Zahlungsverkehr

Bargeldrecycling bleibt wichtig

Bei der anspruchsvollen Überschrift "Innovationen und Visionen im Zahlungsver kehr" denken sicher alle zusammen zuallererst an das Kartengeschäft und neue Technologien, wie NFC oder e- und m-Payments - aber ganz bestimmt nicht an das gute alte, "langweilige" Bargeld. Und wenn man doch an Bargeld denkt, dann sicher zuerst an Banknoten und weniger an Münzen. Dabei ist es gerade mal einhundert und ein Jahr her, dass Banknoten - genauer Reichsbanknoten - gesetzliches Zahlungsmittel wurden (1. Januar 1910). Die damals ausgegebenen Banknoten enthielten noch den wichtigen Hinweis, dass ihr Besitzer sie gegen Goldmünzen eintauschen könne. Beispielsweise: "Die Frankfurter Bank bezahlt gegen diesen Bankschein Hundert Mark in barem Gelde." Wie man sieht, wurde den neuen Banknoten zunächst wenig Vertrauen entgegen gebracht, dies hat sich zwischenzeitlich grundlegend geändert.

Ein Blick auf das reale Zahlungsverhalten der Deutschen zeigt (siehe Abbildung 1), dass Deutschland nach wie vor vornehmlich ein Barzahlungsland ist. Nach langem Anlauf ist es im letzten Jahr erstmals gelungen, den Barzahlungsanteil am Umsatz im deutschen Einzelhandel unter die 60-Prozent-Grenze zu drücken. Gemessen an den Transaktionszahlen sind es nach aktuellen Informationen des Handels sogar immer noch 82,5 Prozent Barzahlungen. Insbesondere kleine und mittlere Beträge bis 20 Euro beziehungsweise bis 50 Euro werden dabei von den Kunden weiterhin nahezu ausschließlich beziehungsweise ganz überwiegend bar bezahlt. Der Kartenzahlungsanteil am Handelsumsatz beträgt aktuell 37,4 Prozent und wird auch in der nahen Zukunft sicherlich weiter zunehmen. Allerdings ist hier auch weiterhin eine eher evolutionäre und keine revolutionäre Entwicklung mit moderaten Wachstumsraten von maximal ein bis zwei Prozentpunkten im Jahr zu erwarten.

Dementsprechend wird das Bargeld auch in der absehbaren Zukunft noch ein sehr wesentliches Bezahlmedium bleiben, wofür auch weiterhin eine entsprechende Infrastruktur benötigt wird. Dabei ist die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Abwicklung des Barzahlungsverkehrs gemäß § 3 Bundesbankgesetz ein öffentlicher Auftrag, der der Deutschen Bundesbank übertragen worden ist. Hierzu unterhält sie ein Netz aus Hauptverwaltungen und Filialen in den Regionen.

Kompensation der steigenden Kosten gewünscht

Im April 1992 gab es im wiedervereinigten Deutschland noch knapp 200 Niederlassungen. Diese wurden aus Kostengründen auf heute 47 reduziert. Zudem plant die Bundesbank bis zum Jahr 2015 die Schließung weiterer 13 Filialen, sodass dann nur noch 34 Niederlassungen verbleiben werden. Dieser Rückzug der Bundesbank aus der Fläche bei der Bargeldver- und -entsorgung führt für die Kreditwirtschaft zu steigenden Bargeldhandlingkosten. Daran wird wohl auch die geplante neue Filiale Rhein-Ruhr nichts ändern können.

Um die steigenden Kosten zu kompensieren, könnte die Bundesbank aber durchaus Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel die Anrechnung der Bargeldbestände auf die Mindestreserve oder die Auslagerung von Bargeldbeständen an ausgewählte Partner. Dieses sogenannte "Notes-held-to-order" wird bereits seit 1982 von der Bank of England praktiziert und wurde auch schon von anderen europäischen Notenbanken übernommen. Hiermit würde ein fairer Interessenausgleich mit der Kreditwirtschaft erreicht, angesichts der realistischerweise nicht mehr umkehrbaren Festlegung der Deutschen Bundesbank auf das strategische Ziel, sich selbst in wesentlichen Teilen aus dem Bargeldrecycling zurückzuziehen und zirka 50 Prozent hiervon dem freien Marktgeschehen zu über lassen.

Zum Stichtag im Mai keine Zulassungen bei der BaFin

Um dieses strategische Ziel erreichen zu können, müssen allerdings auch die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sein. So benötigen private Wertdienstleistungsunternehmen nach dem ZAG, dem neuen Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz, für die Durchführung des Bargeldrecyclings spätestens seit dem Ablauf der von der BaFin bis zum 1. Mai dieses Jahres eingeräumten Übergangsfrist eine entsprechende Zulassung seitens der BaFin. Zwar haben drei deutsche Werttransportunternehmen bereits im Herbst 2010 eine Zulassung bei der BaFin beantragt. Gleichzeitig war damals aber schon absehbar, dass sich diese Zulassungsverfahren wohl sehr langwierig gestalten würden. So lag tatsächlich zu dem festgelegten Stichtag am 1. Mai 2011 keine einzige positive Zulassungsentscheidung seitens der BaFin vor.

Um die Versorgungssicherheit der Mitgliedsbanken und ihrer Firmenkunden mit Bargeld auch weiterhin gewährleisten zu können, hat sich daher die genossenschaftliche Finanzgruppe frühzeitig dazu entschieden, eigene marktwirtschaftliche Bargeldver- und entsorgungslösungen aufzubauen. Dabei ist das Bargeldrecycling ein Massengeschäft. Im letzten Jahr betrug der Gesamtwert der im Euroraum umlaufenden Banknoten mehr als 800 Milliarden Euro, davon allein in Deutschland etwa 367 Milliarden Euro. Ein großer Teil der im Umlauf befindlichen Euro-Banknoten wird mehrfach recycelt, auch durch private Bargeldakteure.

In Deutschland wurden Banknoten im Wert von 240 Milliarden Euro durch die Kreditinstitute recycelt und an die Kunden wieder ausgezahlt, etwa 45 Milliarden Euro über Geldautomaten und 195 Milliarden über die Kassenschalter der Banken. Das entspricht einer Recyclingquote von etwa 36 Prozent, gemessen am jährlichen Bargeldrecycling-Gesamtvolumen von 670 Milliarden Euro. Man kann also mit Recht sagen, dass die deutsche Kreditwirtschaft heute schon einen wesentlichen Beitrag zum gut funktionierenden Bargeldkreislauf in Deutschland leistet und der Zielsetzung einer 50-prozentigen privaten Bargeldrecyclingquote bereits recht nahe kommt.

Bei den von den beiden genossenschaftlichen Zentralbanken, der DZ Bank und WGZ Bank, jeweils in enger Zusammenarbeit mit ausgewählten Wertdienstleistern entwickelten Lösungen zur Optimierung der Bargeldlogistik galt es zunächst, die wesentlichen Prozesse zu analysieren. Dabei waren hohe Anforderungen zu erfüllen (siehe Abbildung 2). Denn die Bankkunden erwarten zu Recht, dass sie von ihrer Bank stets und überall Bargeld bekommen. Hierzu muss man wissen, dass in den derzeit 54 000 Geldautomaten der Kreditwirtschaft etwa sieben Milliarden Euro liegen. Und auch wenn das Zinsniveau im Moment historisch niedrig ist, sind das doch recht erhebliche Kapitalbindungskosten. Ganz zu schweigen von der logistischen Aufgabe, die Banknoten immer in der benötigten Menge und der gewünschten Stückelung für die Kunden bereitzuhalten.

Daher müssen die Rolle und - fünf Jahre nach der Heros-Krise - auch die Überwachung der Wertdienstleister ein integraler Bestandteil einer jeden Lösung sein, da sie sonst von den gewerblichen Kunden nicht angenommen würde. Die Auswahl der geeigneten lokalen Wertdienstleistungspartner erfolgt durch die jeweilige genossenschaftliche Zentralbank, und zwar nach strengen Kriterien, deren Einhaltung durch eine zentrale Prozessführung genau überwacht wird. Damit sollen eventuelle Unregelmäßigkeiten frühzeitig erkannt werden.

WGZ Bank kooperiert mit den regionalen Sparkassen

Die Lösung der DZ Bank war dabei das erste Modell am Markt, das eine Bestätigung der BaFin und der Bundesbank vorweisen konnte. Die wesentlichen Gründe hierfür sind die rechtliche Absicherung gemäß KWG und die seitens der DZ Bank praktizierte Haftungsübernahme. In der Praxis bedeutet dies, dass ein Geschäftsinhaber, der seine Tageseinnahmen vom Wertdienstleister abholen lässt, bereits mit der Übergabe des Geldes auch die Verantwortung - sprich das Risiko - abgibt. Wann das Bargeld dann zu Buchgeld wird, ist ein Teil der Konditionen, die im Rahmen der Vertragsgestaltung mit dem Firmenkunden ausgehandelt werden. Eine Besonderheit bei dem Modell der WGZ BANK ist die Kooperation mit den regionalen Sparkassen, wodurch eine große Marktabdeckung in der Region erreicht wird. Das Angebot wird bereits von 170 Kreditinstituten genutzt. Die Kooperation bietet eine umfassende Unterstützung in allen Bereichen der Bargeld-Logistik; von der Versorgung mit Wechselgeld, der Beschaffung von Sorten und Edelmetallen bis hin zur Entsorgung der Bareinnahmen. Durch eine verpflichtende Kommunikationsvereinbarung mit allen Teilnehmern wird sichergestellt, dass eventuelle Vorkommnisse umgehend an eine zentrale Stelle gemeldet werden.

Münzdepots bei zertifizierten Wertdienstleistern

Im Bereich des Münzgeldrecyclings haben sich bekanntlich zum Jahresbeginn die Konditionen der Bundesbank entscheidend verändert. Als entgeltfreie Standard-Dienstleistung erfolgt die Abgabe und Entgegennahme von Bargeld nun ausschließlich noch in sortenreinen Normcontainern. Dies stellt sowohl eine enorme logistische Herausforderung dar, denn mit einem Gesamtgewicht von 5,2 Tonnen für einen Normcontainer mit allen acht Stückelungen ergeben sich ganz erhebliche Anforderungen an die Transporteure. Nicht zu vergessen ist auch die erhebliche Kapitalbindung, die mit 314 000 Euro für alle acht Stückelungen zu Buche schlägt.

Der Bezug anderer Stückelungen bei der Bundesbank ist zwar weiterhin möglich, aber mit hohen Gebühren belastet. Auf diese Veränderungen hat die genossenschaftliche Finanzgruppe mit Lösungen reagiert, indem bei einigen ihrer zertifizierten Wertdienstleister Münzdepots geschaffen wurden. Daraus werden die Mitgliedsbanken und deren Geschäftskunden bedient, und zwar in der von ihnen gewünschten Stückelung. Zudem können die Geschäftskunden ihre Münzgeldbestände in diese Depots entsorgen. Auch wenn der Begriff "Entsorgung" schon lange in der Branche in Gebrauch ist, wäre es doch einmal eine Überlegung wert, ob sich hierfür nicht ein etwas kundenfreundlicherer Begriff finden ließe, der nicht danach klingt, als würde das Geld der Kunden auf eine Deponie verbracht.

Eine weitere stark technik-basierte Lösung der genossenschaftlichen Finanzgruppe für ihre Kunden ist der Einzahlungstresor. Diese Lösung ist insbesondere ein Angebot für Firmenkunden, die ihre Tageseinnahmen nicht mehr spät abends vom Wertdienstleister abholen lassen oder über mehrere Tage kumulieren wollen. Als Besonderheit ist hier zu erwähnen, dass der Haftungsübergang auf die Bank bereits mit der Einzahlung durch den Kunden stattfindet. Das Geld bleibt im Haus, aber die Verantwortung ist abgegeben. Selbstverständlich ist nach Einwurf des Geldes in den Tresor ein Zugriff nur noch durch den abholenden Wertdienstleister möglich. Für diese Lösung gibt es einen gemeinsamen Vertrieb der beiden genossenschaftlichen Zentralbanken. Die Konditionen können mit den Kunden individuell vereinbart werden. In der Praxis nehmen die Firmenkunden diese Lösung zur schnellen Bargeldentsorgung sehr gut an.

Pilotprojekt einer Volksbank mit Wincor Nixdorf

Aufbauend auf den bereits bestehenden Lösungen stellt sich die genossenschaftliche Finanzgruppe aber auch technischen Weiterentwicklungen beim Bargeldrecycling. So untersucht die Volksbank Pader-born-Höxter-Detmold derzeit in einem vom BVR begleiteten Pilotprojekt gemeinsam mit dem Hersteller Wincor Nixdorf, wie sie als Regionalbank den von der Bundesbank geforderten privaten Bargeldkreislauf möglichst optimal für sich und ihre Handelskunden vor Ort organisieren kann. Dazu wird eine neu entwickelte Technologie genutzt, nämlich die universell in unterschiedlichen Gerätetypen, wie zum Beispiel Geldautomaten, Automatischen Kassentresoren oder Einzelhandelskassen, wiederverwendbare Geldkassette. Dadurch ist es beispielsweise möglich, die Einnahmen im Einzelhandel ohne vorherige Kassenaufnahme später wieder an Bankkunden am Geldautomaten auszuzahlen. Bei diesem neuartigen Kassettentyp wird jede einzelne Transaktion genau protokolliert.

Für den ersten Schritt in diesem Pilotprojekt plant die Volksbank die Ausstattung ihrer neuen Hauptstelle in Paderborn mit der neuen Kassettentechnologie. In unmittelbarer Nähe befinden sich diverse Händler, die als Kunden der Volksbank im nächsten Schritt in den Bargeldkreislauf einbezogen werden sollen. Die Vision ist der Aufbau eines Cash Centers, das alle Beteiligten am Ort mit dem benötigten Bargeld versorgt und damit die Funktion der früheren Bundesbank-Niederlassung vor Ort komplett übernimmt. Diese Lösung hat für beide Seiten - die Volksbank sowie den örtlichen Einzelhandel - umfassende Vorteile: eine Erhöhung der Sicherheit, die Reduktion der Bargeldbestände sowie der Kosten der Bargeldverarbeitung und eine damit einhergehende größere Transparenz der verfügbaren Bargeldbestände. Darüber hinaus ist ein derartiges regionales Bargeldversorgungsangebot für die Volksbank selbstverständlich auch ein Instrument, um ihre Handelskunden noch stärker an sich zu binden.

Fassen wir zusammen: Die genossenschaftliche Finanzgruppe ist für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen beim Bargeldrecycling gut aufgestellt und bietet eine ganze Reihe von wettbewerblich orientierten Dienstleistungen. Und sie tut dies insbesondere auch in der Fläche, mit 1138 Mitgliedsbanken, fast 14000 Bankstellen und 19000 Geldautomaten. Die Unterhaltung einer solchen Infrastruktur kostet natürlich Geld. Die Forderung einiger Marktteilnehmer, die Dienstleistungen rund ums Bargeld quasi kostenlos anzubieten, ist daher nicht nachvollziehbar.

Wird Deutschland im Jahr 2025 immer noch ein Barzahlungsland sein? Das Kartengeschäft könnte dem Bargeld seinen Spitzenplatz streitig machen, nicht zuletzt dank Innovationen wie der kontaktlosen Chipkarte. Dem steht allerdings eine zunehmende staatliche Regulierungsdichte gegenüber, die zumindest für die Kartenemittenten mit sinkenden Erträgen verbunden sein wird. Dies schwächt den von den internationalen Kartensystemen ausgerufenen "war on cash". Der Marktanteil von Kartenzahlungen wird sich damit nur moderat weiterentwickeln.

Bargeld verliert nur moderat an Bedeutung

Aber stehen dafür nicht bereits wieder neue Zahlverfahren auf Basis innovativer Technologien bereit, wie beispielsweise Mobile Payments oder internetbasierte Lösungen? Auch hierfür erwarte ich in den nächsten Jahren noch nicht den ganz großen Durchbruch, da einzelne Herausforderungen, wie zum Beispiel ein zufriedenstellender Business Case für alle Beteiligten, eine anhaltend hohe Sicherheit bei grundsätzlich offenen Plattformen sowie eine hohe Verfügbarkeit und Bequemlichkeit für die Nutzer, erst gelöst werden müssen.

Parallel werden die Bargeldkreisläufe durch neue technische Prozesse und Innovationen künftig effizienter und damit kostengünstiger gestaltet werden können. Und der Wettbewerb im Firmenkundengeschäft wird dazu führen, dass die Bargeldversorgung ein stärker beachteter Serviceparameter wird.

Meine Antwort auf die Frage nach dem Stellenwert des Bargelds 2025 fällt also grundsätzlich positiv aus. Sicherlich wird Bargeld weiterhin - moderat - an Bedeutung verlieren, aber trotzdem nach wie vor noch einen wichtigen Platz in den Portemonnaies der Deutschen und im Zahlungsmittelmix einnehmen.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim Symposium "Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2011" der Deutschen Bundesbank.

Dr. Andreas Martin , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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