Honorarberatung

Klassische Anlageberatung nicht rechtlich abwerten

Die Anlageberatung erfährt derzeit in der politischen Diskussion viel Aufmerksamkeit. Obgleich der Gesetzgeber in diesem Bereich in den vergangenen drei Jahren besonders aktiv war - zuletzt mit dem Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz1) - kreist die Diskussion auf nationaler wie auf internationaler Ebene bereits um weitere neue Aspekte. So zählt die Stärkung der Honorarberatung zu einem der zentralen Vorhaben der "Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen" des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV).2)

Diese nun schon drei Jahre währende Initiative mündete im Juli dieses Jahres in einem Papier mit dem Titel "Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung".3) Kernpunkt ist, dass ein Berufsbild für Honorarberater geschaffen werden soll - wie etwa bei Steuerberatern oder Rechtsanwälten - das für die einzelnen Segmente neben dem schon existierenden Versicherungsberater auch einen Darlehens- und einen Anlageberater enthalten soll. Ist ein Berater in allen Segmenten tätig, soll er sich Finanzberater nennen dürfen. Die so bezeichneten Berater sollen dann entweder überhaupt keine Provisionen vereinnahmen oder die Provisionen an den Kunden durchleiten müssen. Als besonders kritisch ist zu bewerten, dass die vorgenannten Begriffe dann ausschließlich von den Honorarberatern verwendet werden dürfen.

Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, dass die Anlageberatung im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit steht. Sie leistet eine wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe in einer Marktwirtschaft, weil sie für die Spartätigkeit weiter Bevölkerungskreise von grundlegender Bedeutung ist. In einer Zeit, in der die Bundesbürger zunehmend mehr Eigenverantwortung für ihre Absicherung und Altersvorsorge übernehmen müssen, steigt die Bedeutung grundlegender Finanzkenntnisse weiter an. Angesichts dessen wächst die Bedeutung der Anlageberatung, statt abzunehmen. Das gilt umso mehr auf der schweren See, auf der sich der Kapitalmarkt auf absehbare Zeit weiter bewegen wird.

Honorarberatung ist kein Allheilmittel

Viele Menschen müssen von der Notwendigkeit überzeugt werden, für Notfälle wie für ihr Alter vorzusorgen - auch das ist eine wichtige Seite der Anlageberatung, die in der Diskussion nicht vernachlässigt werden sollte. In Geldangelegenheiten räumen die Anleger der persönlichen Beratung durch ihren Finanzexperten einen außer ordentlich hohen Stellenwert ein. Wer eine bessere Beratung und Vermögensbildung von Anlegern will, darf allerdings nicht durch falsche Maßnahmen gute Beratung für die breite Bevölkerung immer stärker erschweren. Wir raten daher dringend von Maßnahmen ab, die heute praktizierte Anlageberatung rechtlich abzuwerten.

Die derzeitige Diskussion um die Anlageberatung fokussiert aus unserer Sicht zu einseitig auf Probleme der Falschberatung. Zu kurz kommt das Ziel der Vermögensbildung insbesondere der Bevölkerung mit geringem Vermögen. Wir warnen daher ausdrücklich davor, das Modell der von Provisionen unabhängigen Honorarberatung als Allheilmittel anzusehen. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Anlageberatung in Sparkassen und Genossenschaftsbanken orientiert sich an den Bedürfnissen der Anleger vor Ort. Die Institute sorgen mit ihrer Anlageberatung für eine flächendeckende und alle Schichten der Bevölkerung erfassende Vermögensbildung und Vorsorge. Der Vorwurf, sie seien bloße Vermittler, sprich: Verkäufer, ist nicht zutreffend. Vielmehr leisten diese Institute in unzähligen Fällen ganz konkrete Beratung.

Umfassende Aufklärung und Information des Anlegers durch sein Kreditinstitut klingen nach selbstverständlicher Dienstleistung, sind aber in einer Welt unübersehbarer Produktvielfalt und täglicher Innovationen alles andere als einfach zu leisten. Längst finden Elemente der Finanzplanung ihren Weg in die alltägliche Dienstleistung der Anlageberatung in einer auf Langfristigkeit und Vertrauen angelegten Kundenbeziehung. Die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken haben sich jeweils eigene Grundsätze der Anlageberatung gegeben, in denen die objektive Beratung zum Leitbild erklärt wird.4)

Wichtig ist auch: Provisionen sind für den Anleger bereits heute transparent. Sparkassen und Genossenschaftsbanken klären in jeder Wertpapierberatung darüber auf und halten dies im Rahmen des Beratungsprotokolls fest.

Honorarberatung bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken etabliert

Honorarberatung ist nichts Neues am deutschen Markt, sondern eine Dienstleistung, die sich bereits seit geraumer Zeit in der Erprobung befindet, übrigens auch bei den Kreditinstituten selbst und nicht nur bei den selbstständigen sogenannten Vermögensberatern. Bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken gibt es - meist unter der Bezeichnung des Financial Planning - entsprechende Angebote, die auf eine mehr oder weniger umfassende Vermögens- und Einkommensanalyse mit Planungs- und Gestaltungselementen abzielen. Diese systemgestützten Beratungsleistungen werden häufig gegen Entgelt von entsprechend zertifizierten Beratern auf Vertragsbasis angeboten.

Eine Honorarberatung im strengen Sinn des Wortes hat damit längst ihren Platz gefunden bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Es wäre äußerst kontraproduktiv, sollte die Politik diese Tatsache ignorieren und die Honorarberatung nur außerhalb der Kreditwirtschaft ansiedeln wollen durch eine ausschließlich berufsständische Lösung. Damit würde die "zarte Pflanze" Honorarberatung bereits im Ansatz zertreten.

Denn eines muss klar sein: Ohne die Sparkassen und Genossenschaftsbanken einzubeziehen in die beabsichtigte gesetzliche Regelung kann Anlageberatung auf Honorarbasis - wie sie eigentlich korrekt bezeichnet werden sollte - nicht in die Fläche und alle soziale Schichten hineingetragen werden.

Die Grafik zeigt, dass die Anlageberatung auf Honorarbasis als Finanzdienstleistung eher in den oberen Kundensegmenten der Kreditinstitute angesiedelt ist und das in vielfältigster Form, was die vertraglichen Einzelheiten und Gestaltungsformen der Beratungsleistungen betrifft.

Seit geraumer Zeit ist eine Bewegung festzustellen in Richtung des Pfeiles, die die Implementierung von Elementen der Finanzplanung in den unteren Kundensegmenten beabsichtigt. Traditionell werden diese Dienstleistungen jedoch nicht bepreist, und zwar aufgrund der mangelnden Akzeptanz am Markt dafür.

Provisionsbasierte Beratung nicht diskriminieren

Es besteht Einigkeit in der Deutschen Kreditwirtschaft, dass die Honorarberatung für einen Teil der Kundschaft, insbesondere soweit erhebliches Vermögen vorhanden ist, in Betracht kommen kann. Die Deutsche Kreditwirtschaft rät daher dringend von Maßnahmen ab, die heute praktizierte Anlageberatung rechtlich abzuwerten, indem etwa den in Kreditinstituten tätigen Kundenbetreuern die Bezeichnung als Anlageberater(in) verwehrt wird. Die Wahl eines niederwertigeren Begriffs würde im Gegenteil die Bemühungen der Institute um Stärkung des Kundenvertrauens zunichtemachen.

Wenn Honorarberatung reguliert werden soll, dann sollten aus unserer Sicht jedenfalls folgende Eckpfeiler gelten.

Beratungen müssen gleichwertig behandelt werden. Es darf keine Diskriminierungen der provisionsbasierten Beratung geben.

Da honorar- und provisionsbasierte Beratung unterschiedliche Kundengruppen adressieren, sollten sie auch in einem Haus angeboten werden können.

Eine Regulierung sollte im Kontext der Revision der europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFID und nicht losgelöst davon erfolgen.

Kein deutscher Alleingang

Die Umsetzung der vom BMELV vorgeschlagenen Maßnahmen wird aus rechtlicher Sicht keineswegs einfach sein, da hier sehr viele Regelungen europarechtlich vorgegeben sind und nicht ohne Weiteres durch den nationalen Gesetzgeber gestaltet werden können.

Es bestehen nach unserer Auffassung sogar rechtliche Bedenken, ob ein Vorhaben, das die Anlageberatung begrifflich für die Honorarberatung monopolisiert, mit der Finanzmarktrichtlinie MiFID in Einklang zu bringen wäre. Anlageberatung wird gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 5 MiFID als erlaubnispflichtige Wertpapierdienstleistung eingestuft und definiert.5) Sie sollte daher künftig auch weiterhin Anlageberatung genannt werden können, ohne gesetzlich auf die Honorarberatung über Geldanlagen beschränkt zu sein.

Überdies werden die Rahmenbedingungen für die Anlageberatung derzeit ohnehin auf europäischer Ebene im Zuge der anstehenden Revision der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) überprüft. Schon aus diesem Grund erscheint ein deutscher Alleingang nicht sachgerecht. Soweit ersichtlich, gehen die Überlegungen der Europäischen Kommission in eine abweichende Richtung, nämlich die Wertpapierdienstleistung Anlageberatung über eine Informationspflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens dem Kunden gegenüber aufzufächern in Beratungsleistungen, die (un)abhängig, auf breiter oder enger Recherchebasis und mit oder ohne Nachbetreuung erfolgen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass der derzeitige nationale regulatorische Rahmen Honorarberatung ja - wie auch das Angebot am Markt zeigt - ohne Weiteres zulässt. Ebenso wendet sich die Deutsche Kreditwirtschaft ausdrücklich gegen Überlegungen, bei der parallelen Erbringung von Honorarberatung und der herkömmlichen Anlageberatung eine strikte Trennung von Geschäftsbereichen oder gar eine gesellschaftsrechtliche Trennung vorzusehen. Eine solche Trennung ist nicht geboten, da derzeit schon mit Vorschriften zur Vermeidung von Interessenkonflikten und einer klaren Darlegung gegenüber den Kunden, ob Honorar verlangt wird, wirtschaftlich effizientere Mittel zur Verfügung stehen, Konfliktfreiheit und Transparenz zu gewährleisten.

Last but not least gilt: Gute Beratung ist zuvorderst eine Aufgabe für die Institute selbst - und damit auch eine Frage des Wettbewerbs -, nicht aber des Gesetzgebers.

Anmerkungen

1 Dort werden zur weiteren Verbesserung der Anlageberatung die Anforderungen an die Qualifikation und Zuverlässigkeit der Anlageberater und Vertriebsbeauftragten aufgestellt. Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen ferner durch erweiterte Maßnahmen sicherstellen, dass Kundeninteressen durch die Vertriebsvorgaben und -interessen des Unternehmens nicht gefährdet werden. Berater, Verantwortliche für Vertriebsvorgaben und die sogenannte Compliance-Funktion sind ab November 2012 bei der BaFin zu registrieren. Die angemessene Qualifikation dieser Mitarbeiter ist auf Nachfrage nachzuweisen. Der BaFin sind Beschwerden, die im Rahmen der Anlageberatung bei den Banken eingehen, anzuzeigen, damit die Aufsicht Missstände in der Anlageberatung besser identifizieren kann.

2 Siehe www.bmelv.de.

3 http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Verbraucherschutz/FinanzenVersicherungen/EckpunktHonorarberatung.pd f; jsessionid=6958B0269FDA05B331FEB00A185CAF2E.2_ cid237?__blob=publicationFile.

4 BVR-Leitlinien für die genossenschaftliche Vermögensberatung, in: Handbuch der Vermögensberatung, Kapitel A2, S. 3 ff., Wiesbaden 2010; Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Stuttgarter Erklärung der Sparkassen-Finanzgruppe zum Sparkassentag 2010 zu den Konsequenzen aus der Finanzkrise: "Vertrauen gewinnt" - Lehren aus der Finanzkrise, www. dsgv.de.

5 Artikel 4 Abs. 1 Nr. 4 Richtlinie 2004/39/EG.

Gerhard Hofmann , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis , Geschäftsführendes Vorstandsmitglied , Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., DSGV, Berlin
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