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Braucht Deutschland eine Frauenquote?

"Ich halte eine verbindliche gesetzliche Regelung für notwendig"

Von Uwe Foullong - Um es gleich vorweg zu betonen: Die Frauenquote ist keine Ideologie, sondern ein notwendiges Instrument für eine angemessene Berücksichtigung von Frauen in Führungspositionen.

Deshalb halte ich eine verbindliche gesetzliche Regelung für notwendig. Dies ist auch erforderlich, wenn die freiwillige Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft "mehr als Blumen" sein sollen.

Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache: Der Frauenanteil im Top Management stagniert auf niedrigem Niveau. Das belegt eine aktuelle Untersuchung im Führungskräftemonitor 2010 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung/DIW. DIW Präsident Klaus Zimmermann kommentiert: "Dies ist nicht nur ungerecht, sondern auch schlecht für die Wirtschaft. Denn jede Frau, die beruflich nicht in die Position kommt, für die sie qualifiziert ist, kostet uns Wachstum."

Freiwillige Vereinbarung ohne Wirkung

Die oben genannte freiwillige Vereinbarung der deutschen Wirtschaft hat bisher zu keiner Trendwende geführt. "Keine einzige Frau im Vorstand" titelten am 10. Februar 2011 mehrere überregionale Tageszeitungen. Mit dabei die großen Dax-Unternehmen der Kreditwirtschaft. Bei der Commerzbank, Deutsche Bank, Allianz, Deutsche Börse Group finden wir keine einzige Frau im Vorstand.

Das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Gutachten der Sachverständigenkommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf spricht sich mit Blick auf den seit Jahren stagnierenden Anteil an Frauen in Top-Management-Positionen dafür aus, "eine Geschlechterquote für Aufsichtsräte einzuführen. Die Nichteinhaltung der Quotenregelung sollte nach einer hinreichenden Übergangsphase, effektiv sanktioniert werden. Da eine Mindestanteilsregelung für Aufsichtsräte allein nicht ausreichend ist, empfiehlt die Kommission dem Gesetzgeber dringend, auch Modelle für Mindestanteilsreglungen von Frauen in Führungspositionen zu prüfen. Quoten können auch zeitlich befristet vorgesehen werden, bis eine kritische Masse des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts in Führungspositionen erreicht ist. In kleinen Unternehmen könnten Verbundprojekte zur Verbesserung der Chancen für die Besetzung von Führungspositionen gefördert werden. Best-Practice-Beispiele vermögen zu helfen, die Akzeptanz von Quotenregelungen zu verbessern."

Unterschiedliche Modelle

Aktuell sind verschiedene Modelle auf dem Markt:

Arbeitsministerin von der Leyen spricht sich für eine verbindliche Quote in den Vorständen und Aufsichtsräten von 30 Prozent aus. Und begründet dies im NDR- Interview: "Wir sind im Augenblick, was Frauen in den Führungsfunktionen angeht, auf der Höhe mit Indien, hinter Russland, hinter Brasilien, hinter China. Anlass genug, in diesem Land etwas zu ändern."

Frauenministerin Schröder spricht sich für eine flexible Quote aus, die die Unter nehmen selber festlegen.

Auch die CSU plädiert für das freiwillige Handeln der Unternehmen.

Die Vize-Vorsitzende der SPD, Manuela Schwesig, fordert eine verbindliche Quote von 40 Prozent.

Die Grünen fordern schon seit Jahren die verbindliche Einführung einer generellen Frauenquote von 40 Prozent nach dem norwegischen Modell und haben dies mit dem im Oktober 2010 in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf und Stufenplan (30 Prozent ab 2015 und 40 Prozent ab 2017) konkretisiert.

Mit einer 50 Prozent Quote entsprechend dem Anteil der Frauen in der Bevölkerung gehen die Linken mit Gesine Lötzsch am weitesten.

Harte Ablehnung kommt insbesondere von der FDP. So betont Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, dass ihre "Skepsis allseits bekannt ist" und lehnt eine verpflichtende Quote ab. FDP Generalsekretär Christian Lindner begründet mit dem "tiefen Einschnitt in Vertragsfreiheit und Personalpolitik der Unternehmen" seine deutliche Ablehnung jeglicher Quotenregelung, ein oft gehörtes Standardargument von der Arbeitgeberseite.

FidAR e. V. fordert eine sanktionierbare Frauenquote für die Aufsichtsräte von mindestens 25 Prozent geregelt im Deutschen Corporate Governance Kodex. FidAR ist eine überparteiliche und überregionale Initiative, ins Leben gerufen von Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die es sich zum Ziel gesetzt hat, auf eine nachhaltige Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten deutscher Kapitalgesellschaften hin zu wirken.

Der Deutsche Frauenrat hat 2009 eine gesetzliche Quote für Aufsichtsratsgremien beschlossen. Der Deutsche Frauenrat ist der größte Zusammenschluss von Frauenorganisationen in Deutschland. Selbst die EU-Justizkommissarin Viviane Reding mischte sich genervt in die deutsche Diskussion ein und kündigte an, "falls bis Jahresende die Konzerne nicht selbst aktiv werden" wird es aus Brüssel rechtliche Vorgaben geben. Ziel der EU-Justizkommissarin ist, eine 30-Prozent-Quote bis 2015 und eine 40-Prozent-Quote bis 2020 erreicht zu haben.

Im März 2011 will die Bundesregierung mit den Arbeitsdirektoren der 30 Dax-Unternehmen zusammenkommen und beraten.

Erste Ansätze in der Praxis

In der Praxis gibt es die Quote in ersten Ansätzen:

Der deutsche Corporate Governance Kodex hat bereits die bisherige Empfehlung für deutsche Aufsichtsräte weiter konkretisiert und rät bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates eine angemessene Berücksichtigung von Frauen anzustreben (Ziff. 5.4.1.). Er hat dies ausdrücklich als konkretes Ziel formuliert.

Mehr Frauen in Top-Management-Positionen (Ziff. 4.1.5.) und die Beachtung der Vielfalt (Diversity) bei der Besetzung des Vorstandes (Ziff. 5.1.2) gehören ebenfalls dazu. Die Telekom hat die 30-Prozent-Quote bereits beschlossen und mit der Umsetzung begonnen. So will die Telekom, gemäß Personalvorstand Herrn Sattelberger, im Jahr 2015 30 Prozent der weltweiten Führungspositionen auf allen Ebenen mit Frauen besetzt haben.

Die Allianz nimmt mit 32 Prozent Frauen in Führungspositionen den Spitzenplatz unter den 30 Dax Unternehmen ein, auch wenn noch keine einzige Frau im Vorstand vertreten ist. Konzernchef Michael Diekmann ließ verlauten, dass die gesetzliche Quote ein durchaus gangbarer Weg sei.

Und wie sieht es bei den Gewerkschaften in dieser Frage aus? Hier ist festzustellen, dass es in allen Mitgliedsgewerkschaften des DGB zwischenzeitlich verbindliche Regelungen zur Berücksichtigung von Frauen gibt.

Frauenquote in Aufsichtsräten durch Arbeitnehmerseite erreicht

Nach neuesten Zahlen des DIW sind zwölf Prozent der Aufsichtsratspositionen in den großen deutschen Unternehmen mit Frauen besetzt und das verdanken wir allein der paritätischen Besetzung der Aufsichtsräte. 80 Prozent aller weiblichen Aufsichtsratsmitglieder werden von der Arbeitnehmerseite gestellt.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi entsendet eine große Anzahl von Frauen in die Aufsichtsräte, weil wir beschlossen haben, die Kandidatenlisten grundsätzlich entsprechend dem Anteil an Frauen in der Mitgliedschaft zusammenzusetzen. Sollte dies nicht möglich sein, muss dies ausführlich begründet und überprüft werden. Und weil Verdi mit einer Frauenquote sicherstellt, dass viele Frauen in die Aufsichtsräte gewählt werden, ist der Frauenanteil auf der Seite der Anteilseigner mit lediglich 4,5 Prozent äußerst gering. Auch aus diesem Grunde brauchen wir eine gesetzliche Regelung zur Frauenquote.

In diesem Zusammenhang ist es schon verwunderlich, wenn in den Medien dargestellt wird, dass durch den Beitritt von Frau Schröder-Köpf in den Aufsichtsrat der Karstadt Warenhaus GmbH der Frauenanteil auf 40 Prozent erhöht wird, aber verschwiegen wird, dass das Gros der 40 Prozent Frauenquote durch die Arbeitnehmervertreterinnen im Aufsichtsrat erreicht wird.

Aber Verdi will die Frauenquote nicht nur in den Aufsichtsräten realisieren. Mit der Gründung im Jahr 2001 hat die Dienstleistungsgewerkschaft eine weitreichende Beschlusslage mit einer verbindlichen Frauenquote mindestens entsprechend des Anteils an den Mitgliedern auch bei der Besetzung ihrer eigenen Gremien und Vorstände in der Satzung beschlossen!

Diese Mindestfrauenquote hat zu einem deutlichen Anstieg von Frauen in den ehren- und hauptamtlichen Führungspositionen geführt. Verdi lebt Chancengleichheit von Frauen und Männern bis in die eigenen Führungsebenen. So ist zum Beispiel der Bundesvorstand zurzeit mit sieben Frauen und sieben Männern quotiert, und die jeweils drei Führungspositionen in den elf Landesbezirksleitungen setzen sich aus jeweils zwei Frauen und einem Mann zusammen.

Mit gutem Beispiel vorangehend können wir bei Verdi feststellen, dass die verbindlich geregelte Frauenquote positiv wirkt, weil viele qualifizierte Frauen die gleiche Chance wie Männer erhalten und deutlich mehr Frauen als ohne Quote in Führungspositionen gelangen. Die Frauenquote ist ein erfolgversprechendes Instrument und sollte deshalb gesetzlich werden.

Uwe Foullong ist Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, Berlin, und zuständig für die Finanzdienstleistungswirtschaft.

"Die Quote allein ist nicht das Allheilmittel"

Von Renate Braun - Fakt ist, dass Frauen die Bildungsgewinnerinnen sind, aber leider oftmals auf der Karriereleiter über eine bestimmte Sprosse nicht hinauskommen. Dafür gibt es sicherlich die unterschiedlichsten Gründe. Frauen widmen sich mehr der Familie, unterstützen ihren Mann oder wollen keine so große Verantwortung übernehmen. Fühlen sich wohl als Arbeitnehmerin, Mutter oder Hausfrau. Das ist die eine Seite der Medaille.

Was passiert aber, wenn "Frau" Karriere machen will, gesellschaftliche und unternehmerische Verantwortung anpeilt? Gibt es dann auch den Mann, der den Rücken frei hält? Kümmert sich der Partner um die Kinder? Unterstützen männliche Mentoren?...

Manche haben Glück, ich hatte dieses Glück auch! Chefs, die mich forderten und förderten. Natürlich brachte ich mich auch selbst ins Spiel und zeigte Initiative. Genau das machen andere Kolleginnen auch, aber nicht mit dem entsprechenden Ergebnis. Warum? Na, weil schon die Förderer fehlen oder eine Schwangerschaft und die Familienauszeit auf den weiblichen Wer degang projiziert wird. Das ist oft ein Stolperstein, der sich zur Barriere entwickeln kann.

Und das, obwohl bekannt ist, dass die betriebswirtschaftlichen Zahlen eines Unternehmens mit gemischten Teams eine deutliche Sprache sprechen - pro Frau. Frauen sind hervorragend ausgebildet. Zwischenzeitlich absolvieren mehr Frauen als Männer die Universitäten mit ausgezeichneten Abschlüssen. Stehen ihre Frau - im wahrsten Sinne des Wortes! Das gefällt mir und freut mich, da sich darin auch die gesellschaftlichen Strukturen widerspiegeln. Wir Frauen sind in der Bevölkerung nicht unterrepräsentiert. Ich plädiere dafür, dass sich die gesellschaftlichen Strukturen auch in den Unternehmen einschließlich der Organe wie Vorstand und Aufsichtsrat widerspiegeln.

Frauen sind mehr als ein "Talente-Pool"

Und das möchte ich nicht nur wegen der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels. Ich will die Frauen nicht bloß als Talente-Pool und Fachkräf-te-Reserve sehen. Frauen, die die Fähigkeiten haben und diese auch für ein Unternehmen und die Gesellschaft einbringen wollen, sollen gleichwertige Chancen zu den männlichen Kollegen erhalten. Das ist mein Wunsch aus tiefer Überzeugung!

Wir halten uns an das Gleichbehandlungsgesetz! Darüber hinaus ist im Gesetz über das Kreditwesen festgelegt, welche Qualifikationen erforderlich sind, um für einen Vorstandsposten überhaupt infrage zu kommen. Ähnliches gilt für ein Verwaltungsratsmandat. In den Gremien der Sparkasse Passau gibt es jeweils auch Frauen.

In unserem Vorstand ist von dreien eine weiblich.

In unserem Verwaltungsrat haben wir zwei Frauen von insgesamt zehn Mitgliedern.

Das war nicht gesteuert und nicht geplant.

Männer-Teilzeit als erster Ansatz

Insgesamt sieht es in der Hierarchie der Sparkasse mit der Beschäftigung der Frauen ganz gut aus. Von rund 750 Mitarbeitern sind 66 Prozent Frauen, 13 Prozent besetzen Führungspositionen. Viele Frauen arbeiten Teilzeit. Dies tun bei uns auch Männer - bis hin zum Personalchef. Das finde ich, ist schon ein erster Ansatz. Die Lebensentwürfe von Mann und Frau nähern sich in Teilen ein wenig an. Auch Männer nehmen sich beispielsweise eine Auszeit, wenn ein Kind geboren wird. Von Vorteil finde ich, wenn auf der sogenannten "short list" immer auch mindestens eine Frau mitberücksichtigt ist. Das gilt für alle Positionen, die ausgeschrieben wer den. Egal, ob Vorstandsposition, Aufsichtsrat, Führungskraft oder herausgehobene Positionen im Unternehmen.

In Norwegen gibt es bereits eine gesetzliche Vorschrift mit guten Ergebnissen. Ob es verpflichtend auch einer Quote bedarf, kann so einfach nicht gesagt werden. Es ist zutreffend, dass alle bislang geführten Diskussionen und freiwilligen Selbstverpflichtungen nicht zum gewünschten Ergebnis für die Frauen führten. Redlich und gut gemeinte Programme schlugen fehl.

Quotierung für Vorstand und Aufsichtsrat ist zu kurz gesprungen

Es scheint mir aber auch zu kurz gesprungen, wenn wir die Quotierung für Vorstandspositionen und Aufsichtsratsgremien einführen. Wenn, dann müsste die Quotierung am gesamten Entscheidungsbaum gelebt werden. Und das stelle ich mir schwierig vor. Zumal es in bestimmten Berufsgruppen bislang noch kaum Frauen gibt. Das bedeutet, dass zunächst junge Frauen motiviert in die sogenannten MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) gehen müssen. Die Quote allein ist daher aus meiner Sicht nicht das Allheilmittel. Sie kann aber helfen. Wir alle müssen schauen, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu vereinfachen.

Frauen müssen schauen, auch in Männernetzwerken Fuß zu fassen und bereit sein, Risiken einzugehen und auch mal in zu große Schuhe schlüpfen. Mit der Zeit passen die dann meist (auch bei den Männern).

Und die Unternehmen sind zu einem Umdenken aufgefordert, um im Rahmen einer kulturpolitischen Diskussion Bewegung in das Thema zu bringen.

Hier denke ich, ist jetzt schon einiges passiert. Wobei im Blick sein sollte, für beide Seiten - Frau und Mann - die Win-Win-Situationen herauszuarbeiten. Denn nur mit den männlichen Kollegen im Aufsichtsrat und Vorstand werden wir die Zielsetzung verfolgen können.

Renate Braun ist Vorsitzende des Vorstands der Sparkasse Passau, Passau.

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