Preispolitik

Bundlingals Ertragstreiber

Bankkunden sind anspruchsvoller geworden. Mit zunehmendem Wettbewerb von Seiten der Online-Banken, wachsender Markttransparenz sowie einem gestiegenen Selbstbewusstsein haben sie sich zu "Rosinenpickern" entwickelt. Das bereitet den etablierten Häusern die meisten Probleme, da sie vornehmlich von Kundenabwanderung betroffen sind. Für sie wie für alle Banken gilt: Lockprodukte rechnen sich nur, wenn dadurch deutlich mehr Cross-Selling erfolgt. Diese Mischkalkulation geht allerdings nur in den wenigsten Fällen tatsächlich auf. Doch wie können die Häuser dieses Problem lösen, ohne ihre Leistungen "verschenken" zu müssen?

Eine strategische Antwort liegt in der Bündelung von Produkten und Dienstleistungen. Mittlerweile setzen viele Kreditinstitute auf diese Angebotsstrategie. Insbesondere das Girokonto kann zur Bündelung mit einer Vielzahl unterschiedlicher Leistungen genutzt werden. Bei der Volksbank Freiburg beispielsweise stellt der Kunde sein eigenes Bündel zusammen, indem er neben dem Girokonto einen Bausparvertrag bei der Bauspar kasse Schwäbisch Hall, einen Fonds der Union Investment und eine Versicherung der R + V bei seiner Volksbank nachfragt. Für jeden der einzelnen zusätzlichen Bausteine reduziert sich der monatliche Grundpreis des Girokontos, das er sich somit komplett "verdienen" kann.

Bankfremde Zusatzleistungen zur Profilierung genutzt

Neben der Kombination bankbezogener Basiselemente kommen vermehrt auch um Versicherungsleistungen erweiterte Pakete auf den Markt. Bereits die Verknüpfung von Zahlungsfunktionen einer Kreditkarte mit Versicherungsleistungen stellt einen Anwendungsfall des Bundling-Prinzips dar.

Häufig ergänzt man darüber hinaus solche Angebotspakete um Zusatzleistungen, die keinen unmittelbaren Bezug zur Basisleistung aufweisen. Da die Kernprodukte im Bankbereich relativ homogen sind, stellen bankfremde Zusatzleistungen Instrumente zur Profilierung gegenüber der Konkurrenz dar.

Doch warum ist das Bundling vorteilhaft?

Gewinnsteigerung durch besseres Abschöpfen der Zahlungsbereitschaften: Durch Bundling wird die ungenutzte Zahlungsbereitschaft von einem Produkt auf ein anderes übertragen. Ein einfaches Praxisbeispiel soll dies verdeutlichen: Eine große Regionalbank wollte ihr Geschäftsgirokonto und auch das gleichzeitige Angebot einer bestimmten Anzahl an beleglosen Inklusivposten differenzieren. Zu entscheiden war über den Preis dieses Pakets. Mittels einer Pricing-Datenbank wurden vier gleichbedeutende Segmente identifiziert.

Der reguläre Preis für eine beleglose Überweisung lag bei 0,15 Euro. Nutzte der Kunde alle Posten seines Paketes aus, reduzierte sich der Postenpreis auf bis zu 0,08 Euro. Jede über das Paket hinausgehende Überweisung kostete dagegen wiederum 0,15 Euro. Nun wurden die Kunden derart in die einzelnen Paketmodelle migriert, dass ihre bisherige Nutzungsintensität immer noch zu einer Ertragssteigerung für die Bank führte, der Kunde sich durch eine stärkere Nutzung jedoch jederzeit besserstellen konnte als zuvor.

Die Anzahl der Freiposten lag dabei stets höher als die vom Kunden effektiv getätigte Anzahl an Überweisungen und wurde nur von den wenigsten Kunden vollständig ausgenutzt. Dass dadurch für die meisten Kunden ein höherer Preis resultierte, war unkritisch, da die meisten Bankkunden ihr Nutzungsverhalten in der Regel überschätzten. Die ermittelten Segmente und ihre Preise sind in Tabelle 1 dargestellt.

Gewinnsteigerung durch Mehrabsatz und Cross-Selling: Dass die Bildung von Produktbündeln zu höherem Cross-Selling und damit zu Absatzsteigerungen führt, liegt daran, dass die Bündelpreise geringer sind als die Summe der Einzelpreise. Das Cross-Sel-ling-Potenzial, das in der Preisbündelung steckt, lässt sich sehr gut am Beispiel der Menüs von McDonald's verdeutlichen. Die Bündelung verschiedener Leistungen bewirkt folglich eine Absatzsteigerung geringer nachgefragter Produkte.

Gerade im Finanzbereich ist dieses Motiv von zentraler Bedeutung. Durch das Aufkommen von Direktbanken hat sich der Preisdruck stark erhöht. Dies gilt insbesondere für Schlüsselprodukte wie Girokonten oder Tagesgeldverzinsung. Da diese im Fokus des Kundeninteresses stehen, müssen sie attraktiv angeboten werden und sind daher oft wenig profitabel. Bündelt man sie hingegen mit margenstärkeren Leistungen wie zum Beispiel Kontokorrentkrediten oder Altersvorsorgeprodukten, so steigt die Bereitschaft der Kunden, mehr dafür zu bezahlen.

Vermeiden der Preisfalle: Durch Bundling gelingt es Banken, sich der Preisvergleichbarkeit zu entziehen, da sie verstärkt als Problemlöser auftreten. Das Kundeninteresse wird auf den Wert des Paketes umgelenkt. Hierdurch wird die Anzahl der Wettbewerber reduziert, was letztlich zu höheren durchsetzbaren Preisen führt.

Reduktion der Kosten: Aus der Kombination von Produkten zu einem Paket kann zudem die Reduktion von Produktions- und Komplexitätskosten resultieren. Da durch die Bündelung verschiedene Leistungen auf einmal verkauft werden, lassen sich Synergieeffekte realisieren sowie Personal- und Transaktionskosten einsparen. Diese Synergieeffekte kann der Anbieter zum Teil in Form von Preisnachlässen an die Kunden weitergeben. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Wechselneigung von Kunden mit zunehmender Anzahl der Produkte, die sie von einer Bank abgenommen haben, sinkt.

Für Kunden können sich aus der Bildung von Angebotsbündeln verschiedene Vorteile ergeben. Zum einen erhält der Abnehmer alle Leistungen aus einer Hand. Dies erhöht den Komfort, spart Transaktionskosten, reduziert die Komplexität und schafft eine größere Übersichtlichkeit. Zum anderen erwirbt der Kunde das Paket in der Regel zu einem erheblich günstigeren Preis. Dies führt letztlich auch zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit und damit zu einer höheren Kundenbindung.

Dass Bundling trotz der oben aufgezeigten Vorteile gelegentlich scheitert, liegt unserer Erfahrung nach meist an folgenden Faktoren:

1. Zusammenstellung der Pakete: Allergrößte Bedeutung für den Erfolg des Vorhabens kommt der optimalen Zusammenstellung der Pakete zu. Aus Unternehmenssicht ist es empfehlenswert, attraktive Mussprodukte durch weniger interessante Elemente zu ergänzen, um so deren Absatz zu steigern. Enthält das Bündel jedoch zu viele unattraktive Leistungen, so werden viele Kunden nicht das Paket, sondern das Zugpferdprodukt separat erwerben. Deshalb bedarf es zwingend der Ergänzung um die nachfragerorientierte Perspektive. Um die abgegrenzten Teilsegmente optimal anzusprechen, sollten mehrere verschiedene bedarfsgerechte Bündel entwickelt werden. In diesem Fall bietet man Pakete in verschiedenen Varianten mit unterschiedlichem Leistungsumfang zu differenzierten Preisen an.

Zusatzleistungen sollen der Schaffung von Zusatznutzen bei den Kunden dienen und somit die Differenzierung gegenüber Konkurrenten erleichtern. Da die Kernprodukte sehr ähnlich sind und der Wettbewerb daher zunehmend über die preisliche Ausgestaltung geführt wird, erhofft man sich durch die Kombination mit bankfremden Leistungen eine Ablenkung des Kundeninteresses vom Preis. Dabei ist es für den Erfolg ausschlaggebend, Zusatzleistungen zu offerieren, die den Kunden tatsächlich attraktiv erscheinen und nicht in gleicher Form von anderen Unternehmen angeboten werden. In der Praxis weisen die im Rahmen solcher Bündel offerierten Zusatzleistungen indes große Ähnlichkeit auf. In fast allen Paketen sind Notruf service, Vergünstigungen bei Hotelübernachtungen, Ticket-Service enthalten. Durch diese Austauschbarkeit verfehlen die Zusatzleistungen ihr Ziel, die Bank gegenüber der Konkurrenz zu profilieren.

Zur Ideenfindung lohnt oftmals ein Blick ins Ausland. In Großbritannien beispielsweise bietet die Nat-West die Pakete Advantage Premium und Advantage Gold an, bei denen das Konto mit Zinsvergünstigungen bei der Kreditaufnahme, Nachlässen, bei der Hausratversicherung sowie verschiedenen Zusatzleistungen wie Niedrigstpreisgarantien für verschiedene Artikel gebündelt, wird. Die Erfahrung lehrt uns, dass Bankkunden relativ wenig Wert auf bankfremde Zusatzleistungen legen und diese zudem, da in der Regel extern bezogen, zusätzliche Kosten für die Bank bedeuten. Daher sollten sie mit Bedacht eingesetzt werden.

2. Mehrstufiger Evaluierungsprozess der geeigneten Paketleistungen: Für eine zielführende und fundierte Zusammenstellung der Produkte zu einem attraktiven Bündel bedarf es eines mehrstufigen Prozesses: In einem ersten Schritt müssen sämtliche interessanten Produkte aufgelistet werden. Anschließend gilt es, die aus interner Sicht relevanten Produkte auszuwählen. Dabei ist auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Kombination von Zugpferdprodukten mit schwächer nachgefragten Produkten und der Orientierung an den Kundenbedürfnissen zu achten. Die Nutzungsintensitäten der einzelnen Komponenten sind wichtig. So können Freiposten in Paketen angeboten werden, die attraktiv erscheinen, aber nur von wenigen voll ausgenutzt werden. Eine nachgelagerte Analyse auf der Basis von Fokusgruppen erlaubt eine erste Abschätzung der Marktadäquanz der Pakete. Unbedingt zu empfehlen ist der Abschluss des Prozesses durch eine Feinanalyse auf Grundlage einer fundierten Marktforschung.

3. Preisgestaltung der Pakete (optimale Preisstruktur und Preisniveaus): Von zentraler Relevanz für den Erfolg der Bündelung ist darüber hinaus das Pricing. Hinsichtlich der Preisstruktur unterscheidet man zwei Optionen: Zum einen kann für das Bündel lediglich ein einziger Paketpreis verlangt werden, durch den alle Komponenten abgedeckt sind. Zum anderen besteht die Möglichkeit, sogenannte Preisbaukästen zu entwickeln, bei denen sich der Preis je nach Art und Anzahl der abgenommenen Leistungen zusammensetzt.

Nach der Festlegung der Preisstruktur ist anschließend das optimale Preisniveau zu bestimmen. Erfahrungen auch aus anderen Branchen zeigen, dass der Bündelrabatt in der Regel zwischen fünf und 15 Prozent liegt und zumeist von der Anzahl der abgenommenen Komponenten abhängt. Alternativ zur skizzierten Vorgehensweise kann man auf die Nachlassgewährung verzichten und stattdessen höhere Leistungen anbieten. In jedem Fall ist es von großer Bedeutung, psycho-logische Preisschwellen zu berücksichtigen. Empirische Studien haben ferner gezeigt, dass eine gemischte Preisbündelung, bei der neben dem Paket auch die Einzel leistungen erworben werden können, unter Gewinnoptimierungsaspekten sinnvoller ist als das reine Bundling, bei dem man die Leistungen nur im Paket und nicht einzeln offeriert. Letzteres birgt die Gefahr, dass manche Kunden gar nicht gewonnen werden können, da sie an bestimmten Bündelelementen nicht interessiert sind.

Neben der Ökonomie der Bündel ist die Psychologie ebenso wichtig. Denn den Preis des Bündels bestimmt der Kunde zunächst aus den ihm bekannten Preisen für die Einzelkomponenten. Aus diesem Grund sichert ein sogenanntes "Open Bundling" (Paket- plus Einzelpreise) den Erfolg. Dabei kommt es auf die Strategie der Bank an. Die Preise der Einzelleistungen dienen als Steuerungsinstrumente für den Erfolg der Pakete.

4. Schaffung der internen Voraussetzungen: Bündel bestehen häufig aus Produkten, die verschiedenen Organisationssparten der Bank zugeordnet sind oder die von Verbundpartnern stammen. Da der Paketpreis in der Regel unter der Summe der Einzelpreise liegt, muss diese Differenz von mehreren Beteiligten getragen werden. Über die Aufteilung entstehen häufig Konflikte. Daher bedarf es zunächst der Implementierung einer geeigneten Struktur, um zu verhindern, dass die Bündelstrategie in der Praxis an derartigen Problemen scheitert.

Zur Konfliktvermeidung eignet sich beispielsweise eine Organisation nach Kundengruppen. Zur Gewährleistung einer kompetenten Beratung der Kunden ist darüber hinaus eine umfassende Schulung des Personals hinsichtlich aller im Paket enthaltenen Leistungen erforderlich. Insbesondere wenn das Bündel um Versicherungsleistungen ergänzt wird, genügt die herkömmliche Ausbildung zumeist nicht den Anforderungen, die der Kunde an ein umfassendes Beratungsgespräch stellt.

5. Steuerung des komplexen Bundling-Prozesses: Insgesamt erweist sich die Bündelung verschiedener Bankleistungen zu einem attraktiven Paket in der Praxis als anspruchsvolles Vorhaben. Aus unseren vielfältigen Erfahrungen wissen wir, dass den Unternehmen das Know-how zur Steuerung des komplexen Bundling-Prozesses fehlt (Auswahl der Produkte, Ermittlung der Zahlungsbereitschaften und Segmentgrößen, Simulation und Optimierung der relevanten Kombinationen). Für den Erfolg bedarf es daher eines durchdachten Konzeptes, um Kunden nicht durch die Kombination uninteressanter Produkte oder eine falsche Preisgestaltung abzuschrecken.

Berücksichtigt man die genannten Erfolgsfaktoren, so stellt die Bündelung ein probates Mittel zur Ausschöpfung des Cross-Selling-Potenzials dar. Die Ertragssteigerungen liegen erfahrungsgemäß zwischen 15 und 30 Prozent.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X