Ulrich Weiss zum 70. Geburtstag

Bank und Technik: The perfect match

1. Technik im Bankgeschäft
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Zentrale Aufgaben einer Bank sind die Abwicklung von Zahlungsströmen
sowie die Mittlerfunktion zwischen Investor und Schuldner. Banken
transformieren Risiken, Fristen und Volumina und bilden so das
Fundament jeder modernen Volkswirtschaft. Um diese Aufgaben zu
erfüllen, wurde schon immer moderne Technik eingesetzt. Die ersten
Banken, die buchmäßig Konten für Einlagen und Forderungen führten,
vermutet man bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus in
Mesopotamien1). Buchungen wurden zuerst auf Tontafeln festgehalten
(Kontierungs- und Archivierungstechnik); als Zahlungsmittel dienten
vorwiegend Edelmetalle und Münzen (technisch Metallguss und
Münzpresse). Zettelbanken ersetzten im 17. Jahrhundert Münzen durch
Papier-basierte Urkunden.
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Diese Urkunden verbrieften Rechte und stellten einen Quantensprung für
das Bankgeschäft dar: Das Inhaberpapier und die unbegrenzte
Fungibilität waren erfunden. Diese Innovation ist insbesondere mit den
Namen Medici und Fugger verbunden.
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Während Dampfmaschine und Elektrizität die Industrialisierung
einleiteten, waren Banken vor allem vom Produktivitätsschub der
Telekommunikation getrieben. Die Erfindung des Morse-Alphabets führte
dazu, die Entfernungen zwischen Kontinenten erfolgreich zu überwinden.
Allerdings war die Einbindung der neuen Telekommunikationstechnik in
tägliche Geschäftsabläufe von Anfang an eine Herausforderung. So kam
es durch den sprunghaft gestiegenen Bedarf an Telegraphie in der
Geschäftswelt zu Engpässen, die den Nutzen des Einsatzes von
Telekommunikationstechnik anfänglich fraglich erscheinen ließen. Zum
Beispiel hatte die Überlastung einzelner Telegraphenämter zur Folge,
dass Telegramme innerhalb Londons zeitweise länger unterwegs waren als
mit Boten.2)
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Startschwierigkeiten
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Trotz der beschriebenen Startschwierigkeiten wurde die Entwicklung der
Telekommunikation zum Technikschub, vor allem für Banken und Börsen.
Das eigentliche Bankgeschäft blieb noch bis in die erste Hälfte des
20. Jahrhunderts ein technikarmer Raum - auch in der Deutschen Bank.
Erst vor rund 50 Jahren entschied der Leiter der
Organisationsabteilung der Norddeutschen Bank3), "dass es zweckmäßig
erscheint, innerhalb der Nachfolgeinstitute der Deutschen Bank ... den
Versuch einer Anwendung der Lochkartenmaschinen zu machen". Die
Verbindung von elektronischer Datenverarbeitung und Bankgeschäft ist
somit eine noch junge Disziplin, bildlich gesprochen eine recht neue
Mutation in der DNA des modernen Bankings.
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Grund für die Einführung von Informationstechnologie war das
sprunghaft steigende Datenvolumen, das zuvor mit großem
Personaleinsatz bewältigt werden musste. Möglich wurde dies durch die
bahnbrechenden technischen Fortschritte in der zweiten Hälfte des
20.Jahrhunderts.
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Dabei sei zunächst das Transaction Banking genannt, das mit seiner
Entwicklung von der lochkartengesteuerten Verarbeitung zur
mittlerweile nahezu vollständigen Automatisierung wohl am
augenfälligsten die tief greifenden Veränderungen im Einsatz der
Bankentechnologie im Verlauf nur weniger Jahrzehnte aufzeigt.
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So betrug die Datenmenge der europäischen Bankrechner der Deutschen
Bank im Jahr 1985 bereits insgesamt 170 Gigabyte. Dies entspricht rund
35 Millionen DIN A4-Blättern. In Ordner geheftet wäre ein Regal von
fast sechs Kilometer Länge erforderlich, um diese Datenmenge
aufzunehmen. Für die damalige Zeit war dies eine schier unvorstellbare
Größenordnung - Speichermedien vergleichbarer Größe kann man heute
schon für kaum mehr als 100 Euro in jedem Elektronikmarkt kaufen.
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In den letzten 20 Jahren ist dieses Volumen mit durchschnittlich 39
Prozent auf nunmehr fast 122 Terabyte angewachsen. In Ordner
abgeheftet, ergibt sich ein Regal von 4 000 Kilometer Länge. Legt man
die entsprechende Anzahl an DIN A4-Seiten der Länge nach aneinander,
so hätte das Papierband eine Länge, die mehr als 17 Mal bis zum Mond
reichen würde. Der Wachstumstrend ist ungebrochen und wird durch die
zunehmende Maschine-zu-Maschine-Kommunikation noch verstärkt.
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Die Einführung der Banktechnik bedeutete im ersten Schritt den Kauf
von Hardware - von der oben erwähnten Lochkartenmaschine bis hin zu
immer leistungsstärkeren Rechnern. Zugute kam den Banken die über
mehrere Jahrzehnte gleich bleibend hohe Innovationsgeschwindigkeit -
nach "Moore's Law" verdoppelt sich die durchschnittliche
Rechnerleistung alle 18 Monate. Diese Entwicklung erlaubte es, bei
nominaler Kostenkonstanz immer mehr Bereiche der Bank für die IT zu
erschließen. Der Einsatz der Informationstechnologie in Verbindung mit
wenig standardisierten Prozessen machte es allerdings über sehr lange
Zeit notwendig, im eigenen Haus Anwendungen zu erstellen und zu
betreiben. Erst die Industrialisierung der Informationstechnologie,
gekennzeichnet von einer breiten Standardisierung und einem großen
Angebot externer Dienstleister mit spezialisiertem Know-how, bietet
der Bankindustrie die Chance, diese Strukturen aufzubrechen und statt
Hardware nun auch Software, ja sogar komplette Geschäftsprozesse
einzukaufen. Diesen Paradigmenwechsel kann man wohl als die
Industrialisierung des Bankgeschäfts bezeichnen.
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Ulrich Weiss, seit 1979 im Vorstand der Deutschen Bank zuständig für
Organisation und Datentechnik, beschrieb in seinem 1986 erschienenen
Artikel "Bankdienstleistungen im Wandel" die Bedeutung der
Informationstechnologie für das Bankgeschäft wie folgt: "Es mag für
manche überraschend sein, dass das Bankgeschäft zu den
Wirtschaftszweigen gehört, in denen die Technologie zunehmend zur
Antriebskraft geworden ist.
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Dieses hat zwei Gründe: Zum einen muss jedes Kreditinstitut als ein
quasi riesiges Informationsverarbeitungsunternehmen zunehmend moderne
elektronische Datenverarbeitung zur Bewältigung der täglichen
Geschäftsabwicklung einsetzen. Zum anderen muss sich jedes Institut
auf die besonderen, sich wandelnden Bedürfnisse seiner Kunden
einstellen." Auch nach 20 Jahren hat die Analyse von Ulrich Weiss
nichts von ihrer Aktualität verloren, nur dass heute niemand mehr
ernsthaft die enge Verbindung von Bank und Technik in Frage stellt.
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Dies zeigt sich eindrücklich in der Produktivitätssteigerung des
Finanzdienstleistungssektors im Vergleich zu anderen Industriesektoren
(siehe Abbildung 3). Die Finanzindustrie erzielt hier kontinuierlich
Spitzenwerte, was gleichzeitig dafür spricht, dass das
IT-Innovationspotenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.
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Auch die grundlegenden Ziele für den Einsatz von Technologie decken
sich heute noch mit den von Weiss genannten. War die effiziente
Abwicklung von Prozessen im Back-Office von Anfang an Aufgabe der
Banktechnologie, öffnet Weiss mit dem zweiten, von ihm
gleichberechtigt genannten Grund ein Fenster in die Zukunft. Der
Einsatz der Technologie im Bankgeschäft ermöglicht, neue Bankprodukte
anzubieten und sich so den wandelnden Kundenbedürfnissen anzupassen.
Auch eine solche kundenorientierte Äußerung verwundert nicht, hatte
sich doch Weiss seit seinem Eintritt in die Deutsche Bank im Jahr 1968
dem Aufbau des Privatkundengeschäfts und dem Marketing gewidmet.
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Realitäten
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Was 1986 noch visionär klang, ist heute Realität: Kein Kreditinstitut
könnte es sich leisten, seinen Privatkunden Bargeldversorgung ohne
Geldautomat anzubieten oder auf Online-Banking oder Brokerage-Zugang
via Internet zu verzichten. Auch im Firmenkundenbereich spielt die
technologische Unterstützung von Geschäftsprozessen durch Banken eine
nicht mehr wegzudenkende Rolle; Aufträge an die Bank werden aus den
Kundensystemen generiert, die von der Bank gelieferten Daten direkt
ins Controlling-System des Kunden übernommen.
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Der Kunde vertraut mittlerweile wie selbstverständlich auf eine
technologische Leistung seiner Bank, die vor wenigen Jahren in dieser
Tiefe nicht möglich gewesen wäre.
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Die Abwicklung eines Bankgeschäfts besteht aus der Verarbeitung von
Daten: Informationstechnologie ist das Werkzeug, diese Verarbeitung so
effizient wie möglich zu gestalten. Und die Technologie ist - ganz im
Weiss'schen Sinne - Mittel zum Zweck für zufriedene Kunden.
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Der Einsatz von Technologie in Banken betraf zunächst nur die interne
Datenverarbeitung, das Back-End. Im täglichen Kontakt zum Kunden,
zumal zum Privatkunden, spielte Technologie bis in die achtziger Jahre
hinein kaum eine Rolle: Kundenaufträge wurden schriftlich
entgegengenommen, Bargeld und Kontoauszüge ausschließlich am
Bankschalter übergeben. Ein Quantensprung in der Entwicklung war die
Einführung von Banking-Terminals, insbesondere Kontoauszugsdruckern
und Geldautomaten, für die in der Deutschen Bank Ulrich Weiss
verantwortlich zeichnete. Die zentrale Frage war dabei nicht, wie
solche Automaten technisch in die Bank integriert werden konnten,
sondern die geschäftspolitische Frage, welche Aufgaben die
Bankautomaten übernehmen sollten. Bereits 1981 hob Weiss in einem
Vortrag über "Probleme und Grenzen der Technik" hervor, was die
zentrale Herausforderung beim Einsatz von Technik im
Privatkundenbereich darstellt: "Es geht um die Entscheidung darüber,
welche bisher von Mitarbeitern wahrgenommenen Aufgaben - überwiegend
im Zahlungsverkehr - dem Kunden mittels Selbstbedienung über ein
Kunden bedientes Terminal zugemutet werden können.
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Eine Bank muss darauf achten, dass sie ihren Anspruch, die Kunden über
einen individuellen Service zu bedienen, nicht durch überzogene
Automation verspielt. Andererseits bietet die Automation die Chance,
die Beratungsqualität Terminal gestützt zu verbessern und vor allem
von Routineaufgaben befreite Mitarbeiter stärker in der qualifizierten
Kundenberatung einzusetzen."5)
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Eine Befürchtung kann man zerstreuen: Moderne Informationstechnologie
ist heute in der Lage, individuellen Service anzubieten. Das Zitat
enthält aber eine andere wichtige Botschaft, die nichts von ihrer
Aktualität eingebüßt hat: Ein Bankmanager sollte sich nicht in erster
Linie darüber Gedanken machen, Technik zu implementieren oder zu
betreiben. Stattdessen sollte er dafür sorgen, dass die
(administrativen) Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass neue
technische Entwicklungen im Bankgeschäft Wert schaffen.
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Hierzu gehört die Analyse der Kundenakzeptanz, der Abgleich mit dem
Geschäftsmodell und die Frage, wie sich die Abläufe in einer Bank
durch den Technikeinsatz verändern: es bedarf also in allen Facetten
des modernen Bankgeschäfts einer ausgefeilten IT-Strategie.
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2. Industrialisierung im Bankgeschäft
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Das Prinzip der Arbeitsteilung ist ein wesentliches Merkmal moderner
Volkswirtschaften, ja der Kern dessen, was wir heute Globalisierung
nennen. Der Prozess der Industrialisierung schafft die Voraussetzungen
dafür, indem er die einzelnen Ebenen der Leistungserstellung
entkoppelt. So kann sich ein Unternehmen auf ausgewählte Glieder der
Wertschöpfungskette konzentrieren, Komponenten von Zulieferern
beziehen und selbst mit eigenen Produkten als Zulieferer am Markt
agieren. Beispielhaft sei hier die Automobilindustrie genannt, deren
Fertigungstiefe inzwischen eine Größenordnung von nur noch 30
Prozent6) erreicht hat. Zulieferer spezialisieren sich auf einzelne
Komponenten und produzieren diese in großen Stückzahlen für mehrere
Abnehmer. Der Automobilhersteller wird zum "Original Equipment
Manufacturer" (OEM) und fokussiert sich in dieser Eigenschaft auf
technische Integration, Kostenführerschaft und vor allem den
emotionalen Wert seiner Marke.
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Eine ähnlich Entwicklung sehen wir im Bankgeschäft: Nahezu alle
Produkte und Dienstleistungen einer Bank basieren heutzutage auf
Informationstechnologie - im Folgenden vereinfachend IT-unterstützte
Bankprodukte genannt. In den Anfangsjahren der Informationstechnologie
konnten am Markt nur Geräte (Hardware), aber keine Software geschweige
denn umfängliche IT-Services bezogen werden. Die Bank war gezwungen,
alle Ebenen der Leistungserstellung im eigenen Haus darzustellen,
zumal Kreditinstitute früher als die meisten anderen Branchen
Informationstechnologie einsetzten.
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Potenziale
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Eine Industrialisierung des Bankgeschäfts eröffnet erhebliches
Potenzial. Kann eine Bank ihre Fertigungstiefe verringern und
Komponenten für ihre IT-unterstützten Bankprodukte von Zulieferern
beziehen, kann sie sich einerseits auf ihr Kerngeschäft - ihre Marke,
ihren Emotionswert und ihre Kundensegmente - fokussieren und zahlt
andererseits an den Zulieferer einen Marktpreis, der aufgrund des
mittlerweile großen Wettbewerbs zwischen den externen
Dienstleistungsanbietern in vielen Fällen deutlich unter dem Preis der
eigenen Herstellung liegt.
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Wesentlicher Grund für den bei diesem Prozess zu erwartenden
Preisrückgang sind die somit erreichbaren Skaleneffekte: Beim Betrieb
von IT-Systemen haben die Fixkosten den bei weitem größten Anteil,
wogegen die Grenzkosten für eine zusätzliche Transaktion gering sind.
Ein IT-System zur Unterstützung eines Bankprodukts lässt sich umso
wirtschaftlicher betreiben, je größer die Anzahl der Transaktionen
ist, die über das System abgewickelt werden - "Banking is a business
of scale".
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Ein Zulieferer kann mehrere Kreditinstitute bedienen und so Volumen
bündeln. Kosten für Entwicklungen von Komponenten eines IT-Systems
fallen nur einmal an und verteilen sich so auf alle Banken, die den
Service nutzen. Moderne Finanzdienstleister definieren heute diesen
Anspruch so: "unlimited scale at zero incremental cost". Im
mathematischen Sinne mag dies eine Tautologie sein; sie bringt jedoch
Anspruch und Vision auf den Punkt.
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Jedes Kreditinstitut hat die strategische Option, bestimmte Services
entweder am Markt anzubieten und so die eigenen Stückkosten zu senken
oder den Service auszulagern und am Markt zuzukaufen. Im ersten Fall
wird der Service zum Kerngeschäft des Unternehmens, auf den die
Strategie des Unternehmens auszurichten ist. Im zweiten Fall reduziert
die Bank mit der Fertigungstiefe die Komplexität der eigenen IT.
Reduktion von Komplexität wird umso wichtiger, je komplizierter
Bankprodukte und die sie unterstützende IT werden.
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Standardisierung
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Voraussetzung für die Industrialisierung des Bankgeschäfts ist eine
Standardisierung der IT-unterstützten Bankprodukte, wobei alle
Erstellungs- und Unterstützungsprozesse einbezogen werden und die
Standardisierung die gesamte Tiefe der Leistungserstellung umfassen
muss. Der Fertigungsprozess wird dann in einzelne Komponenten (Module)
aufgeteilt. Ohne Standardisierung und Modularisierung wäre es nicht
möglich, dass ein Zulieferer eine große Zahl von Kreditinstituten mit
derselben Komponente bedient. Dies aber ist Voraussetzung für einen
funktionierenden Markt und das Erzielen von Skaleneffekten beim
Zulieferer.
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Die Standardisierung im Back-End einer Bank bedeutet aber keineswegs
eine Standardisierung der Bankprodukte. Das Gegenteil ist der Fall:
Gerade wenn die Erstellung von Bankprodukten aus der Zusammensetzung
standardisierter Komponenten erfolgen kann, ist es umso leichter,
schneller und preiswerter möglich, diese Bankprodukte den
Kundenwünschen anzupassen. Auch hier liefert die Automobilindustrie
Anschauungsmaterial: Obwohl hochgradig standardisiert, kann der Kunde
eine Vielzahl von Ausstattungsmerkmalen kombinieren und sich so sein
Fahrzeug individuell zusammenstellen.
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Die Konstruktion neuer Fahrzeuge ist einfacher, wenn nicht
gleichzeitig neue Reifen oder eine neue Zündung entwickelt werden
müssen. Standardisierung im Back-End und Individualisierung im
Front-End schließen sich daher nicht aus, sondern bedingen sogar
einander.
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Individualisierung
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Auch in der Finanzwirtschaft lassen sich Beispiele für zunehmende
Individualisierung finden: Privatkunden können im stark wachsenden
Online-Banking-Bereich (vergleiche Abbildung 4) die
Anwendungsoberfläche dem persönlichen Geschmack anpassen, bei
Überweisungen kann ein Ausführungsdatum eingegeben werden,
Geldautomaten-Pins sind (bei einigen Instituten wie der Deutschen
Bank) bereits individuell wählbar. Vermögensanlagekunden können auf
Analysetools zurückgreifen, die früher nur institutionellen Kunden
vorbehalten waren.
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Geschäftskunden nutzen verstärkt derivative Instrumente zur
Absicherung von Risiken, die ohne eine immense IT- Leistung im
Hintergrund nicht möglich wären. Unterstützung erhält der Prozess der
Industrialisierung in der Finanzwirtschaft durch die Entwicklungen in
der IT-Branche.
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Hier konnten in Bezug auf Standardisierung und Modularisierung in den
letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden. IT-Dienstleister
bieten zunehmend komplette Services an - ein Trend, der sich in den
nächsten Jahren noch verstärken dürfte.
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Die Kosten für den Betrieb von IT-Systemen machen nach wie vor den
größten Anteil der IT-Kosten einer Bank aus. Bisher wurde nur ein
kleiner Teil dieser Services ausgelagert. Die Frage könnte daher in
Zukunft weniger sein, ob eine Bank IT-Services auslagern möchte,
sondern ob die IT-Branche in der Lage ist, die Nachfrage zu
befriedigen.
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Auch die IT-Branche steht vor großen Veränderungen. Immerhin verlangt
der Betrieb von IT- und Abwicklungsservices (Business Process
Outsourcing) grundlegend andere Geschäftsmodelle als der Vertrieb von
Hard- und Software.
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Erfolgt die Vergütung auf Basis der tatsächlich durchgeführten
Transaktionen, ist der IT-Service-Anbieter unmittelbar am Erfolg des
Geschäfts seiner Kunden beteiligt. Er muss dies in die Kalkulation
seines Stückpreises einbeziehen, über den er am Markt konkurriert. Der
notwendige Veränderungsprozess wird eine gewisse Zeit in Anspruch
nehmen - "time to market" kann hier ein entscheidender Erfolgsfaktor
werden.
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3. Global vernetzter Bankbetrieb
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Das Resultat der Industrialisierung der Bank-IT werden Märkte sein,
auf denen Kreditinstitute standardisierte IT-Services in Form klar
definierter Module erwerben können. Es gibt keinen Grund, warum diese
Märkte lokal auf Länder oder Kontinente beschränkt sein sollten. Nur
wenige Leistungen sind an bestimmte Länder oder Zeitzonen gebunden wie
beispielsweise der Betrieb einer Bankfiliale.
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Back-Office und Support-Services - auch für Kernprozesse - können von
jedem beliebigen Ort der Welt aus geführt werden. Der Transfer der
benötigten Daten über das weltweite Netz ist schon heute nahezu
unbegrenzt zu geringen Kosten möglich. Hat ein Zulieferer in der
klassischen Industrie einen nicht unerheblichen Vorteil durch
geringere Transportkosten, so spielen diese bei IT-Services nahezu
keine Rolle mehr.
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Internationale Ausrichtung
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Die Finanzwirtschaft wird sich deshalb zunehmend international
ausrichten. Dies betrifft sowohl die Zulieferer von IT-Services, als
auch die Aufstellung der von der Bank selbst erbrachten Leistungen.
Dem asiatischen Wachstumsmarkt, allen voran Indien und China, wird
dabei eine besondere Rolle zukommen.
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Der Vorteil der globalen Ausrichtung liegt nicht nur in der Nutzung
internationaler Lohndifferenziale, sondern vor allem im Zugang zu
neuen Innovations- und Wissenspotenzialen. Die konkrete Umsetzung in
der Deutschen Bank beschreibt das Global Sourcing Model (siehe
Abbildung 6).
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Werden Zentren in unterschiedlichen Zeitzonen unterhalten, sind
Ansprechpartner rund um die Uhr verfügbar. Beim Ausfall einer
Produktionsstätte kann die Aufgabe unmittelbar von anderen Zentren
übernommen werden. Ein global vernetztes System wirkt damit auch wie
ein großes, integriertes Back-up-System.
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Operatives Bankgeschäft basiert auf der Verarbeitung von Daten. Der
Zugang zu Daten ist bereits heute in Echtzeit von jedem Ort der Welt
aus möglich. Dabei werden IT-Systeme, Operations und Standort der
Kundenbeziehung räumlich entkoppelt. Deshalb liegt die Zukunft für den
\
Betrieb einer Bank in global vernetzten Strukturen.
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4. "Banking is People ... with a Laptop ... in a global network"
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Wie also wird das Bankgeschäft der Zukunft aussehen? Einerseits wird
die Abwicklung vollständig automatisiert und hochgradig standardisiert
über internationale Netzwerke und unter Einbeziehung externer IT- und
Business-Process-Zulieferer ablaufen.
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Andererseits wird die persönliche Beziehung zwischen Bank und Kunde an
Bedeutung noch gewinnen. Technische Lösungen für
Standarddienstleistungen entlasten diese Beziehung vom Tagesgeschäft
und lassen Raum für die Konzentration auf die wirklich wichtigen
Fragen der Finanzplanung. Lösungen werden immer stärker auf den
persönlichen Bedarf zugeschnitten. Eine Vielzahl unterschiedlicher
Produkte ermöglicht individuelle Lösungen. Die Rolle des Bankberaters
wird es sein, die Bedürfnisse der Kunden zu erfassen und in geeignete
Produkte umzusetzen.
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Ulrich Weiss, der als Vorstand der Deutschen Bank auch für das
Personalressort verantwortlich zeichnete, hat dies treffend so
beschrieben: "Bei aller Technik, bei aller Rationalisierung, das
Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Bankmitarbeiter wird stets im
Mittelpunkt aller bankgeschäftlichen Bemühungen stehen." Kurz gesagt:
"Banking is People".
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Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Nur wird der Bankberater
die Beratung in immer stärkerem Maße mit unmittelbarer Unterstützung
der Informationstechnologie vornehmen. Technik wird so zum
alltäglichen Arbeitsmittel, das für den Kunden neue Dimensionen
öffnet. So wie ein Architekt das neue Heim virtuell vor den Augen der
Bauherren entstehen lässt, kann der Berater auf seinem Laptop ein
"Finanzgebäude" erzeugen, in dem alle Varianten virtuell durchgespielt
und optimale Lösungen konstruiert werden können. In Zukunft heißt es
dann vielleicht: "Banking is People ... with a Laptop ... in a global
network".

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