Bankmanagement-Glossar

Crowdsourcing

Der US-Journalist Jeff Howe artikulierte erstmals 2006 im Artikel "The Rise of Crowdsourcing" (Wired Magazine, Iss. 14,06 - June 2006) den Begriff "Crowdsourcing". Howe hat dieses Wort aus "crowd" (Menge, Schwarm, Gruppe von Personen) und "source" (herkommen, beschaffen) entwickelt. Gemäß der von ihm geschaffenen Definition ist Crowdsourcing das Erledigen einer Tätigkeit, die bis dahin von einer bestimmten Person/Organisation gemacht wurde, durch eine große Gruppe von Personen, die dazu aufgerufen werden. Diese sogenannten "Crowdsourcees" sind in der Regel eine dem Aufrufer unbekannte Menge von Akteuren.

Unabhängig von der Art der Erledigung wird dabei nahezu ausschließlich das Internet als Plattform herangezogen. Das kann die Homepage des Aufrufers sein oder eine spezielle Plattform, die sich auf ein bestimmtes Gebiet fokussiert. Generell wird die Crowd genutzt, um zu bestimmten Leistungen, Feedback, Ideen oder Lösungen zu kommen. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Ergebnis der heterogenen Menge die Qualität von Expertenentscheidungen erreicht.

Crowdsourcing gibt es mittlerweile mit einer Fülle von Ausprägungen. Es kann sowohl für nicht-kommerzielle als auch für kommerzielle Zwecke eingesetzt werden. Die Crowdsourcees bekommen in der Regel kein Entgelt. Es kann jedoch vorkommen, dass sie für ihre Bemühungen geringfügig honoriert werden oder ausgewählte Vorschläge prämiert werden.

Ein allgemein anerkanntes Klassifikationsschema für Crowdsourcing existiert noch nicht. Die vielfältigen Ausprägungen können am besten anhand von Beispielen dargestellt werden.

Produktbeurteilungen: Nachholbedarf bei Finanzdienstleistern

Eine verbreitete Form des Crowdsourcing ist die Produktbeurteilung (Crowdassessment). Diese Form nutzen viele Unternehmen, um sich Anregungen zu holen, um ihre Produkte zu verbessern. Seitens der Banken, Versicherungen und anderer Finanzdienstleister kommt diese Form des Crowdsourcing nur selten vor, hier besteht noch Aufholbedarf. Eine spezielle Art des Crowdassessment sind Rezensionen. Durchgesetzt haben sich Rezensionen auf breiter Basis erst, als der Internet-Händler Amazon auf seiner Homepage eine entsprechende Plattform schuf und der Crowd diese für Buchbesprechungen angeboten hat. Diese Bewertungen dienen als Kaufentscheidungshilfe.

Beliebt vor allem bei Herstellern von Apps, aber auch anderer Software für private Nutzer ist das Crowdtesting. Dabei werden Quantität und Vielfalt der Crowd für die Erstnutzung einer App oder Software mit dem Ersuchen herangezogen, Mängel aufzuzeigen. Nach diesem Härtetest kann das Produkt mit einer besseren Qualität auf den Markt kommen. Etwas weiter geht das Crowddesigning. Hier stellt der Hersteller eines Produkts oder einer Dienstleistung eine Plattform zur Verfügung, um auf dieser zu designen. Anschließend kann die Crowd eingebunden werden, um das Top-Design zu finden.

Crowdsourcing kann auch für (Online-) Marktforschung und Prognosen aller Art eingesetzt werden. Insbesondere hier können spezialisierte Plattformen auf eine Menge oft von Millionen "contributors" bauen. Die wohl bekannteste Anwendung des Crowdsourcing für nicht-kommerzielle Zwecke ist Wikipedia. Wikipedia wurde 2001 mit dem Ziel gegründet, auf einer Plattform ein freies Onlinelexikon im Internet durch eine "crowd" von unentgeltlich arbeitenden Freiwilligen zu etablieren. Ein Artikel wird von einem Autor verfasst und nach dem Prinzip des kollaborativen Schreibens fortwährend durch die "crowd" korrigiert, erweitert und aktualisiert. Heute gibt es rund 30 Millionen Artikel auf Wikipedia in über 280 Sprachen.

Eine der Ausprägungsformen des Crowdsourcing im Bereich der Finanzdienstleis tungen ist das Crowdfunding, wo es um Finanzierungsprojekte mit unterschiedlichen Gegenleistungen geht: So gibt es Crowd Donations ("donation-based crowdfunding") mit lediglich einem kleinen Dankeschön als Gegenleistung und dem mit der Spende erreichten Wohlfühlfaktor; das Crowd Sponsoring eines privaten oder kommerziellen Vorhabens ("reward-based crowdfunding"), wobei die Gegenleistung in einer geldwerten oder materiellen Leistung besteht, das Crowd Financing ("lending-based crowdfunding") mit verzinster Rückzahlung des Geldbetrages, und das Crowd Investing ("equity-based crowdfunding") mit einer Beteiligung der Geldgeber. Wenn man die Entwicklung des Crowdsourcing seit 2006 verfolgt, ist davon auszugehen, dass die Entwicklung weiter dynamisch vorangehen und weitere Bereiche erfassen wird.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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