Börsen

Die Zeit drängt

Quelle: pixabay.com

Nur wenige Tage nach der diesjährigen, virtuellen Hauptversammlung der Deutschen Börse jährte sich die Vorstellung des Strategieprogramms "Roadmap 2020" zum zweiten Mal. Es war der erste Schachzug des Vorstandschefs Theodor Weimer, der wenige Monate vorher sein Amt antrat. Auf der Hauptversammlung unterstrich Weimer, dass die Versprechungen aus diesem Programm für das Jahr 2020 gehalten werden. In der Tat steht die Gruppe Deutsche Börse gut da. Das angekündigte strukturelle Wachstum wurde erreicht. Getragen wurde diese Entwicklung im Handelssegment vor allem von der EEX und vom Devisenhandel auf 360T. Der zweite Wachstumstreiber war das Clearing. In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres wurden die Wachstumsziele sogar deutlich übererfüllt. So stieg der Umsatz im ersten Quartal um 27 Prozent, der Gewinn überproportional um 33 Prozent. Das liegt an der viel zitierten guten Skalierbarkeit des Geschäfts und natürlich an der pandemiebedingten Explosion der Volatilität an den Kapitalmärkten. Am 12. März 2020 erreichte der Handel auf Xetra den bislang höchsten Tagesumsatz in Höhe von 18,5 Milliarden Euro. Das entspricht weit mehr als dem Dreifachen des durchschnittlichen Tagesumsatzes aus dem Jahr 2019, bei fast gleichen Kosten.

Doch der Vorstandschef warnt davor, dieses Quartal einfach so fortzuschreiben. Dennoch werde der gute Jahresauftakt dem Unternehmen helfen, ordentlich durch die Krise zu kommen. Entsprechend wurden die ursprünglichen Ziele für das laufende Jahr aus der Roadmap 2020 von Weimer explizit bekräftigt: mindestens 5 Prozent strukturelles Umsatzwachstum und einen Jahresüberschuss von rund 1,2 Milliarden Euro. Da aber an der Börse der Blick immer nach vorne gerichtet ist, hat Weimer auch gleich eine Ankündigung gemacht. Auf die Roadmap 2020 wird das Strategieprogramm "Compass 2023" folgen. Außer dem doch recht unkreativen Namen ist bislang wenig von den Inhalten bekannt. Die genaue Vorstellung hat der Vorstandschef für das vierte Quartal angekündigt. Das klingt vernünftig, wäre es doch jetzt noch arg viel Kaffeesatzleserei in Prognosen, die die Folgen der Corona-Pandemie mit einkalkulieren zu versuchen.

Doch einen kleinen Hinweis zu dem neuen Programm hat es trotzdem gegeben: Das Thema Zukäufe soll eine wichtige Rolle darin spielen. Bereits bei der Bilanzpressekonferenz hatte Weimer - der übrigens einen Tag nach der virtuellen eigenen Hauptversammlung auf der virtuellen Hauptversammlung der Deutschen Bank in deren Aufsichtsrat gewählt wurde - schon angedeutet, dass die Deutsche Börse mit ihrer "Firepower" von zwei Milliarden Euro plus möglicher Aufnahme von zusätzlichen Fremdmitteln auf der Suche nach Übernahmezielen ist. Der Druck, in der Konsolidierungswelle der Branche eine aktivere Rolle zu übernehmen, scheint also weiter anzuwachsen. Die Schweizer Börsenbetreiberin SIX Group beispielsweise ist auf gutem Wege, die Übernahme der spanischen Börse in trockene Tücher zu bringen. Das fusionierte Unternehmen könnte der Deutschen Börse in Bezug auf Handelsvolumen bald den Rang ablaufen. Die Zeit drängt also. Aber nach wie vor ist die Zahl der potenziellen Ziele nicht sehr groß. Die Richtung des "Compass 2023" darf mit großer Spannung erwartet werden.

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