Verbände als Dienstleister

"Ein genossenschaftlicher Prüfungsverband ist das Ziel"

Herr Weinkauf, Sie haben gerade eine große Fusion zwischen den Genossenschaftsverbänden in Hannover und Frankfurt auf den Weg gebracht. Wie würden Sie diesen Prozess im Rückblick beschreiben und welche Aufgaben liegen noch vor Ihnen?

Er war geräuschlos und effektiv. Rückblickend gesehen beängstigt das Tempo der Fusion fast ein wenig, bei der zwei große Verbände mit jeweils rund 600 Mitarbeitern zusammenkommen. Denn diese unterscheiden sich in ihrer Kultur: Während sich der Verband in Hannover stärker auf die gruppenbezogene Betreuung ausrichtete, war der Frankfurter mehr an Individualität orientiert. Die Vorteile beider Strukturen müssen nun in der neuen Organisation zum Tragen kommen. Das bedarf einer gewissen Zeit. Diese müssen wir uns nehmen.

Welche der Organisationsformen wird sich dabei tendenziell durchsetzen?

Zunächst gilt: Beide Verbände waren gut aufgestellt, aber unterschiedlich. Das Beste fortzuführen muss das Ziel sein. Wir sind bemüht, hier etwas Neues zu schaffen, das der Tradition der beiden Altverbände nicht widerspricht. An einem Beispiel: Im Frankfurter Verband läuft das Betreuungsmodell unter dem Stichwort Key Accounting. Dabei ist ein leitender Mitarbeiter für 20 bis 30 Banken zuständig. Dieses Modell wird im neuen Gesamtverband verwirklicht, um Nähe zu den Mitgliedern zu erreichen. In Hannover war man stärker auf Fachratsarbeit ausgerichtet und insbesondere darauf, die Strategien des BVR in der Region adäquat umzusetzen. Dieses Modell wird ebenfalls in den neuen Verband übernommen.

Wenn Sie alle zurückliegenden Fusionen vergleichen, die Sie bereits miterlebt und miterarbeitet haben: Welche war die leichteste und welche die schwierigste?

Die meisten der bereits bewältigten Fusionen resultierten aus einer typischen Übernahmesituation, bei der ein neues Gebiet zum alten Frankfurter Verband hinzukam. Dabei war es relativ leicht, dem neu angegliederten Verbandsgebiet das entsprechende Gewicht in den Führungsgremien zuzusprechen. Vergleichbar mit der jetzigen Fusion war aber lediglich der Zusammenschluss des damaligen Raiffeisenverbandes Rhein-Main und des Verbandes südwestdeutscher Volksbanken und Warengenossenschaften. Diese Fusion verlief deshalb sehr gut, weil beide Organisationen auf einen Schlag einen neuen gemeinsamen Standort bekamen.

Alle Führungskräfte saßen dort zusammen an einem Tisch und einigten sich über die Reibungspunkte.

Mit dem aktuell vollzogenen Zusammenschluss ist der Genossenschaftsverband e. V. räumlich noch viel größer geworden. Diese Größe soll über die Bildung von Kompetenzzentren aufgefangen werden: In Frankfurt werden die Banken betreut, in Hannover die Nicht-Banken. Alle Verwaltungsprozesse werden über beide Standorte hinweg organisiert.

Ist der aktuelle Prozess also eine Fusion unter Gleichen?

Absolut. In Frankfurt wurde seit langer Zeit die Überzeugung geäußert, dass es eine Konzentration unter den Verbänden braucht. Aus Hannover kamen dieselben Aussagen. Daher war klar, dass die Konsolidierung gemeinsam angegangen wird.

Welche Faktoren haben diese Fusion zu einem Erfolg werden lassen?

Der Zusammenschluss war erfolgreich, weil beide Vorstände ihn wirklich wollten. Denn dann gibt es immer einen Weg, die entsprechenden Organe zu überzeugen. Wenn Vorstand und Aufsichtsrat beziehungsweise Verbandsrat einer Meinung sind, dann folgen ihnen auch die Aktionäre und Mitglieder - zumindest wenn die Verantwortlichen in der Vergangenheit ihre Arbeit gut gemacht haben.

Gremien sollte man immer zeitnah informieren, aber dabei klare Ergebnisse darstellen. Wenn Anregungen aus den Verwaltungsräten und dem Eigentümerkreis geäußert werden, sollten diese gespiegelt und gegebenenfalls berücksichtigt werden. Aber die Grundfesten der Fusion und die grundsätzliche Entschlossenheit der Vorstände dürfen davon nicht berührt werden. Das gilt übrigens für Fusionen jeder Art, nicht nur auf Verbandsebene.

Wie wichtig ist die Rolle der handelnden Personen?

Von den federführenden Personen hängt das Gelingen einer Fusion etwa zu 90 Prozent ab. Wie unterscheidet sich Ihr Fusionsprozess von dem Vorgehen in Baden-Württemberg?

Hier besteht ein Unterschied in der Verfahrensfrage, für den es jedoch einen kulturellen Hintergrund gibt. Die Vergangenheit ist in Baden-Württemberg landsmannschaftlich derart geprägt, dass man die Thematik, wer der Übernehmende und wer der Übertragende sei, nicht in den Vordergrund spielen wollte. Daher entschied man sich für die Gründung eines völlig neuen Verbandes. Steuerlich ist das zwar das teurere Vorgehen, aber es dient der Sache.

Bei dem Vorgehen in Frankfurt und Hannover musste auf Befindlichkeiten dieser Art keine Rücksicht genommen werden. Eine Entscheidung nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien führte zu einer Fusion mit möglichst geringer steuerlicher Belastung. Das war auch der Grund, warum der Genossenschaftsverband Frankfurt übertragender Verband war.

Ihr Genossenschaftsverband deckt inzwischen 13 Bundesländer beziehungsweise Stadtstaaten ab. Inwiefern kann man also bei dieser Organisation noch von einem Regionalverband sprechen?

Der Name Regionalverband ist überholt. Wir verstehen uns als Prüfungs- und Dienstleistungsverband. Das Genossenschaftsgesetz kennt hierfür keine Regionalität.

Welche Vorteile bietet ein Verband dieser Größenordnung den Mitgliedern? Und welche Nachteile sehen Sie?

Durch die Größe ist der Verband in der Lage, eine bessere Mischung zwischen Generalisten und Spezialisten zur Verfügung zu stellen. Um der Komplexität der heutigen Bankenwelt angemessen zu begegnen, bedarf es unbedingt des entsprechenden Know-hows, beispielsweise im Prüfungs-, Beratungs- und Bildungsbereich. Spezialistentum vorzuhalten ist eine Frage der Größe und der Auslastung.

Ein Nachteil, den die Größe mit sich bringt, ist der Verlust von räumlicher Nähe. Das kann man aber ausgleichen. Ein derart großes und heterogenes Verbandsgebiet wie das unsere - die Spannungsbreite der Bilanzsumme von Mitgliederbanken liegt zwischen 20 Millionen Euro und knapp zehn Milliarden Euro - erfordert selbstredend eine andere Aufstellung als ein homogenes Verbandsgebiet ohne große Ballungszentren, wie es beispielsweise die Kollegen in Weser-Ems hervorragend betreuen. Trotzdem wird derselbe Anspruch an die Nähe zu den Mitgliedern definiert wie bei diesem kleinen Verband. Nähe sollte aber nicht nur räumlich definiert werden. Nähe bedeutet vor allem, schnell und kompetent für ein Mitglied da zu sein, wenn es Hilfe braucht. Und das ist eine Frage der Organisation.

Spüren Sie bei den Mitgliedern eine gewisse Furcht vor Ihrem großen Genossenschaftsverband? Die Kleineren schauen ja oft mit ein wenig Sorge auf das Große.

Solche Ängste sind sicherlich vorhanden und ich kann sie auch nachempfinden. Aber man muss stets bedenken: Unterschiede zu den kleineren Verbänden bestehen vor allem in der Art der Leistungen, die abverlangt werden. Große Institute brauchen für viele alltägliche Aufgaben den Verband nicht, für den ihn die kleineren Mitglieder durchaus in Anspruch nehmen. Dafür stellen sie an anderer Stelle sehr komplexe Anforderungen. Um alle bestmöglich zu betreuen, bedarf es einer bestimmten Größenordnung.

Selbstverständlich möchte der Genossenschaftsverband kein Verband sein, der den Ortsbanken etwas diktiert. Er ist Dienstleister für seine Mitglieder. Anders als in der Sparkassenorganisation haben die genossenschaftlichen Regionalverbände keine Macht in den Verbund hinein, denn bei ihnen sind keine Beteiligungsverhältnisse gepoolt. Es bleibt allein die argumentative Macht. Das bedingt das partnerschaftliche Verhältnis, das zu den Genossenschaftsbanken besteht.

Für weitere Konzentrationstendenzen im genossenschaftlichen Verbandswesen haben Sie sich offen gezeigt. Wie viele regionale Verbände sollte es nach Ihrer Meinung in der deutschen genossenschaftlichen Organisation geben?

Die Prüfungsverbände sind sich einig darin, dass es weitere Konzentrationen geben wird. Einen genossenschaftlichen Prüfungsverband zu haben, ist das Ziel.

Wie ist der Weg dahin?

Sicherlich kein schneller. Für eine weitere Konsolidierung müssen zunächst die beschlossenen Fusionen abgearbeitet sein. Sollten jedoch die Kollegen in den anderen Verbänden zu weiteren Schritten bereit sein, dann stehen wir auch jetzt schon zur Verfügung.

Die sächsischen Genossenschaftsbanken sind vor fünf Jahren nicht durch eine Fusion, sondern durch Verbandswechsel zum Genossenschaftsverband Frankfurt gekommen. War das ein einmaliger Vorgang? Oder können Sie sich vorstellen, auf diesem Weg noch weiter zu wachsen?

Die sächsischen Banken würden sicherlich sagen, dass ihnen der Wechsel des Verbandes gut getan hat. Es gab danach keine weiteren Sanierungsfälle. In einer schwierigen wirtschaftlichen Situation brauchten diese Banken einen starken Verband, der sich für sie einsetzte, auch gegenüber der Sicherungseinrichtung.

Die Institute dort entwickeln sich heute gut und haben das auch ein Stück weit dem Verband zu verdanken. Genossenschaftsbanken in Thüringen haben in Bezug auf Risikokennziffern oder die Ergebnissituation einige westdeutsche Bundesländer überholt. In unserem Verbandsgebiet vereinen wir alle neuen Bundesländer und die Entwicklung der Kreditgenossenschaften dort weist nach oben.

Wie soll die Überschneidung Ihres Verbandsgebiets mit dem RWGV beziehungsweise mit dem GVWE gelöst werden?

Natürlich findet mit den betroffenen Verbänden ein Austausch statt. Im Norden von Rheinland-Pfalz existiert eine besondere Situation, weil sich hier sowohl zwei Zentralbanken als auch zwei verschiedene Rechenzentren treffen. Diese grundlegenden Probleme gibt es im Überschneidungsgebiet Weser-Ems nicht.

Wofür bräuchte man bei Ihrer Zukunftsvision nur noch eines Prüfungsverbandes den DGRV?

Der DGRV ist Prüfungsverband wie wir und damit potenzieller Fusionspartner. Seine Aufgaben, insbesondere die internationalen, gingen im Zuge der Verschmelzung auf den gemeinsamen Verband über.

Welche sind die Kernaufgaben, die ein zukunftsfähiger Verband für seine Mitglieder leisten muss? Der Frankfurter Verband hat sich früh auf das Thema Dienstleistungen konzentriert. Ist das vorbildhaft für Deutschland?

Die Zukunft des genossenschaftlichen Finanzverbundes liegt in der Kundenbetreuung. Der Produktvertrieb über den Preis ist keine Kernstärke unserer Organisation. Genauso wie unsere Banken zu ihren Kunden stehen, muss sich der Verband zu seinen Mitgliedsbanken stellen: In der Organisationsform muss Kongruenz bestehen.

Die Genossenschaftsbank vor Ort ist dann für die Betreuung, sprich Förderung, des Kunden zuständig. Der Verbund fördert die Banken durch Produkte und Systeme und die Verbände sichern durch Prüfung, Betreuung und Schulung die Zukunftsfähigkeit des Verbundes.

Das Thema Dienstleistungsangebot und Leistungstiefe ist eine der Tendenzen, die Frankfurt und Hannover zusammengeführt haben. Unter den Mitgliedern befinden sich große Genossenschaftsbanken, die lieber explizit für Leistungen bezahlen möchten, statt einen Verbandsbeitrag zu leisten. Daher haben wir uns stärker auf Dienstleistungen fokussiert.

Die im Genossenschaftsgesetz festgeschriebene Aufgabe des Verbandes ist die Prüfung seiner Mitglieder. Er kann mit diesen Mitgliedern auch weitere Geschäftsverbindungen unterhalten, darf darüber hinaus aber keine Dritten prüfen oder beraten. Das vorgehaltene Know-how wird vom Verband daher über Tochterunternehmen auch der mittelständischen Wirtschaft zur Verfügung gestellt. Diese Vehikel stellen sich dem externen Wettbewerb und behaupten sich darin. Diese erhöhte Wettbewerbsfähigkeit kommt wiederum dem Verband und seinen Mitgliedern zugute. Andere Regionalverbände haben dies ebenfalls erkannt und zogen nach.

Wie stellt sich in Ihrem Verband die Finanzierung dar? Wie sieht das Verhältnis zwischen Verbandsabgaben und Honoraren aus?

Der Umsatz des Genossenschaftsverbandes inklusive seiner Einrichtungen beträgt rund 160 Millionen Euro. Davon kommen 19 Millionen Euro aus Verbandsbeiträgen, was unter 15 Prozent der Einnahmen liegt. Theoretisch wäre es auch möglich, ohne Verbandsbeiträge zu arbeiten. Das hätte aber zur Folge, dass die Prüfungsgebühren, die unter Marktniveau liegen, steigen. Theoretisch ist es für die Mitgliederbanken unerheblich, ob sie den Betrag aus der linken oder aus der rechten Tasche zahlen, doch im Gegensatz zu Honoraren ist der Verbandsbeitrag von der Mehrwertsteuer befreit.

Das heißt, Sie brauchen die Dienstleistungsbreite für die Finanzierung des Verbandes?

Natürlich - und in dieser Interdisziplinarität liegt ein wesentlicher Vorteil.

Stichwort Prüfung: Wie viele der Prüfungen finden im eigenen Verbandsgebiet statt und wie oft prüfen Sie außerhalb? Beziehungsweise wie oft prüfen andere in Ihrem Gebiet?

Im Verbandsgebiet werden lediglich die vier Mitglieder, deren Vertreter sich im Personalausschuss des Verwaltungsrats befinden, von anderen Prüfungsverbänden geprüft. Damit sollen mögliche Interessenkonflikte vermieden werden. Genauso ist es andersherum. Es ist also eine überschaubare Zahl an Prüfungen, bei denen man außerhalb unseres Verbandsgebietes tätig wird.

Aber wäre es nicht eine Möglichkeit, das Spezialwissen des großen Genossenschaftsverbandes e. V anderen Verbänden anzudienen, die dies nicht vorhalten können?

Kooperationen zwischen den Verbänden gibt es bereits, insbesondere in den Bereichen Prüfung und Bildung, wo ein reger Austausch stattfindet. Wenn eine Sonderprüfung nach § 44 KWG angeordnet wird, wird diese dann grundsätzlich an Externe vergeben? Oder findet hier auch ein Austausch zwischen den Regionalverbänden statt? Früher war es so, dass von der BaFin angeordnete 44er-Prüfungen auch an die Verbände vergeben wurden. Das findet heute so gut wie gar nicht mehr statt. Nun werden ausschließlich externe Prüfer oder die Bundesbank beauftragt.

Das ist für die Ortsbanken natürlich teurer, denn die Preise im Verbund liegen unter den Marktpreisen.

Wo sehen Sie weiteres Potenzial für zusätzliches Geschäft für einen Regionalverband?

In den vergangenen Jahren folgten die Genossenschaftsbanken der Tendenz, immer mehr Geld in den Verbund zu vermitteln, beispielsweise in Lebensversicherungen oder Bausparverträgen. Für dieses Geld fühlten sie sich gegenüber ihren Kunden verantwortlich, sie hatten es aber nicht mehr in der eigenen Bilanz. Im Verbandsdurchschnitt lag der Anteil der vermittelten Gelder in Spitzenzeiten bei rund 32 Prozent, wobei die Spreizung von 20 bis über 50 Prozent verlief. Auch wenn dieser Anteil derzeit zurückgeht, wird er doch nach dem Überwinden der Krise wieder steigen. Wenn aber immer mehr Kundenvolumen aus der Bilanz der Banken in den Verbund - genauer in die Bilanzen der Verbundunternehmen - geht, sollte dieser Verbund von der gleichen Instanz geprüft werden, die auch die Ortsbanken prüft.

An welche Verbundunternehmen denken Sie hier genau?

Wenn Unternehmen wie R+V oder DZ Bank im internationalen Geschäft tätig sind, dann brauchen sie einen externen, internationalen Abschlussprüfer. Doch nahezu alle Verbundunternehmen haben national tätige Tochterfirmen. Diese zu prüfen, wäre ebenso eine willkommene Aufgabe wie das Prüfen von Fonds der Union Investment. Auch bei Sonderfallprüfungen wäre ein stärkeres Einbeziehen der Regionalverbände wünschenswert. Beispielsweise bei der Abschirmung des Wertpapierportfolios der DZ Bank durch den BVR bringt sich der Genossenschaftsverband als prüfender Verband mit ein. Denn warum sollen die anfallenden Prüfungsgebühren nicht im Verbund verbleiben.

Wie sieht nach Ihrem Verständnis die richtige Arbeitsteilung zwischen Regionalverband, Zentralverband und der Zentralbank aus?

Die Arbeitsteilung ist klar definiert. Der BVR ist das gemeinsame Strategiezentrum des Verbundes. Die regionalen Prüfungsverbände verstehen sich als Leistungsgeber für die individuellen Volks- und Raiffeisenbanken. Die Zentralbanken sind - gemeinsam mit anderen Verbundunternehmen - Produkt- und Systemlieferanten. Für das operative Geschäft ist das Zusammenarbeiten von Ortsbank und Zentralbank freilich maßgeblich. In diesen Fragen ist die Primärbank gut beraten, wenn sie den direkten Dialog sucht. Ganz anders sieht es jedoch im strategischen Bereich aus. Der BVR erarbeitet unter Mitwirkung der regionalen Verbände, die die Nöte ihrer Mitglieder besser kennen, eine Gesamtstrategie für den Verbund und wir setzen sie regional individuell um. Selbstverständlich kann keine Bank gezwungen werden, ein BVR-Konzept umzusetzen. Sie muss davon überzeugt werden.

Um es einmal deutlich zu sagen: Die Konzentration unter den Prüfungsverbänden erübrigt nicht den BVR. Da dieser die Sicherungseinrichtung des genossenschaftlichen Verbundes verantwortet und letztlich über deren Mittelvergabe entscheidet, kann er nicht gleichzeitig für die Prüfung der Primärstufe zuständig sein. Eine dezentrale Gruppe ist außerdem schlecht beraten, wenn sie alle Aufgaben zentralisiert. Sie fährt besser, wenn sie für jede Aufgabe nur noch einen Anbieter hat. Aber es wäre unklug, alle Aufgaben bei einem Anbieter zu bündeln.

Überzeugt Sie das Fachrätekonzept?

Der Ansatz ist sicherlich richtig, aber bislang ist zu wenig Zählbares herausgekommen. Der BVR hat dies erkannt und arbeitet mit allen Verantwortlichen daran. Wir sind auf gutem Weg.

Was fehlte nach Ihrer Meinung in der genossenschaftlichen Landschaft, um sich den Marktanteilsverlusten der vergangenen Jahre erfolgreich entgegenzustemmen?

Gewisse Tabus wurden zu sehr in den Vordergrund gestellt. Vor vielen Jahren als das Thema Internetbanking aufkam, wäre es gut gewesen, das einmal ohne Vorbehalte durchzurechnen. Zu dieser Zeit wäre eine Konzeption vorstellbar gewesen, bei der die Verbundunternehmen ihren elektronischen Vertrieb eigenverantwortlich organisieren. Beispielsweise hätte der jeweilige genossenschaftliche Direktanbieter der Ortsbank, aus deren Gebiet der Endkunde kommt, einen Ausgleich zahlen müssen. Unser Verband hätte sich angeboten, zu prüfen, wie groß der Ausgleich hätte sein müssen, damit der Ortsbank kein Nachteil entsteht. Hier sind viele Chancen verschenkt worden.

Das zeigt, dass bislang das strategische Kompetenzzentrum zu schwach ausgeprägt war, das früh und weit genug in die Zukunft blickt und die Banken mit drohenden Veränderungen und Herausforderungen konfrontiert. Eine dezentrale Organisation tut sich mit zentralen Herausforderungen immer schwer. Beispielsweise als sich die DDR öffnete und die Deutsche Bank dort sofort flächendeckend startete, hat der genossenschaftliche Finanzverbund versucht, Institute dezentral aufzupäppeln. Das hat unendlich lange gedauert und es gingen fünf bis sechs Jahre verloren. Besser wäre es gewesen, ein einzelnes Institut mit dem Filialaufbau zu beauftragen, mit der Maßgabe, diese später in die Selbstständigkeit zu führen. Solche strategischen Überlegungen sind Aufgabe des Bundesverbandes. Das musste besser werden. Von der derzeitigen Personalkonstellation im BVR erwarte ich mir diesbezüglich sehr viel.

Was müsste man den Ortsbanken jetzt schnell liefern?

Ein System der Aufqualifizierung wäre wünschenswert. Die Chance der Genossenschaftsbanken liegt in der Betreuung von Kunden und Mitgliedern, die allerdings durchgängiger werden muss. Beispielsweise in der Betreuung der mittelständischen Wirtschaft oder dem Geschäft mit wohlhabenden Privatkunden brauchen die Vertriebsmitarbeiter in den Banken vor Ort Spezialwissen. Dieses zu vermitteln, muss mehr als bisher aus dem Verbund heraus kommen, denn hier sind solche Spezialisten ja vorhanden.

Sie sind ein Verfechter des Outsourcing, viele Vertreter der Primärbanken sehen das Thema jedoch skeptisch. Gibt es einen Mittelweg?

Das Outsourcing ist kein Heilsbringer. Aber gerade wenn die dezentrale Struktur des genossenschaftlichen Finanzverbundes erhalten bleiben soll, bedarf es einer stärkeren Standardisierung der Geschäftsprozesse. Es ist ein Unding, dass die Spannbreite der Cost Income Ratios zwischen den verschiedenen genossenschaftlichen Primärbanken von unter 50 bis zu 95 Prozent reicht. Das liegt daran, dass zuviel Individualität hochgehalten wird. Wer langfristig bei dieser Kennzahl über 70 Prozent und beim Betriebsergebnis I (Betriebsergebnis vor Bewertung in Prozent der DBS) unter 0,8 liegt, sollte nur an Kostensenkung denken.

Das geht nur über effizientere Prozesse und damit mehr Standardisierung. Diese erreicht man nicht durch Outsourcing, im Gegenteil ist sie sogar eine Voraussetzung für eine Auslagerung von Tätigkeiten. Spätestens in fünf Jahren jedoch wird eine große Auslagerungswelle beginnen.

Wie schätzen Sie die Bedeutung der Zweistufigkeit für die Zukunft des genossenschaftlichen Finanzverbundes ein?

Die Einstufigkeit wäre der Tod und Dreistufigkeit brauchen wir nicht mehr. Zweistufigkeit ist das System, für jedes Produktangebot nur einen Anbieter zu haben. Das ist Bestandteil des genossenschaftlichen Geschäftsmodells, das die Vorteile einer Universalbankstrategie mit denen einer Spezialbankstrategie kombiniert. Dieses Modell ist wettbewerbsfähig.

Wie groß wäre der Schaden durch ein neuerliches Scheitern des Fusionsprozesses von DZ Bank und WGZ Bank?

Ich hoffe, dass sich die Verantwortlichen dessen bewusst sind, dass diese Themen aktuell auch zwischen den Ortsbanken und ihren Kunden diskutiert werden. Der Finanzverbund macht sich lächerlich, wenn es nicht gelingt, die Zweistufigkeit durchgängig darzustellen.

Bei allem Respekt für das genossenschaftliche Selbstverständnis - gibt es Szenarien, unter denen Sie sich Staatshilfen für die Genossenschaftsbanken vorstellen könnten?

1. Wenn der Staat dies gesetzlich vorschreibt und

2. wenn die Staatshilfen für andere Banken zu Wettbewerbsverzerrungen führen; dann müssen auch die Kreditgenossenschaften darüber nachdenken, sie in Anspruch zu nehmen.

Über wen sollte das laufen?

Über das Zentralinstitut. Kann eine DZ Bank diese Hilfen dann auch adäquat an die Primärbanken weitergeben? Sie sind es ja, die derzeit unter dem Wettbewerbsdruck stehen.

Sie muss diese weitergeben. Das sind aber innere Mechanismen der Marktgerechtigkeit, die nur mit Kontrolle funktionieren. Die regionalen Verbände könnten solche Vorgänge überprüfen und dafür sorgen, dass das Geld an den richtigen Stellen ankäme.

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