Mittelstandsgeschäft

Basel III: Das Rating wird wichtiger

Als Reaktion auf die globale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise, die 2008 ausbrach, einigten sich die größten Wirtschaftsnationen (G20) auf eine strengere Regulierung der Kreditinstitute. Die in ihrem Auftrag vom Baseler Ausschuss ausgearbeitete neue Bankenregulierung Basel III soll die Stabilität der einzelnen Institute und des Finanzsystems insgesamt sicherstellen, ohne gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Kreditinstitute über Gebühr einzuschränken.

Basel III ist ohne Zweifel das Kernstück im Kanon der neuen Finanzmarktregulierung. Diese umfasst neben vielen anderen Maßnahmen noch eine europäische Verordnung zur Regulierung der Derivatemärkte (EMIR), Vorgaben zur Abwicklung von Banken oder das deutsche Trennbankengesetz. Aus heutiger Sicht lässt sich nicht genau abschätzen, welche (kumulative) Wirkung die einzelnen Maßnahmen womöglich entfalten werden und welche nicht-beabsichtigten Folgen eintreten können. Die Auswirkungen auf das Bankensystem, auf den Finanzsektor und schließlich auf die gesamte Wirtschaft wird man über die nächsten Jahre aufmerksam beobachten müssen.

Bevor der Gesetzgeber zu immer neuen Maßnahmen greift, sollte er die bestehenden wirken lassen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich jedoch sagen, dass durch Finanzmarktkrise und neue Bankenregulierung die Refinanzierung der Banken selbst schwieriger und teurer geworden ist, was ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe an den Mittelstand beeinflusst.

Rückblick: Finanzkrise und Krisenmaßnahmen

Mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 kam es zu einem bis dahin nicht gekannten Vertrauensverlust der Banken untereinander. Da sich die Banken insbesondere in Europa und den USA untereinander kaum noch Geld liehen, brach der sogenannte Interbankenmarkt zeitweise zusammen.

Um einen Kollaps des Bankensystems zu verhindern (der nicht zuletzt auch die Renten und Spareinlagen getroffen hätte), sahen sich die Regierungen gefordert, mit entsprechenden Stützungsmaßnahmen für einzelne Banken zu reagieren. Insgesamt waren diese Maßnahmen erfolgreich: Ein Zusammenbruch wurde verhindert. In vielen Fällen wurden die Gelder von den Banken bereits an die jeweilige Regierung und damit an die Steuerzahler zurückgezahlt.

Parallel zu diesen Krisenmaßnahmen einigten sich die Regierungen der G20 auf ihren Treffen in den Jahren 2008 und 2009 auf die Entwicklung neuer gemeinsamer Regeln für das Bankgeschäft, um das Finanzsystem weltweit besser gegen zukünftige Krisen zu sichern. Das Ende 2010 vom Baseler Ausschuss vorgelegte Regelwerk wurde inzwischen in Europa in verbindliches Recht umgesetzt:

Zum 1. Januar 2014 treten eine Verordnung und eine Richtlinie, das sogenannte CRD IV-Paket (CRD steht für Capital Requirements Directive), in Kraft. Dieses soll schrittweise bis 2018 umgesetzt werden und lässt sich in zwei Teile gliedern: Neue Liquiditätsvorschriften auf der einen und erweiterte Eigenkapitalregeln auf der anderen Seite.

Erstmals internationale Liquiditätsregeln

Mit seinen erstmals internationalen Liquiditätsregeln verfolgt der Baseler Ausschuss das Ziel, dass Banken zukünftig auch in extremen Stresssituationen über ausreichend Liquidität verfügen, um einen bestimmten Zeitraum ohne externe Refinanzierung zahlungsfähig zu bleiben. Dadurch soll die Abhängigkeit der Refinanzierung der Banken vom Interbankenmarkt reduziert werden. Banken müssen künftig insbesondere die Anforderungen folgender zwei Überwachungskennziffern erfüllen:

Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) soll dafür sorgen, dass Banken in extremen Stresssituationen zumindest für die nächsten 30 Tage ausreichend liquide Aktiva vorhalten und dadurch sicher zahlungsfähig bleiben.

Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) verfolgt das Ziel, dass illiquide Aktiva - dazu gehören auch Firmenkredite - der Bank mindestens für die nächsten zwölf Monate durch stabile Finanzierungsquellen refinanziert werden. Die EU-Kommission verwendet innerhalb des CRD IV-Pakets den Begriff "Stable Funding Requirement" anstelle der NSFR.

Auch wenn die neuen Liquiditätsvorschriften stufenweise eingeführt werden, entfalten sie schon heute ihre Wirkung. Denn die Banken (insbesondere die börsennotierten Gesellschaften) werden investorenseitig bereits zur Einhaltung der Kennziffern gedrängt. Dies gilt insbesondere für Kredite, deren Laufzeit erst nach Einführung der NSFR endet.

Beide Vorgaben führen dazu, dass Banken in Zukunft über mehr liquide Vermögenswerte verfügen müssen. Damit erhöht und verändert sich ihr eigener Finanzierungsbedarf erheblich, was zu höheren (Refinanzierungs-)Kosten führt und die Erlössituation insgesamt belastet. Zugleich wird die Möglichkeit zur Fristentransformation (das heißt die Umwandlung kurzfristiger Einlagen in langfristige Kredite) eingeschränkt.

Verteuerung langfristiger Kredite

Folge aus Unternehmenssicht ist eine Verteuerung und gegebenenfalls Verknappung des Angebots langfristiger Kredite. Angesichts der Tatsache, dass rund 66 Prozent aller Kredite an inländische Unternehmen Laufzeiten von mehr als fünf Jahren aufweisen, kommt den Liquiditätsvorgaben eine herausragende Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund wird eine solide Finanzplanung für Unternehmen immer wichtiger. Zwar können Unternehmen ihre mittel- und langfristigen Investitionen auch über kurzfristige Darlehen finanzieren, doch müssten sie damit das Zinsänderungs- sowie das Prolongationsrisiko übernehmen, was noch höhere Anforderungen an die Unternehmensplanung und Finanzkommunikation stellt.

Eine Alternative kann die Optimierung der Eigenfinanzierung sein. Für kleine und mittlere Unternehmen lohnt es sich, die Hereinnahme von Beteiligungskapital in Betracht zu ziehen. Je höher die Eigenbeteiligung an der Finanzierung langfristiger Investitionen, desto günstiger wird zudem die Aufnahme von zusätzlich benötigtem Fremdkapital.

Für kleine wie große Unternehmen bietet sich zudem die Einbindung von Fördermitteln in den Finanzierungsmix an. Die Aufgabe der Bank als Kreditgeber wird damit zunehmend ergänzt durch eine intensive Beratung des Unternehmens bei der Optimierung seiner Finanzplanung.

Neue Eigenkapitalanforderungen und der "Mittelstandskompromiss"

Im CRD-IV-Paket wird der risikobasierte Ansatz der Vorgängerrichtlinien richtigerweise im Grundsatz aufrechterhalten: Je höher das Risiko eines Kreditnehmers, desto mehr Eigenkapital muss für die Kreditaufnahme vorgehalten werden. Mit der neuen Regulierung werden nun das verpflichtend vorgeschriebene Niveau (mindestens 10,5 Prozent zuzüglich interner Puffer statt bisher acht Prozent und die Qualität des durch die Banken vorzuhaltenden Eigenkapitals erheblich gesteigert.

Vereinfacht gesprochen heißt das: Pro verliehenen 100 000 Euro müssen bei unbesicherten Unternehmenskrediten mit durchschnittlicher Bonität 10 500 Euro (statt bisher 8 000 Euro) Eigenkapital nachgewiesen werden können. Damit steigt die Kapitalanforderung der Bank unabhängig von der Bonitätsbewertung des Unternehmens um ungefähr ein Drittel.

Allerdings kann an dieser Stelle eine gewisse Entwarnung gegeben werden: In der europäischen Umsetzung von Basel III werden die Kapitalanforderungen für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) durch einen sogenannten Adjustierungsfaktor deutlich gesenkt und bleiben damit gegenüber Basel II quasi unverändert. Voraussetzung dafür ist, dass der Kreditnehmer einen Umsatz von weniger als 50 Millionen Euro im Jahr aufweist und die Forderungen bei der Bank gegen diesen Kreditnehmer 1,5 Millionen Euro nicht übersteigen. Man spricht hier von dem sogenannten "Mittelstandskompromiss".

Zentrales neues Element von Basel III ist die "Leverage Ratio", eine Verschuldungskennziffer, welche die Kreditinstitute ab 2014 als Beobachtungsgröße an die zuständigen Behörden melden müssen und die möglicherweise ab 2018 verbindlich wird. Die Leverage Ratio ist abhängig vom Kernkapital der Bank, aber unabhängig von der Risikoeinstufung der einzelnen Kredite.

Die nominelle Summe aller Aktiva einer Bank einschließlich aller außerbilanziellen Positionen darf zukünftig das 33-fache des harten Kernkapitals nicht übersteigen. Wenn eine Bank diese Schwelle zu überschreiten droht und sie nach Wegen sucht, ihre Aktiva zu reduzieren, ist davon auszugehen, dass sich die Vorgaben nachteilig für volumensstarkes, zugleich aber risikoarmes (und daher meist auch margenarmes) Geschäft auswirken. Hierzu zählen in der Unternehmensfinanzierung insbesondere die kurzfristige Handelsfinanzierung sowie die mittel- bis langfristige staatlich gedeckte Exportfinanzierung (Hermes-Deckungen).

Der klassische unbesicherte Unternehmenskredit gilt indes nicht als risikoarm. Hermes-gedeckte Kredite würden - wie alle anderen bilanziellen und außerbilanziellen Positionen - zu 100 Prozent in die Berechnung der Quote eingehen und verlören damit für diese Berechnung den Vorteil der staatlichen Deckung, die den Kredit für die Bank bis auf einen Selbstbehalt weitgehend risikofrei stellt. Für die kurzfristige Handelsfinanzierung, zum Beispiel Akkreditive und Garantien verständigte sich der europäische Gesetzgeber auf eine Erleichterung, wonach diese nur zu 20 oder 50 Prozent in die Leverage Ratio einbezogen werden müssen.

Unternehmensrating gewinnt an Bedeutung

Den Finanzinstituten stehen grundsätzlich drei verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, das durch die Regulierung geforderte Mehr an Eigenkapital aufzu bauen.

Zum einen können sie Gewinne einbehalten, anstatt sie auszuschütten.

Zum anderen ist eine Kapitalerhöhung möglich.

Drittens lässt sich die Eigenkapitalquote steigern, indem nicht Eigenkapital auf-, sondern Risikoaktiva abgebaut werden: das sogenannte Deleveraging.

Natürlich ist auch eine Kombination dieser Maßnahmen denkbar und ist in den meisten Fällen auch die wahrscheinliche Reaktion der Bank.

In jedem Fall ist zu erwarten, dass Kredite zukünftig noch stärker risikoabhängig bepreist werden, das heißt, die Bonität des Kunden - sein Rating - gewinnt weiter an Bedeutung. Die Banken werden nach Einschätzung des Bankenverbandes höhere Erwartungen an ihre Kunden haben, insbesondere mit Blick auf deren Eigenkapitalausstattung und auf die zur Verfügung zu stellenden Sicherheiten. Im Rahmen der Finanzkommunikation wird die frühzeitige, regelmäßige und angemessene Aufbereitung von Finanzdaten der Unternehmen vorausgesetzt. Die bereitgestellten Kreditlinien werden voraussichtlich passgenauer berechnet und enger am tatsächlichen Bedarf des einzelnen Kreditnehmers ausgerichtet.

Perspektiven für die Unternehmensfinanzierung

Ein ganz zentraler Aspekt bleibt derweil unverändert: Die Banken stehen weiterhin miteinander im Wettbewerb um die mittelständischen Kunden. Die Preisbildung bei der Kreditvergabe folgt also nicht nur den Kosten, die der Bank entstehen, sondern auch der Nachfrage der Kunden und dem Angebot der anderen Banken. Bislang hat sich dies stets positiv für die Unternehmenskunden ausgewirkt.

Die Finanzkrise hat bisher keine negativen Konsequenzen auf die Finanzierung der Unternehmen in Deutschland gehabt. Trotz starker Befürchtungen gab es keine Kreditklemme. Auch der sich anschließende Wirtschaftsaufschwung wurde von den Banken problemlos finanziert, obschon sich diese bereits auf die avisierten Regulierungsmaßnahmen vorbereiten mussten.

Heute ist die Lage der Unternehmensfinanzierung - auch angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus - äußerst günstig. Für diese Stabilität sorgen sowohl die Firmenkunden als auch die Banken.

Auf der einen Seite sind die Unternehmen mit Blick auf ihre Finanzstrukturen in guter Verfassung. Im Zuge der Einführung von Basel II haben viele Mittelständler ihre Finanzierung den neuen Anforderungen entsprechend - Stichwort Ratingkommunikation - verbessert und vor allem ihre Eigenkapitalquote in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Stabile Kundenbeziehungen sind auch aus Sicht der Banken ein wesentlicher Bestandteil der Geschäftsmodelle. Das Firmenkundengeschäft zählt zum Kernbereich ihrer Aktivitäten.

Zugleich zeichnet sich ab, dass die starke Abhängigkeit von Bankkrediten etwas zurückgeht. Die Unternehmen haben in den Jahren 2011, 2012 und im ersten Halbjahr 2013 ihre Innenfinanzierung verstärkt und dafür bei den Banken weniger Kredit nachgefragt, als mit Blick auf die Konjunktur zu erwarten gewesen wäre. Für die Bank gewinnt unterdessen die Aufgabe, dem Kunden über den Kredit hinaus eine umfassende Finanzierungsleistung und -beratung anzubieten, die beispielsweise auch Absicherungen und alternative Finanzierungsquellen integriert, weiter an Bedeutung.

Aus heutiger Sicht ist die Unternehmensfinanzierung in Deutschland stabil und wird es bleiben. Die eigentliche Prüfung steht allerdings noch aus, nämlich dann, wenn die verschiedenen Regulierungsmaßnahmen ihre Wirkung entfalten. Gleichwohl spricht im Grunde alles dafür, dass die enge und starke Bank-Firmenkunden-Beziehung auch das nächste Konjunkturtief und die nächste Regulierungswelle überbrückt. Hierfür war bereits Basel II ein gutes Indiz. Diese Beziehung ist zum Vorteil für beide Seiten, und sie wird es gerade angesichts der Veränderungen und neuen Herausforderungen auch bleiben.

Weitere Informationen zum Thema sowie praktische Tipps für Unternehmer bietet die Broschüre fokus:unternehmen "Folgen von Basel III für den Mittelstand" des Bankenverbandes.

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