Bankmanagement-Glossar

Krisenmanagement

Die unterschiedlichen Nachrichtenkanäle (Massenmedien wie Print, TV oder Online) veröffentlichen nahezu täglich Meldungen zu Skandalen und Affären der Politik und Wirtschaft. Neben den Politikern bleiben auch Unternehmen nicht verschont von Problemfällen, Krisen und Fällen von Missmanagement. Was für die Nachrichtenempfänger mittlerweile fast alltäglich ist, bewirkt für die betroffenen Unternehmen und Organisationen der Wirtschaft und Gesellschaft einen Ausnahmezustand. Unter Krisen versteht man in diesem Kontext komplexe Problemsituationen mit Handlungsdruck, die zumeist einen Überraschungseffekt haben und einen Lähmungszustand und Überforderung auslösen, sofern weder Erfahrungen noch Lösungskonzepte vorliegen. Krisen stellen eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Unternehmenserfolgs beziehungsweise eine nachhaltige Existenzgefährdung dar und haben zumeist eine ungewisse Eintrittswahrscheinlichkeit und einen überraschenden "Ausbruch". Es handelt sich um ungewollte Prozesse mit beschränkter Dauer, aber hoher Öffentlichkeitswirkung, weil es oftmals zu einer Skandaleskalation durch die Massenmedien kommt.

Weitere Merkmale von Krisen sind die subjektive Schuldzuschreibung und wenig Sachlichkeit. Krisen können auf die betroffene Organisation beschränkt sein oder auch ganze Teilsysteme beziehungsweise Branchen betreffen, wie beispielsweise das Spekulationsverhalten einzelner Banken, das zu einer generellen Verunsicherung und Veränderung im Anlageverhalten im Finanzdienstleistungsbereich geführt hat.

Krisen können grundsätzlich zwei Verläufe nehmen und entweder als Überraschungskrise, die plötzlich da ist oder als Krise, die sich entwickelt und aufbaut, auftreten. Der sogenannte Skandal ist oftmals die Keimzelle. So führten die Dopingskandale einzelner Radsportler zu einer Krise des gesamten Radsports und negativen Auswirkungen in Bezug auf die Sponsoren.

Bedeutung von Krisenkonzepten wird unterschätzt

Damit Unternehmen den Anforderungen dieser Situationen gewachsen sind, müssen sie sich der möglichen Gefahren, Risiken und Krisen frühzeitig bewusst werden und Krisenkonzepte entwickeln, um den materiellen Schaden und Imageschäden für das Unternehmen möglichst gering zu halten. Die Bedeutung der richtigen Kommunikation im Krisenfall liegt darin, dass Risiken beziehungsweise Krisen Wahrnehmungsphänomene sind, die bei falschem Umgang mit den Medien im Verhältnis zum eigentlichen Anlass ein Eigenleben entwickeln können, das weit über den ursprünglichen Schaden hinausgehen kann.

In der einschlägigen Literatur findet man allerdings wenig über Krisenmarketing, die Bedeutung von Krisenkonzepten wird schlichtweg unterschätzt. Innerhalb der Unternehmens- und Organisationskommunikation wird das Thema Risiko- und Krisenkommunikation zumeist den Public Relations zugeordnet. Die Krisenkommunikation sieht das Risiko beziehungsweise die Krise als Kommunikationsphänomen. Im Falle von Skandalen kann es zu einem weiteren Skandal führen, wenn Unternehmen sich nicht richtig in der Öffentlichkeit verhalten. Krisensituationen verlangen daher nach hoher Medienkompetenz der Personen, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Risiko, Krise und besonders Skandale erinnern oftmals an Tragödien aufgrund ihrer theatralischen Handlungsverläufe. Bei Krisen sind zumeist mehrere Personen beteiligt, die unterschiedliche Rollen innehaben. Dazu zählen "Ankläger/Aufdecker" (Journalisten, Wissenschaftler, Protestgruppen, aber auch Einzelpersonen), die "Skandalisierten" (Verursacher, wobei teilweise eine Personifizierung stattfinden kann), die Medienvertreter als Transporteure/Vermittler, die "Opfer" (potenzielle und tatsächliche Opfer sowie sich betroffen fühlende Unbetroffene) und die allgemeine Öffentlichkeit sowie die Rechtsprechung und gegebenenfalls die sogenannten Retter (Sanierer von Unternehmenskrisen).

Der Verlauf des Skandals kann sehr unterschiedlich sein und mit klaren Kon sequenzen, zum Beispiel Rücktritten, strukturelle Reformen, aber auch einem "Einschlafen" des Skandals mangels Resonanz verbunden sein. Skandale können auch danach typisiert werden, ob ein Produkt, eine Person, ein Unternehmen oder eine Marketingaktivität betroffen sind und ob die Betroffenheit direkt oder indirekt ist.

Drei Phasen des Skandalmarketings

Bei den Phasen des Skandalmarketing kann zwischen folgenden drei Phasen unterschieden werden.

1. Die Vorbeugung, in der es um eine Skandalimmunisierung geht im Sinne einer Verringerung des Eintrittsrisikos und einer Erhöhung des Skandalbewältigungspotenzials. Als mögliche Maßnahmen dieser Phase können eine Schwachstellenanalyse, Prüfung der Skandalanfälligkeit (sensible Themen, Personen, Aktivitäten), ein Erstellen von Krisenplänen, Krisenstäbe, Bereitschaftspläne Kontaktadressen, Verfahrensregeln (Festlegung einer eigenen Kommunikationsstruktur), kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, klare Markenpolitik und Imageprofilierung sowie die Prüfung der Reaktionsgeschwindigkeit/"time-tomarket" genannt werden.

2. Im Akutstadium liegt das Ziel in der Skandaleindämmung. Mögliche Maßnahmen in diesem Zusammenhang sind die Veranlassung von Sofortmaßnahmen, Benachrichtigung wesentlicher Interessengruppen, Medienarbeit inklusive Pressekonferenzen, Presseaussendungen mit klarer kommunikativer Argumentationslinie, Monitoring/Beobachtung und Koordination der laufenden (Marketing-)Aktivitäten und Kooperationsüberlegungen.

3. In der Phase der Aufarbeitung liegt das Ziel in einer Beseitigung und Reduzierung der Skandalauswirkungen und dem Versuch einer positiven Imageprofilierung ("Skandal als Chance") sowie dem Lernen aus dem Skandal. Mögliche Maßnahmen können dabei in der Personalpolitik, Organisationsveränderung, Revision der Krisenpläne, dem Überdenken bisheriger Strukturen und Abläufe, der Kooperation mit Behörden und Fachverbänden und Grundsatzdiskussionen liegen.

Krise als Chance

Auch wenn sich keine Organisation und kein Unternehmen eine Krise wünscht, können aus einer Krise auch positive Aspekte gewonnen werden ("Das Gute im Schlechten"). Für das betroffene Unternehmen kann es zu einer Erneuerung und einem Neustart führen. Unternehmen können aus den Fehlern lernen. Die Empirie zeigt, dass eine glaubhafte Skandalbewältigung Kompetenzzuschreibung und teilweise höhere Kundenbindung schaffen kann ("do it right the second time"). Für die anderen Unternehmen der Branche kann eine Krise als Profilierungschance aufgrund hoher Themenaktiviertheit und Sensibilität in der Öffentlichkeit genutzt werden. Der Wert der "Marke" und der "positiven News" steigen, und der Zugang zu den Medien wird vereinfacht. Für die Anbieter-/Interessensgemeinschaft einer Branche kann eine Krise gemeinsame Aktivitäten für zukünftige Skandalimmunisierung und -bewältigung auslösen und den Anstoß für grundlegende Verbesserungen und einen Erneuerungsschub geben.

Für Kunden führen Krisen oftmals zu mehr Transparenz des Marktes durch verstärkte Informationsaktivitäten und zu einer mittelund langfristig höheren Sicherheit durch verbesserte Qualitäts- und Kontrollstandards (zum Bespiel bessere Überwachungssysteme, Einlagensicherungssystem).

Voraussetzung für ein erfolgreiches Krisenmarketing ist das frühzeitige Erkennen und der richtige Umgang im Krisenfall. Dadurch kann eine Eskalation und Ausweitung der Krise auf andere Personen, Unternehmensbereiche oder das gesamte Unternehmen bis hin zur gesamten Branche reduziert beziehungsweise im Idealfall verhindert und der Imageschaden in Grenzen gehalten werden. Für den teilweise krisengeschüttelten Finanzdienstleistungssektor, in dem die betroffenen Finanzdienstleister gerade bemüht sind, das verlorene Vertrauen in das Bankensystem wiederaufzubauen, ist es wichtig, zumindest ex post aus den Problemen der Vergangenheit zu lernen, um durch verbessertes zukünftiges Krisenmarketing die Krisenanfälligkeit der einzelnen Unternehmen und der Branche als Gesamtes zu verringern beziehungsweise im Idealfall zu verhindern.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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