten wieder auf Vorkrisenniveau geschoben werden. Offen bleibt bei dieser Aussage allerdings, was unter kleinen Schritten zu verstehen ist. Und so werden die Stimmen wieder lauter, die schon seit geraumer Zeit mehr Handlungsspielräume und individuell angepasste Regeln für die Banken und Sparkassen fordern.

Das gilt im Übrigen auch für die geldpolitischen Maßnahmen der EZB. So hat der BVR in einem kürzlich veröffentlichten Research-Paper dargelegt, dass der zwanghaft erzeugte Anstieg der Einlagen von Banken beim Eurosystem im Zuge der Fortführung der Ankaufprogramme APP und PEPP sich negativ auf die Erträge der Institute und somit auf die Kreditvergabe auswirken könnte. Der Großteil der Banken gibt laut dem BVR die Kosten auf Einlagen beim Eurosystem in Höhe von 0,5 Prozent nämlich nicht in Form von Negativzinsen an ihre Kunden weiter. Die im Oktober 2020 eingeführte zweistufige

Verzinsung von Überschussreserven mildere diesen Umstand nur bedingt ab. Den Berechnungen des BVR zufolge ergebe sich aus den bis März 2022 angekündigten Wertpapierkäufen durch die EZB für die Banken eine zusätzliche Belastung in Höhe von 6,5 Milliarden Euro, weshalb der Tiering-Multiplikator deutlich erhöht werden sollte. Das würde den Banken natürlich helfen. Doch wen interessiert's? Die Lobby für höhere Bankgewinne ist nicht allzu groß. Und solange Banken weiterhin ihre Kreditvolumina stetig ausweiten (um einigermaßen wirtschaften zu können), gibt es für die EZB doch keinen Grund etwas zu ändern.

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