Bankmanagement- Glossar

Blueprinting

Blueprinting ist ein entscheidungsunterstützendes Instrument, um den Kundenprozess bei Dienstleistungen sichtbar zu machen und die Qualitätskontrolle, -variation und -innovation zu verbessern. In grafischer Form stellt es eine Abbildung des Service- oder Dienstleistungsprozesses und der Wahrnehmungspfade der Kunden dar.

Da Kunden vor, während und nach einem Dienstleistungsprozess bestimmte Erlebnisse als besonders qualitätsrelevant einstufen, hilft das Blueprinting, diese zu analysieren. Unter dem Moment of Truth, dem Augenblick der Wahrheit, versteht man "any episode in which the customer comes into contact with any aspect of the organization and gets an impression of the quality of its service". Diese Kontaktpunkte spielen im Dienstleistungsprozess aufgrund der Intangibilität der Leistungen eine besondere Rolle für die Qualitätswahrnehmung. Die Mitwirkung des Kunden (sogenannte Kundenintegration) ist für den Anbieter erforderlich, wirft aber gleichzeitig Probleme auf: Kunden wollen und können nicht immer mitwirken, wollen manchmal in stärkerem Maße mitwirken, als der Anbieter es vorausgesehen hat, und greifen dadurch in die Arbeitsabläufe ein.

Der Prozess der Erstellung eines Blueprinting läuft nach folgendem Grundschema ab: Auswahl einer Dienstleistung, für die ein Blueprinting erstellt werden soll; Identifizieren der Zielgruppe; Entwicklung eines Ablaufplans bezogen auf den gesamten Prozess aus Sicht der Kunden (beginnend mit dem Erstkontakt bis zur Inanspruchnahme der Dienstleistung). Wichtig ist, dass mit dem allerersten Kontakt begonnen wird, also zum Beispiel einem Trefferergebnis einer Internet-Suchmaschine, da bereits Fehler bei einem einzigen Kontaktpunkt starke Auswirkungen auf die weitere Inanspruchnahme haben können. Das erstellte Diagramm sollte überschaubar dargestellt werden. Es sollten tatsächliche Kunden gebeten werden, den erlebten Ablauf zu beschreiben. Auch positive oder negative Eindrücke können geschildert werden.

Wer Kundenkontaktsituationen analysieren will, muss also zuerst die Punkte identifizieren, bei denen eine direkte Interaktion zwischen Personal und Kunden erfolgt.

Empirisch belegt ist, dass die Verhaltensweisen des Personals für das Erleben einer Dienstleistung von entscheidender Bedeutung sind. Die gilt nicht nur für persönlich stark interaktive Dienstleistungen, sondern auch für Unternehmensbereiche mit teilweise hochstandardisiertem Dienstleistungsangebot, wie bei Banken und Versicherungen.

Im Rahmen der Kontaktpunktidentifikation erfolgt die Erfassung der Interaktionen mit dem Kunden. Dabei wird von einem prozesshaften Qualitätsverständnis ausgegangen. Die im Blueprinting erstellte Grafik zeigt die verschiedenen Phasen des Prozesses an. Durch das Verfahren wird die Dienstleistung in ihre Einzelbausteine "zerlegt". Jede Phase wird in Sequenzen gegliedert und der Ablauf dokumentiert, wobei der Prozess aus Kundenperspektive visualisiert wird. Eine Line of Visibility veranschaulicht die für die Konsumenten sichtbaren Teile des Dienstleistungsprozesses und die jeweiligen Kundenkontaktpunkte ("Encounter Points"). Die Line of Visibility zeigt an, welche Prozessschritte vom oder im Beisein des Kunden erfolgen und welche Bereiche für den Kunden sichtbar sind. Hier muss sich das Unternehmen überlegen, welche Aktivitäten der Kunde sehen soll und welche nicht. Was der Kunde sieht, kann er bewerten. Daher sollten nur solche Prozesse sichtbar gemacht werden, bei denen das Unternehmen sich profilieren kann.

Es gibt verschiedene Erweiterungsmöglichkeiten des Blueprinting. So kann die Identifikation der Augenblicke der Wahrheit durch eine quantitative Erhebung der Interaktionen (Kundenanrufe, Kundenbesuche oder ausgehende Briefe) ergänzt werden, um Aufschluss über die jeweiligen Häufigkeiten zu erhalten. Durch eine Hochrechnung der Kontaktpunktzahlen kann deren quantitative Relevanz ermittelt werden. Sie bietet eine objektivierbare Grundlage, welchen Kontaktpunkten wie viel Aufmerksamkeit gewidmet werden soll. Eine weitere methodische Erweiterung kann im Hinblick auf eine Bewertung der Prozessschritte aus Kundensicht erfolgen. Dazu werden Kunden im Rahmen persönlicher Interviews gebeten, den Ablauf ihres Dienstleistungserlebens noch einmal gedanklich-emotional durchzugehen und in den einzelnen Augenblicken der Wahrheit detailliert zu schildern. Mit Hilfe offener strukturierter Interviews wird bei jeder Kundenkontaktsituation nach dem wahrgenommenen Ablauf, Empfindungen und Beurteilungen gefragt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Blueprinting eine Methode darstellt, Schwachstellen und Reibungsverluste sichtbar zu machen. Es kann Finanzdienstleistern helfen, kundenbezogene Abläufe besser zu verstehen und kundenorientierter zu gestalten. Vor dem Hintergrund der Imageprobleme und dem Ziel des Beziehungsaufbaus sollte jeder ermittelte Kontaktpunkt genutzt werden, Vertrauen aufzubauen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Mana gement der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
Noch keine Bewertungen vorhanden


X