Verbraucherschutz

FinanzierteKapitalanlagen: Reicht der Anlegerschutz?

Der Beitritt zu einer Anlagegesellschaft und das Darlehen zur Finanzierung dieser Beteiligung bilden ein verbundenes Geschäft gemäß Paragraf 9 VerbrKrG, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung der Fondsinitiatoren bedient. Dies ist unter anderem der Fall ("unwiderlegliche Vermutung"), wenn die Bank den Vermittlern die Darlehensformulare überlässt.

Wenn der Anleger beim Fondsbeitritt getäuscht wurde, kann er den Beitritt anfechten beziehungsweise fristlos kündigen. Der Bank können auch Schadenersatzansprüche gegen den Anlageberater wegen Falschberatung entgegengehalten werden. Einschränkung allerdings: Seine Ansprüche gegenüber den Prospektverantwortlichen und Fondsinitiatoren kann der Anleger gegenüber der Bank nicht geltend machen.

Wenn Beteiligung und Darlehensvertrag vom Anleger aufgrund einer "Haustürsituation" abgeschlossen wurden und nach den oben genannten Grundsätzen ein verbundenes Geschäft zwischen Fondsbeitritt und Finanzierung der Beteiligung besteht, führt ein Widerruf gemäß Paragraf 1 Abs. 1 Haustürwiderrufsgesetz (HWiG) dazu, dass der Bank kein Zahlungsanspruch mehr gegen den Anleger zusteht.

Die bereits erbrachten Darlehenszahlungen muss die Bank dem Anleger zurückgewähren. Hiervon sind die erhaltenen Ausschüttungen des Anlegers abzuziehen.

Zwar hatte der EuGH am 25. Oktober 2005 entschieden, dass nach Artikel 4 der europäischen Haustürgeschäfterichtlinie die Mitgliedsstaaten der EU den Verbraucher vor den Risiken einer kreditfinanzierten Kapitalanlage schützen müssen, wenn er nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Der BGH sah aber zunächst keine Veranlassung, hierauf einzugehen. Er schien sich allgemein aufgrund der Regelungen im deutschen Recht daran gehindert zu sehen, das europäische Recht in diesem Sinne anzuwenden (BGH, Urteil vom 16. Mai 2006, XI ZR 6/04).

In der Folge hat der BGH aber zugestanden, dass die Haustürgeschäfterichtlinie eine "echte Rechtspflicht des Unternehmers zur Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht enthält (BGH, Urteil vom 16. September 2006, XI ZR 204/04). Unter Beachtung dieser bindenden Auslegung des EuGH hat der BGH nun auch Paragraf 2 HWiG eine solche Rechtspflicht des Unternehmers entnommen, deren Verletzung Ersatzansprüche zur Folge haben kann.

Schadenersatzanspruch bei Verschulden der Bank

Ein Schadenersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen unterbliebener Belehrung gemäß Paragraf 2 Abs. 1 HWiG setzt nach Auffassung des BGH allerdings zwingend ein Verschulden der Bank voraus. Dies hat der BGH für einen Darlehensvertrag aus dem Jahre 1993 als zweifelhaft angesehen. Außerdem muss der Anleger nach Meinung des BGH konkret nachweisen, dass er den Darlehensvertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung tatsächlich widerrufen und die Anlage nicht getätigt hätte.

Eine solche Ursächlichkeit hat der BGH praktisch ausgeschlossen, wenn der Darlehensvertrag erst nach dem Immobilienkaufvertrag abgeschlossen wurde. Dann hätte sich der Anleger selbst im Falle des Widerrufs des Darlehens nicht mehr von der Immobilie lösen können.

Als Kompensation erleichtert der BGH in einem solchen Fall aber "im Interesse der Effektivierung des Verbraucherschutzes" die Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen gegen die Bank im Falle einer arglistigen Täuschung. Hier soll dem Anleger nun der Beweis erleichtert werden: Die Kenntnis der finanzierenden Bank von der arglistigen Täuschung wird "widerleglich vermutet", wenn Verkäufer oder Vermittler und die Bank in "institutionalisierter Art und Weise" zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers oder Vermittlers "evident" war. In diesem Fall muss die Bank nun also den Gegenbeweis antreten, dass sie keine Kenntnis von der arglistigen Täuschung hatte.

Europäisches Verbraucherschutzrecht und nationale Umsetzung

Zunächst macht die aktuelle Rechtsprechung deutlich, dass der BGH die derzeitige Rechtslage nicht für ausreichend hält, um effektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten. Immer wieder ist ein Spannungsverhältnis zwischen dem europäischen Verbraucherschutzrecht und der nationalen Umsetzung in Deutschland festzustellen. Dies gilt insbesondere für die Umsetzung eines effektiven Rechtsschutzes in Bezug auf das Widerrufsrecht.

So hat der BGH bereits in seinem Urteil vom 16. Mai 2006, XI ZR 6/04, angedeutet, dass er die deutsche Rechtslage zum Widerrufsrecht beim kreditfinanzierten Immobilienerwerb nicht für europarechtskonform auslegungsfähig im Sinne der EuGH-Urteile vom 25. Oktober 2005 sieht. Damit schiebt er dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, das Widerrufsrecht europarechtskonform zu gestalten.

Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und Verbraucherschutz

Ähnliches ergibt sich aktuell hinsichtlich den Folgen des Widerrufs eines Beitritts zu einer Fondsgesellschaft, wie aus dem Vorlagebeschluss des II. Zivilsenates des BGH vom 5. Mai 2008 (II ZR 292/06) an den EuGH hervorgeht. Im Falle der Rückabwicklung nach erfolgtem Widerruf gemäß Paragraf 3 Abs. 1 HWiG hatte der BGH bislang eine ex tunc wirkende Rückgängigmachung des Gesellschaftsbeitritts abgelehnt und stattdessen unter Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft den Widerruf lediglich als ex nunc wirkende Kündigung behandelt.

Andererseits ergibt sich aus der Haus-türgeschäfte-Richtlinie 85/577/EWG die Pflicht, das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach dem Sinn und Zweck der Richtlinie sowie dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des "effet utile" gemäß Art. 10 EG effektiv zu gewährleisten. Hierzu hatte der EuGH in der Rechtssache "Schulte" ausgeführt (EuGH WM 2005, 2079, 2085):

"In einem Fall, in dem der Verbraucher, wenn das Kreditinstitut ihn über sein Widerrufsrecht belehrt hätte, es hätte vermeiden können, sich den Risiken auszusetzen, die mit Kapitalanlagen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art verbunden sind, verpflichtet Art. 4 der Richtlinie jedoch die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass ihre Rechtsvorschriften die Verbraucher schützen, die es nicht vermeiden konnten, sich solchen Risiken auszusetzen, indem sie Maßnahmen treffen, die verhindern, dass die Verbraucher die Folgen der Verwirklichung dieser Risiken tragen."

Diese Rechtsprechung gilt zwar zunächst nur für den Fall, dass die Bank die Einlage des Gesellschafters finanziert und mit dem Verbraucher einen Darlehensvertrag abgeschlossen hat. Damit wird aber allgemein das Spannungsverhältnis zwischen den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft und dem nach der Haustürgeschäfte-Richtlinie 85/577/EWG zu gewährleistenden Schutz des Verbrauchers offensichtlich: Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft schränken zwangsläufig die Interessen des widerrufenden Anlegers ein, da sie sowohl die Interessen der Gesellschaftsgläubiger als auch die Interessen der Mitgesellschafter in die Interessenabwägung einbeziehen.

Deshalb muss ebenso zwangsläufig dieser Konflikt zumindest durch eine Modifizierung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft gelöst werden, wenn nicht die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sogar ganz hinter dem Verbraucherschutz der Haustürgeschäfte-Richtlinie zurücktreten müssen.

Daher hat der II. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 5. Mai 2008 (II ZR 292/06) gemäß Art. 234 EG dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Bestimmungen der Haustürgeschäfterichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der Behandlung des widerrufenden Verbrauchers als (zunächst) wirksam beigetretenen Gesellschafter mit allen daraus folgenden Rechten und Pflichten bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs entgegenstehen. Eine gesetzgeberische Klarstellung wäre auch hier wünschenswert.

Nachbelehrungsmöglichkeit: ein Verstoß gegen Europarecht

Das Widerrufsrecht ist nach der Schuldrechtsmodernisierung dadurch eingeschränkt worden, dass Paragraf 355 Abs. 2 S. 2 BGB neu gefasst wurde und hierin eine sogenannte "Nachbelehrung" ermöglicht wird. Die Neuregelung besagt nämlich, dass die Widerrufsfrist einen Monat beträgt, wenn die Belehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt wird. Da nach dieser Neuregelung eine gesonderte Unterschrift des Verbrauchers unter der Widerrufsbelehrung entfällt, ist bereits zweifelhaft, ob eine schlichte schriftliche Mitteilung über das Widerrufsrecht für die effektive Wahrnehmung des Verbraucherschutzes ausreicht. Vor allem dürfte diese Neuregelung aber europarechtswidrig sein und auch Bedenken hinsichtlich des im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verankerten Rückwirkungsverbotes aufwerfen.

Ein Verstoß gegen Art. 4 der Haustürgeschäfterichtlinie dürfte darin zu sehen sein, dass die Richtlinie eine Widerrufsbelehrung "bei (Haustür-)Geschäften" vorschreibt. Eine Belehrung nach Abschluss des Geschäftes erfüllt diese Anforderung jedoch gerade nicht. Der Verfassungsverstoß gegen das Rückwirkungsverbot liegt darin, dass die Überleitungsvorschrift gemäß Art. 229 Paragraf 9 Abs. 2 EGBGB in der Fassung der Schuldrechtsreformnovelle eine "Nachbelehrung" gemäß Paragraf 355 Abs. 2 S. 2 BGB unbefristet auch für Verträge ermöglicht wird, die vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossen wurden.

Schiedsverfahren in bankenrechtlichen Streitigkeiten

In bankrechtlichen Streitigkeiten sollte aus Verbrauchersicht ein zwingendes Schiedsverfahren eingeführt werden, in dem unbürokratisch und kostenmindernd in zeitnahen Güteterminen Streitigkeiten zwischen Kreditinstituten und ihren Kunden beigelegt werden können. Bei der Besetzung des Schiedsgerichtes ist hierbei auf Neutralität zu achten, sodass für die Besetzung eines solchen Schiedsgerichtes eine paritätische Vertretung der Verbraucher- und Bankenseite sowie ein neutraler Vorsitzender zu empfehlen ist.

Der Vorteil eines solchen Schiedsverfahrens nach dem bewährten Vorbild des Arbeitsgerichtsverfahrens würde darin liegen, dass die wirtschaftliche Ungleichheit der im Bankenrecht beteiligten Parteien ausgeglichen und der Verbraucher nicht vor immensen Verfahrenskosten und einer unüberschaubaren Verfahrensdauer zurückschrecken würde. Anders als in den bisher von Sparkassen- und Bankenverbänden eingerichteten Schiedsstellen beziehungsweise der Bestellung eines Ombudsmannes ist die Beachtung der Neutralität des Schiedsgerichtes vordringlich zu gewährleisten, sodass Vertreter der Verbraucherseite bei Entscheidungen dieses Schiedsgerichtes mitwirken müssten.

Umkehr der Darlegungs- und Beweislast

In prozessrechtlicher Hinsicht sollte eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast eingeführt werden, die der tatsächlichen Verfahrenssituation stärker als das bisherige Prozessrecht Rechnung trägt. So obliegt derzeit dem Verbraucher der Beweis für zahlreiche Sachverhalte, deren Beweisbarkeit sich schlicht seinem Einflussbereich entzieht. Der aktuelle Prozess vor dem OLG Frankfurt gegen die Deutsche Telekom AG belegt, dass Anleger in Deutschland im Beweisrecht erheblich unter anderem gegenüber Anlegern in den USA benachteiligt sind.

Im Prozess sollte der Verbraucher bereits seiner Beweislast genügen, wenn er Indizien für das Vorliegen einer von ihm angeführten Tatbestandsvoraussetzung beweist. Den Entlastungsbeweis hat dann die Bank zu führen, was entsprechend den von ihr beizubringenden Unterlagen auch verlangt werden kann. In jedem Fall aber muss sie darlegungsbelastet sein im Hinblick auf die sich in ihrer Sphäre befindlichen Unterlagen.

Stärkung der öffentlichen Aufsicht

Die Position der öffentlichen Aufsicht im Bankenrecht sollte gesetzlich gestärkt werden. Die Aufgaben der BaFin gemäß Paragraf 6 KWG sind nach wie vor zu wenig auf den Schutz der Bankkunden und Anleger gerichtet. Das förmliche Aufsichtsverfahren ist zudem für Verbraucher und deren Rechtsvertreter nicht transparent. Unter Berufung auf ihre Verschwiegenheitspflicht nach Paragraf 9 KWG darf die BaFin jegliche Auskunft über den Fortgang eines Aufsichtsverfahrens verweigern.

Diese Vorschrift stellt ein falsches Verständnis des Datenschutzes dar, denn der Verbraucher hat ein berechtigtes Interesse daran, welche Ergebnisse die behördliche Ermittlungs- und Sanktionstätigkeit ergeben hat. Eine Mitteilung wäre möglich, auch ohne dass hierdurch der Schutz der Kreditinstitute und anderer Bankkunden (deren Schutz Paragraf 9 KWG vornehmlich bezweckt) beeinträchtigt würde.

Ausweitung des KapMuG

Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) sollte auch auf Schadenersatzprozesse außerhalb des bisherigen Anwendungsbereiches ausgedehnt werden, um Anlegern effektiv prozessuale Möglichkeiten zu eröffnen. Vorteile des kollektiven Musterverfahrens würden sich Anlegern auch bei einer Übertragung auf Schadenersatzprozesse außerhalb des bisherigen Anwendungsbereiches bieten, insbesondere:

Komplexe Tatsachen- und Rechtsfragen werden nur einmal mit Bindungswirkung für alle geschädigten Anleger geklärt, das heißt es bedarf nur einer Beweisaufnahme.

Das Prozesskostenrisiko für den einzelnen Anleger wird deutlich gesenkt, da im Falle des Unterliegens der Kläger die Kosten auf alle Kläger anteilig verteilt werden.

Es kommt zur Beschleunigung bei der Abwicklung einer Vielzahl von Klagen, da die betroffenen Gerichte entlastet werden.

Die Rechtssicherheit wird verbessert, indem divergierende Entscheidungen der befassten Gerichte vermieden werden.

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