Bankmanagement-Glossar

Buchgeld

Obwohl heute allein in der Euro-Zone rund 15 Milliarden Banknoten mit einem Wert von etwa 0,9 Billionen Euro im Umlauf sind, geht seit vielen Jahren die Bedeutung des Papiergeldes zurück. Der Aufwand für das Handling größerer Geldbeträge und die zunehmende Notwendigkeit, größere Geldbeträge rasch und sicher von einem Ort zum anderen zu bewegen, führte zum nächsten Entwicklungsschritt des Geldes - dem Buchgeld. Heute macht Bargeld nur mehr einen Bruchteil des Buchgeldes aus. Ohne Buchgeld, das Geld auf Girokonten (weshalb es auch Giralgeld heißt), kommt eine moderne Wirtschaft nicht mehr aus.

Ursprung in Arabien

Der Grundgedanke des Buchgelds geht ins Arabien des achten Jahrhunderts zurück, wo ein Geldtransfersystem namens Hawala ("Vertrauen") entwickelt wurde. Wenn eine Person Geld von einem Ort zum anderen transportieren muss, geht sie zu einem Hawala-Mitglied. Dieses nimmt das Geld entgegen und überreicht dafür eine Gutschrift, mit der sich die Person am Zielort bei einem dortigen Mitglied das Geld auszahlen lassen kann. Die beiden Mitglieder machen das "Clearing" aus.

Die Verbreitung des Buchgeldes ging von den Handelszentren in Italien aus, wo sich gegen Ende des Mittelalters nicht nur die doppelte Buchführung, sondern auch die Führung von "conti corrente" bei den Geldwechslern, den späteren Banken, etablierten. Damit konnten Geldüberträge, heute würde man Überweisungen sagen, von Konto zu Konto gemacht werden. Lange Zeit wurden die Kontenbestände (hand)schriftlich in Kontenbüchern geführt, woher die Bezeichnung Buchgeld kommt.

Heute zählen als Buchgeld alle Sichtguthaben, die jederzeit als Bargeld ausgezahlt werden können. Sie entstehen durch Einzahlungen von Bargeld wie auch durch bargeldlose Transfers von anderen Konten oder durch erteilte Kredite. Die Dispositionen über Buchgeld erfolgen meist durch Überweisungen oder Lastschriften. Durch die Möglichkeit der Leistung von Zahlungen zulasten des Buchgeldes (zuerst ausschließlich papiergebunden, heute weitgehend elektronisch) ist es zusätzlich zum Bargeld auch Zahlungsmittel geworden. Es ist jedoch im Gegensatz zum Bargeld kein gesetzliches Zahlungsmittel und unterliegt keiner allgemeinen Annahmepflicht.

Im Vergleich zu Bargeld weist Buchgeld ein deutlich geringeres Verlust- und Diebstahlsrisiko auf. Außerdem entfällt das Risiko, gefälschte Banknoten zu erhalten. Des Weiteren ist eine Verzinsung möglich. Ein gelegentlich geäußerter Nachteil besteht in der fehlenden anonymen Verwendung. Dazu kommt, dass die bargeldlose Nutzung oft mit Transaktionskosten verbunden ist. Buchgeld wird zu Bargeld, wenn an der Bankkasse oder an Geldausgabeautomaten Geld abgehoben wird.

Buchgeld bildet zusammen mit dem Bargeld die Geldmenge M1. Sie beträgt derzeit rund 5,4 Billionen Euro. Die Geldmenge ist wesentlich für die Bestimmung der Wachstumschancen und Inflationsrisiken einer Volkswirtschaft. Ist zu wenig Liquidität vorhanden, leidet das Wirtschaftswachstum. Ist durch starkes Geldmengenwachstum zu viel Liquidität im Markt, besteht die Gefahr von Inflation, wenn die Wirtschaft wächst. Lange Zeit wurde Buchgeld nur für geschäftliche Zwecke genutzt. Mit der Einführung der Gehalts-, Lohn- und Pensionskonten ist der Umgang damit zur Selbstverständlichkeit geworden.

Entmaterialisierung des Geldes

Der Erfolg des Buchgeldes und des damit möglichen Zahlungsverkehrs war durchschlagend. Es kam zur Entmaterialisierung des Geldes. Vorausgesehen hat dies der amerikanische Science-Fiction-Autor Edward Bellamy in seinem 1888 erschienenen Buch "Looking Backward". Heute sind Zahlungen von Unternehmen an öffentliche Haushalte und umgekehrt zu 100 Prozent bargeldlos. Zahlungen von Privaten an öffentliche Haushalte und umgekehrt werden fast zu 100 Prozent bargeldlos getätigt. Zahlungen von Privaten an Unternehmen beim Online-Shopping werden ausschließlich bargeldlos bezahlt. Lediglich Zahlungen von Privaten an Unternehmen am PoS des jeweiligen Handels- oder Dienstleistungsunternehmens werden noch zu rund 50 Prozent bar bezahlt. Umgekehrt werden nahezu 100 Prozent der Zahlungen bargeldlos durchgeführt.

Der Trend zur Virtualisierung des Geldes schreitet auch bei den Zahlungen am PoS fort. Jedes Jahr ist der Anteil der Bargeldzahlungen geringer. Wesentlichen Anteil daran hat der Fortschritt bei bargeldlosen Zahlungen - etwa nur PIN, Chip, M-Payments oder kontaktlose Zahlungen. Bargeld wird zurückgedrängt und möglicherweise ganz verschwinden. Buchgeld wird es hingegen auf absehbare Zeit immer geben.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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