Bankmanagement-Glossar

Business Model Innovation

"Das Business Model eines (ehemals) selbstständigen Tante-Emma-Ladens war klar: Das Kundensegment waren die Bewohner der Umgebung, das Warenangebot war jenes zur Erfüllung der täglichen Bedürfnisse. Diesen Kundenbedürfnissen entsprechend wurde der Einkauf (bei einem Großhändler/auf einem Großmarkt) getätigt, der Verkauf erfolgte durch den Einzelhändler selbst und ein oder zwei Mitarbeiter anhand einer "Ums-Eck-Kalkulation" (was verlangen die umliegenden Wettbewerber?) oder eines vom Lieferanten empfohlenen Endverbraucherpreises. Bei Beachtung und Einhaltung der Kostenpläne wurde ein Gewinn erwirtschaftet.

Zum Unternehmensfortbestand erforderlich

Dieses Business Model wurde im 20. Jahrhundert marginalisiert. Es entstanden neue Geschäftsmodelle, die ihr Kundensegment und das Produktangebot anders definieren, die auf neue Distributions kanäle mit unterschiedlicher Ressourcenbereitstellung bauen und auf neue Preismodelle setzen. Gemeinsames Kennzeichen dieser beiden Modelle ist der Zwang, in einem Wettbewerbsumfeld die Kosten im Griff zu halten und Gewinne zu erwirtschaften.

In unserem Wirtschaftssystem ist die Innovation immanent. Laufend entstehen Geschäftsideen, die in bestehenden Unternehmen und in neu gegründeten Unternehmen mit mehr oder weniger Erfolg realisiert werden. Für derartig innovative Unternehmen ist zumeist ein spezifisches neues Business Model - eine sogenannte Business Model Innovation - erforderlich, um die Ideen am Markt erfolgreich umzusetzen. Dazu kommt, dass für Güter und Dienstleistungen, die mit einem immer weniger zum Erfolg führenden Business Model arbeiten, ein neues Business Model - eine Business Model Innovation - zum Fortbestand notwendig ist.

Bewusste Veränderung des Geschäftsmodells

Eine Business Model Innovation ist daher eine bewusste Veränderung eines bestehenden oder die Schaffung eines neuen Business Models. Dieses neue Geschäftsmodell soll einerseits die Kundenbedürfnisse besser befriedigen und andererseits dem Unternehmen bessere Ergebnisse liefern als bestehende Business Models.

Ein Business Model besteht aus mehreren Bausteinen: die Kundensegmente, die es zu gewinnen gilt; das Angebot an Waren/ Dienstleistungen für diese Kundensegmente; die Kanäle, über die die Kundensegmente die angebotenen Waren/Dienstleistungen kennenlernen und beziehen können; die Ressourcen, mit denen die Produktion realisiert wird; die Kostenstruktur aller Aktivitäten zur Geschäftsbesorgung und die Ertragsstruktur, die unter Berücksichtigung der Kosten einen nachhaltigen Gewinn ermöglicht.

Zur Kundensegmentierung gibt es eine Fülle von Ansatzpunkten. Erwähnt werden soll hier die Trennung nach Massen- und Nischenmarkt. Bei Banken wird zum Beispiel hinsichtlich Retail, Private, Business und Corporate Customers segmentiert. Fokussierung auf ein Kundensegment kann im Einzelfall ebenso sinnvoll sein wie eine Differenzierung, wo unterschiedliche Kundensegmente mit unterschiedlichen Angeboten bedient werden. Eine besondere Form dieser Kundensegmentierung kommt im Kartengeschäft vor: Ein erfolgreiches Kartensystem benötigt sowohl viele Karteninhaber als auch viele Kartenakzeptanten.

Die für die Kundensegmente vorgesehenen Waren/Dienstleistungen kann es vor der Entscheidung über die Kundensegmente bereits geben. Die Waren/ Dienstleistungen können auch aufgrund von Kundenproblemen für diese Kundensegmente erst entwickelt werden. Manchmal ändern sich die Kundensegmente auch. So wurde das Handy nicht für den Massenmarkt entwickelt. Bedingt durch die Verbesserung der Technik und der Investition in das Umfeld ist es heute - bei aller dennoch vorkommenden Segmentierung - ein Massenprodukt.

Produkt als wichtigste Komponente

Das Produkt ist die wichtigste Komponente einer Business Model Innovation. Entscheidend für den Erfolg am Markt ist der Weg von der Produkt(-verbesserungs)idee über die Produkt(weiter)- entwicklung zum neuen/verbesserten Produkt. Die Vorteile müssen für die Kunden segmente evident sein. Diese können mannigfaltig sein: Neuheit, aber auch Leistungsstärke (verglichen mit Wettbewerber- oder Vorgängermodellen), Design, Status, Usability, Kostensenkung oder Risikoreduktion).

Um den Kunden das Kennenlernen und den Kauf der Produkte/Dienstleistungen eines Unternehmens zu ermöglichen, sind die Kanäle, über die dies geschehen soll, festzulegen. Gab es im vergangenen Jahrhundert für ein Unternehmen meist nur wenige Kommunikationskanäle und einen Distributionskanal, so ist heute die Entscheidung unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Kanälen zu treffen - Multi-Channel-Kommunikation (unter besonderer Berücksichtigung der Social Media) und Multi-Channel-Distribution sind angesagt.

Insbesondere gilt angesichts der ständig zunehmenden E-Sales (und künftig möglicher M-Sales) diese entsprechend zu berücksichtigen, beziehungsweise sie möglicherweise gleich als einzigen Vertriebsweg zu nehmen.

Die Fixierung der Ressourcen, mit denen die Produktion realisiert wird, ist ein weiterer Baustein bei der Business Model Innovation. Zu beachten ist dabei, wie die Wettbewerbsvorteile generiert werden: Soll es die Kostenführerschaft sein, die auf einer niedrigen Kostenstruktur aufbaut?

Soll es eine Differenzierungsstrategie sein, mit der in der Branche ein einzigartiges Produkt-/Dienstleistungs angebot umgesetzt werden soll?

Die Planung der Kostenstruktur aller Aktivitäten zur Geschäftsbesorgung ist, wenn die angeführten Komponenten fixiert sind, relativ einfach. Zu beachten ist, dass bei verschiedenen zu treffenden Annahmen die Kostenhöhe oftmals zu niedrig eingeschätzt wird.

Preisfixierung ist schwierig geworden

Das richtige Pricing, das richtige Revenue Model, ist nach dem Produkt/der Produktverbesserung eine weitere entscheidende Komponente. Nur wenn das Produkt zu einem Preis verkauft werden kann, der einen Gewinn sicherstellt, hat es seinen Zweck erfüllt.

Hier gilt es zu beachten, dass bei verschiedenen zu treffenden Annahmen die Ertragshöhe oftmals zu hoch eingeschätzt wird. Die früher doch recht einfache Preisfixierung unter Berücksichtigung einer Kalkulation und des preislichen Wettbewerbs ist heute als Folge der zunehmenden Komplexität und des höheren Wettbewerbsdrucks deutlich schwieriger geworden. So gibt es nicht ohne Grund zum Beispiel bei Fluglinien ein Yield Management, mit dem unter Beachtung unterschiedlicher Faktoren versucht wird, ein Maximum an Ertrag herauszuholen. Das kann aber bei Kunden zu nachhaltiger Verwirrung führen, wenn sich herausstellt, dass von zwei Passagieren, die nebeneinander sitzen, der eine das Doppelte des anderen bezahlt hat.

Des Weiteren kann durch externe Faktoren eine Pricing-Modifikation erforderlich sein. So ist zum Beispiel im Kartengeschäft für kartenausgebende Banken eine Änderung des Revenue Models notwendig worden, da durch regulatorische Eingriffe wesentliche Teile der umsatzorientierten Einnahmen weggefallen sind.

Kein einmaliger Vorgang

Bei Berücksichtigung aller Komponenten einer Business Model Innovation soll die gefundene Kosten- und Ertragsstruktur einen nachhaltigen Gewinn ermöglichen. Eine Business Model Innovation soll allerdings kein einmaliger Vorgang bleiben. Durch die Beschleunigung in der Wirtschaftsentwicklung ändern sich die Kundenbedürfnisse und es sind ständig neue Angebote zu kreieren beziehungsweise die bestehenden Angebote zu verbessern. Es müssen laufend die Kanäle zum Kunden überprüft werden und die Produktions-, Kosten- und Ertragsstruktur muss hinterfragt werden, um alte, überholte Geschäftsmodelle durch neue, innovative zu ersetzen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Mana gement der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger @wu.ac.at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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