Hausbank im Wandel

Das Internet kann die Hausbankbeziehung nicht ersetzen

Alternative Vertriebswege haben im Finanzdienstleistungsbereich in den vergangenen Jahren gegenüber dem Filialgeschäft an Dynamik gewonnen. Gleichzeitig erlebt jedoch die Hausbank ein Comeback. Nicht zuletzt die Finanzkrise belegt, dass Kunden vermehrt das persönliche Gespräch mit ihrer Bank zu komplexeren Finanzfragen wünschen und dass Banken, die dies ihren Kunden überall vor Ort bieten können, das Vertrauen ihrer Kunden genießen. Dies zeigt auch die erneut gestiegene Zahl der Mitglieder bei den Genossenschaftsbanken. 16,4 Millionen Menschen - 200 000 mehr als im Vorjahr - entschieden sich im vergangenen Jahr, Bankteilhaber zu werden. Angesichts einer zunehmenden Erwartung der Kunden, über verschiedene Zugangskanäle mit ihrer Bank in Kontakt treten zu können, liegt einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für die Zukunft von Banken in einem abgestimmten Vertriebswegemix.

Eine technikbegeisterte Kundschaft wächst nach, die ihre Bankgeschäfte bargeldlos und eben auch online abwickeln will. Für die Genossenschaftsbanken bedeutet dies: Das Internet bildet neben der Geschäftsstelle einen wichtigen Vertriebskanal, der keinesfalls vernachlässigt werden darf. Im Rahmen eines konsequenten Multikanalvertriebs nutzt die genossenschaftliche Bankengruppe das Internet für eine wettbewerbsfähige Marktbearbeitung. Dabei konzentriert sie sich auf ihr Kerngeschäft und nicht etwa auf das Zielbild einer "genossenschaftlichen Direktbank" . Unverändert arbeiten die Volksbanken und Raiffeisenbanken über jeden Vertriebskanal auch über das Internet - an ihrem Zielbild "Starke Mitglieder, starker Verbund. Für eine starke Region." Das Internet ersetzt also nicht die Hausbank; vielmehr ist die Hausbank selbstverständlich eben auch über das Internet erreichbar.

Die genossenschaftliche Bankengruppe baut im Rahmen ihrer Multikanalstrategie den Vertriebsweg Internet konsequent aus. Sie begegnet damit den Erwartungen jener Kunden, die einen einfachen Zugang zu Informationen und eine schnelle und bequeme Abwicklung von Standardgeschäften wünschen - via Internet und gegebenenfalls auch ohne Beratung. Diese Kunden nutzen das Internet zunehmend nicht mehr nur für das Onlinebanking, sondern auch für den Abschluss von Finanzdienstleistungen wie zum Beispiel Anschaffungskredite oder Versicherungen. Bei komplexen Finanzfragen erwarten aber auch diese Kunden eine persönliche, umfassende und qualifizierte Beratung.

Aktiver Produktvertrieb im Internet

Wie die Marktforschung zeigt, sehen zwei Drittel der Bankkunden in Deutschland die Beratung und Betreuung durch ihre Bank als wichtiges Element der Geschäftsbeziehung an. Daher bleibt im genossenschaftlichen Finanzverbund die Filiale mit ihrer persönlichen Kundenbetreuung auch künftig wichtigster Vertriebskanal für beratungsintensive Produkte.

Die Multikanalstrategie des Finanzverbundes hat Potenzial und ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Direktbanken stoßen mittlerweile an ihre Wachstumsgrenzen und eröffnen selbst Filialen oder Niederlassungen. Auch unter Kostenaspekten spielt die Ausweitung der Vertriebswege und damit der Zugangswege zur Bank eine wichtige Rolle.

Die Aufgabe der Volksbanken und Raiffeisenbanken muss es daher sein, den Vertriebsweg Internet aktiv auszubauen und zu nutzen. Eine Entwicklung weg von der reinen "Schaufensterwerbung" im Internet hin zum aktiven Produktvertrieb ist dabei anzustreben. Denn es gilt, die Vertriebsleistung durch konkrete Produkt angebote und Produktabschlüsse auch im Internet zu steigern. Der aktive Online-Produktvertrieb ist wichtig, um die Bindung abwanderungsgefährdeter Kunden zu festigen oder die Rückgewinnung bereits abgewanderter Kunden zu erreichen. Natürlich bedarf die Umsetzung der Multikanalstrategie einer konsequenten Planung und einer nüchternen Kosten-Nutzen-Betrachtung. Der BVR stellt den Volksbanken und Raiffeisenbanken daher für den Ausbau des Internetvertriebs ein Online-Tool zur Verfügung, das die Analyse der individuellen Banksituation, eine Strategieableitung, eine Kosten-Nutzen-Rechnung bis hin zur Umsetzungsplanung und Projektdokumentation ermöglicht.

Nähe im Internet abbilden

Sinnvoll ist es für die Genossenschaftsbanken, im Internet sogenannte "Commodities" , also einfache Basisprodukte mit Abschlussmöglichkeiten wie etwa Girokonto, Tagesgeld, Kredit- oder Standardbaufinanzierung anzubieten. Dieses Angebot kann dann um Beratungsprodukte ergänzt werden. So kann sich der Kunde zunächst online zu seinen Bedarfen informieren und bereits erste Modellrechnungen durchführen. Idealerweise hat der Kunde oder potenzielle Neukunde dann bereits online die Möglichkeit zu einem persönlichen Beraterkontakt. So kann die für den Kunden so wichtige persönliche Nähe zu den genossenschaftlichen Banken auch im Internet abgebildet werden.

Die Internet-Strategie ist integraler Bestandteil der Geschäfts- und Risikostrategie. Deshalb sind alle Entscheidungen auf Basis einer Ausgangsanalyse unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Vertriebskanäle zu - angefangen von technischen Plattformen über Prozessabläufe bis hin zur kanalspezifischen Produkt- und Preisgestaltung. Auch Mitarbeiterkapazitäten, Kompetenzen, Rollen und schließlich die Kommunikation der Multikanalstrategie gegenüber Kunden und Mitarbeitern sind zu berücksichtigen.

Natürlich ist das Internet viel mehr als ein klassischer Vertriebskanal. Durch die rasante Entwicklung zu Web 2.0 oder Social Media ist ein großer und wichtiger Informations- und Kommunikationskanal zwischen Bank und Kunde und auch unter den Kunden selbst entstanden. Den Kreditinstituten erschließt sich so die Möglichkeit, durch Kunden und Nichtkundenfeedback neue Erkenntnisse für eigene Aktivitäten oder Angebote zu erhalten.

Für die Volksbanken und Raiffeisenbanken gilt: Das Internet kann die Hausbankbeziehung selbstverständlich nicht ersetzen und das soll es auch nicht. Nichtsdestotrotz sind die von den Kunden präferierten Ansprachewege unterschiedlich. Eine geschickte Multikanalstrategie erkennt die Bedürfnisse online-affiner Kunden und potenzieller Neukunden; gleichzeitig bietet sie für die zahlreichen Kunden, die nicht - nur - mit dem Medium Internet arbeiten wollen, den unverzichtbaren persönlichen Kontakt zu ihrer Genossenschaftsbank über die Filiale.

Uwe Fröhlich , Co-Vorsitzender des Vorstands , DZ BANK AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main
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