Zielgruppen

Frauen als Bankkunden

Frauen setzen die allermeisten Kaufimpulse und sind ausschlaggebend bei fast allen Kontoneueröffnungen. Frauen sind für Banken eine Zielgruppe mit Potenzial, deren volkswirtschaftliche Bedeutung in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Welche Bank dabei das Rennen um diese Zielgruppe gewinnen wird, hängt davon ab, wie gut sie sich auf die Bedürfnisse von Frauen einstellen kann, um diese zu gewinnen.

Unterschätzte Frauenpower

Etwas mehr als die Hälfte der Deutschen ist weiblich. Die Lebenserwartung von Frauen liegt dem statistischen Bundesamt zufolge mit durchschnittlich 82 Jahren um fünf Jahre höher als bei Männern, deren Lebenserwartung etwa 77 Jahre beträgt. Gerade bei den über 60-jährigen ist der Frauenüberschuss augenfällig. Weitere Erkenntnisse:

Frauen verfügen heute über Geld.

Sie halten 40 Prozent aller Aktien.

18 Millionen Frauen verfügen über ein eigenes Einkommen.

1,2 Millionen Frauen sind selbstständig. Jedes dritte Unternehmen wird von einer Frau gegründet.

Frauen sind also eine kaufkräftige Zielgruppe, die nur darauf wartet, richtig angesprochen zu werden. 70 Prozent aller Kaufentscheidungen werden nach einer Studie von McKinsey von Frauen getroffen.1) Sie entscheiden zu 89 Prozent über alle Neukontoeröffnungen.2)

Einer der Gründe für diese Veränderungen mag auch der Wechsel im Selbstverständnis der Frau sein. Ihr Image geht über das einer Hausfrau hinaus bis hin zur "selbstbewussten Macherin". Gerade im Bildungsbereich zeigen sich starke Veränderungen: Jeder zweite Studienanfänger ist heute weiblich.

Bei der Erwerbstätigkeit haben Frauen zwar aufgeholt, sie hinken Männern dennoch hinterher. Ein Grund ist, dass sie bei gleicher Arbeit gewöhnlich weniger verdienen, ein anderer Grund ist, dass knapp die Hälfte der abhängig beschäftigten Frauen in Teilzeit arbeitet.

Insgesamt zeigen die Fakten, dass "Frauen als Zielgruppen" für Kreditinstitute eine immer wichtigere Rolle spielen werden. Die Kernfrage stellt sich, ob eine Bank ihr Marketingmix gezielt auf die weibliche Klientel ausrichten soll? Bejaht man diese Frage, stellt sich die Anschlussfrage, ob Frauen denn tatsächlich andere finanzielle Bedürfnisse haben als Männer?

Pro Frauenbanking: spezifische Bedürfnisse

Worin genau sich Männer und Frauen in der Finanzplanung unterscheiden, darüber liefert eine Studie unter 10 000 Akademikern und Akademikerinnen aus der Schweiz Aufschluss:3) Beide Geschlechter wollen in erster Linie ihr Vermögen erhalten. Auch das Ziel "Vermögen vergrößern" wurde von 36 Prozent der Frauen und 38 Prozent der Männer bejaht.

Unterschiede zeigten sich jedoch im Sparen auf größere Anschaffungen: Hierauf antworteten Frauen mit 27 Prozent signifikant öfter als Männer mit 21 Prozent. Dagegen scheinen Frauen weniger Interesse am Vererben von Geld (acht Prozent bei Frauen versus zwölf Prozent bei Männern) und beim Anlegen des Geldes an der Börse (Frauen vier Prozent, Männer sieben Prozent) zu haben.

Bei der Wahl der Anlageform werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern noch deutlicher: 33 Prozent der Männer akzeptieren kurzfristige Verluste für eine langfristig hohe Rendite. Bei den Frauen liegt der Anteil nur bei 25 Prozent. Bei der Entscheidung, ein hohes Risiko einzugehen, um kurzfristig eine hohe Rendite zu erzielen, ist das Bild ähnlich: Nur sechs Prozent der Frauen, jedoch zwölf Prozent der Männer gehen dieses Risiko ein. Im Ergebnis zeigt sich, dass Frauen signifikant häufiger die "Sicherheit" in der Geldanlage suchen und Männer hingegen häufiger ein höheres "Risiko" eingehen.

Vorsorge für Alter und Scheidung thematisieren

Ein weiterer Unterschied im Investitionsverhalten ist bei verschiedenen Berufsgruppen zu beobachten: Mediziner zwischen 40 und 49 Jahren sind beispielsweise risikoaverser als Gleichaltrige in anderen Berufen. Dagegen sind Befragte aus der Wirtschaft stark von rationalen Überlegungen geprägt, wobei wahrgenommene Kompetenz zu einem signifikant höheren Anteil risikoreicher Anlagen im Vermögen führt.

Für das Verkaufs- beziehungsweise Beratungsgespräch gibt Hurth eindeutige Handlungsempfehlungen für das Gendermarketing: Frauen wollen indirekt kommunizieren, auf der Beziehungsebene - sie wollen persönliche Beratung statt schriftlicher Informationsmaterialien.4)

Dazu müssen die angebotenen Produkte auch zur persönlichen Lebensrealität passen: Frauen sind, bedingt durch Schwangerschaft und Teilzeitphasen, wesentlich häufiger von Altersarmut betroffen als Männer. Hier könnte in der Bankberatung ein verstärkter Fokus auf die private Altersvorsorge gelegt werden. Nach Muthers ist es bei 200 000 Scheidungen pro Jahr in Deutschland in einem Beratungsgespräch auch vorteilhaft und denkbar, wenn Banken diese heikle Vorsorgefalle thematisieren und bei Eintritt des Risikos finanziell begleiten und unterstützen.5)

Beispiele aus dem Ausland

Einige Banken stellen sich besonders auf die unterschiedlichen finanziellen Bedürfnisse von Frauen ein. Hierzu gehört die österreichische Raiffeisenbank Gastein: Dort eröffnete 2006 die erste Frauenbank Österreichs mit einem Shop-in-Shop-Konzept. Mit dem Motto "Frau sein - frei sein" warb die Bank besonders um die weibliche Klientel. Es wurden fünf verschiedene Frauentypen, mit jeweils unterschiedlichen Beratungsbedürfnissen identifiziert, auf welche sich die Bankberaterin dann gezielt einstellen konnte. Zwischen 2006 und 2008 verzeichnete die Raiffeisenbank Gastein einen Zuwachs bei Neukundinnen von rund elf Prozent, gegenüber den Jahren zuvor hatten sich die Neukontoeröffnungen damit verdoppelt.6)

Auch im Nachbarland Schweiz haben zwei Institute die weibliche Zielgruppe für sich entdeckt: Bei der Alternativen Bank Schweiz (ABS) stehen ethische Grundsätze vor Gewinnmaximierung. Die ABS bietet Transparenz in ihren Finanztransaktionen, unterstützt mit ihren Krediten soziale Projekte und fördert die Chancengleichheit von Mann und Frau. Die Statuten der Bank schreiben eine Geschlechterquote im Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung vor. Die ABS verwaltet nach eigenen Auskünften mehr Vermögen von Kundinnen als von Kunden.

Die Coop Bank hat sich ebenfalls auf die Zielgruppe "Frau" spezialisiert: Mit "eva" hat diese Schweizer Bank ein eigenes Beratungskonzept für Frauen geschaffen, um deren spezielle Bedürfnisse in Lebenssituationen wie Ausbildung, Heirat, Scheidung oder Pension zu bedienen.

Die zwei wichtigen Anlageziele "Vermögenserhalt" und "Vermögensmehrung" sind bei Mann und Frau gleich. Die Art der gewählten Anlageform kann sich bei den Geschlechtern zwar unterscheiden. Analysiert man jedoch die Antworten der Befragten multivariant unter Betrachtung von Wissensvariablen wie Interesse, Kompetenz und regelmäßigen Informationen zu Geldanlagen, so hat das Geschlecht keinen maßgeblichen Einfluss mehr auf den Anteil risikoreicher Anlagen im Portfolio.7) Weiterer Effekt: Steigt das Einkommen der Frau, so nimmt die Risikobereitschaft zu.

Contra Frauenbanking: Die Unterschiede werden kleiner

Letztendlich geht es also nicht um Frauen- oder Männermarketing, sondern darum, Kunden individuell zu betreuen. Dies hat auch die Schweizer Bank Coop im Rahmen ihres Frauenprogramms "eva" herausgefunden: Frauen wünschen keine reinen Frauen-Finanzprodukte, sie wollen persönliche Beratung. Banken sollten auf ein ganzheitliches Beratungskonzept umstellen und nicht einseitig nur männliche oder nur weibliche Kunden ansprechen.

Auch die männliche Zielgruppe verändert sich und wird moderner: Männer engagieren sich beispielsweise seit Jahren mehr und stärker bei der Kindererziehung. Fragt man Väter, ob es ihnen erleichtert werden sollte, die Berufstätigkeit einzuschränken, solange die Kinder noch klein sind, würden zwei Drittel mit "Ja" antworten.8) Im Gegenzug hat sich seit 1980 die Zahl der selbstständigen Frauen mit Beschäftigten verdoppelt, die der selbstständigen Frauen ohne Beschäftigte sogar vervierfacht. Es sind also Konzepte gefragt, die zu den modernen Rollen passen, seien sie Managerinnen von Bauunternehmen oder Hausmänner in Elternzeit.

Als Fazit lässt sich festhalten: Frauen werden für Unternehmen und für Banken immer bedeutsamer. Sie nehmen aktiv am Erwerbsleben teil und übernehmen Führungsverantwortung. Im Privatbereich sind sie zunehmend finanziell unabhängig, beeinflussen einen Großteil der Kaufentscheidungen am Markt und kümmern sich fokussiert um die finanzielle Vorsorgeplanung der Familie. Allerdings befinden sich Frauen immer noch in einer anderen Lebensrealität als Männer, geprägt durch Kindererziehung, Teilzeitarbeit, Scheidung oder Verwitwung, was zwangsläufig zu unterschiedlichen finanziellen Bedürfnissen führt.

Unterschiedliches Investitionsverhalten von Mann und Frau sollte in der Bankberatung genutzt werden. In anderen Worten: Wenn Banken es schaffen, Frauen als Kunden ernst zu nehmen und sich ganz auf ihre Bedürfnisse einzustellen, dann werden sie treue und glückliche Kundinnen gewinnen, die durch ihre Mundpropaganda besser sind als jede Werbekampagne.

Anmerkungen

1 Vgl. McKinsey: Women matter - Gender diversity, a corporate performance driver, 2007, URL: http://www.mckinsey.de/html/publikationen/women_matter/2007/women_matter_01. asp, 19.03.2010, S. 10.

2 Vgl. Peters, T.: Re-imagine - Spitzenleistungen in chaotischen Zeiten, Offenbach 2007, S. 172.

3 Vgl. Jörg Perrin, P.: Geschlechts- und ausbildungsspezifische Unterschiede im Investitionsverhalten, in: Kühn/Thom: Berner betriebswirtschaftliche Schriften, Band 39, Bern/Stuttgart/Wien 2007, S. 112. Die Prozentsätze Frauen/Männer beziehen sich jeweils auf den Anteil Frauen/Männer an dem Prozentsatz des Gesamtsamples.

4 Vgl. Hurt, J.: Gendermarketing im Handel. So kaufen Frauen und Männer wirklich, Saarbrücken 2008, S. 86.

5 Vgl. Muthers, H.: So kommt an ihnen keine Frau vorbei, in: Muthers, H. (Hrsg.): Wettlauf um die Frauen - Der Bankkunde der Zukunft ist weiblich, Wiesbaden 2009, S. 111.

6 Vgl. Aigner, B. und Kremser, G.: "Frau sein - frei sein" - das erfolgreiche Zielgruppenkonzept der Raiffeisenbank Gastein, in: Muthers, H. (Hrsg.): Wettlauf um die Frauen - Der Bankkunde der Zukunft ist weiblich, Wiesbaden 2009, S. 125ff.

7 Vgl. Jörg Perrin, P.: Geschlechts- und ausbildungsspezifische Unterschiede im Investitionsverhalten, in: Kühn/Thom: Berner betriebswirtschaftliche Schriften, Band 39, Bern/Stuttgart/Wien 2007, S. 112. Ähnliche Ergebnisse vgl. DIW, Wochenberichte 48/2009.

8 Vgl. Schulz, D.: Frauen ticken anders - weiter so! , in: Muthers, H. (Hrsg.): Wettlauf um die Frauen - Der Bankkunde der Zukunft ist weiblich, Wiesbaden 2009, S. 53.

Prof. Dr. Urban Bacher , Professur für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und für Finanz- beziehungsweise Bankmanagement, Hochschule Pforzheim
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