Bankmanagement- Glossar

Mass Customization

"Mass Customization" - ein begriffliches Konstrukt, das "mass production" und "individual customization" integriert - wurde 1989 von Stanley M. Davis in der "Harvard Business Review" präsentiert. Damals schien eine individualisierte Massenproduktion nicht nur ein Widerspruch zu sein, sondern sie war es tatsächlich. Die zwei Voraussetzungen waren damals nicht oder nur völlig unzureichend erfüllt: eine kundenorientierte Produktbestellorganisation und eine flexible Massenproduktion. Heute ist ein Status quo erreicht, der in vielen Bereichen Mass Customization bereits realisiert und in vielen weiteren Bereichen möglich macht.

Mass Customization ist ein Business Model, das

eine automatisierte Bestellorganisation und ein flexibles Produktionskonzept hat,

für einen Massenmarkt konzipiert ist,

dem Kundenwunsch nach Produktindividualisierung durch eine Variation von Produktmerkmalen nachkommt und

diese mit den Kostenvorteilen der Massenproduktion verbindet, sodass die Kosten nicht über die einer Massenproduktion hinausgehen.

Mass Customization bedarf einer direkten Interaktion mit dem Kunden. Erst die automatisierte Bestellorganisation durch die Möglichkeiten des Internets hat den Durchbruch ermöglicht. Ein Kunde kann nunmehr leicht spezifische Individualisierungsdimensionen wie Größen- oder Designmerkmale individuell angeben beziehungsweise das von ihm gewünschte Produkt aus Einzelmodulen und Serviceelementen selbst zusammenstellen.

Mass Customization ist darauf ausgerichtet, auf einem großen Absatzmarkt angeboten zu werden. Je Produkt und Versandkosten kann der Absatzmarkt regional, national, kontinental oder global sein.

Individualisierte Produkte in einem automatisierten Bestellprozess

Mass Customization bedeutet, dass individualisierte Produkte in einem automatisierten Bestellprozess geordert werden. Sie unterscheiden sich dabei von den Produkten einer reinen Massenproduktion nur in der spezifischen Konfiguration. Es handelt sich somit nicht um eine Einzelfertigung, wodurch die Vorteile der Massenproduktion wie Wirtschaftlichkeit, Kontinuität und Stabilität des Produktionsprozesses genutzt werden können. Als Basis bietet sich eine generische Produktarchitektur an, die im Bestellprozess kundenspezifisch konfiguriert werden kann. Es gilt, die Anzahl der angebotenen Produktvarianten so zu definieren, dass die Auswahlmöglichkeiten für den Kunden bedeutsam und von der Komplexität überschaubar sind.

Mass Customization bedeutet auch eine Managementherausforderung. Es gilt, die Produktionsprozesse so zu gestalten, dass die Kosten einer Massenproduktion nicht überschritten werden beziehungsweise aus den Vorteilen, die sich am Markt durch die Produktindividualisierung ergeben, und eventuellen Mehrkosten gegenüber einer reinen Massenproduk tion ein Optimum zu erzielen. Mass Customization benötigt zu seiner Etablierung Managementkapazität und ist mit Investitionskosten verbunden. Start ups können ein entsprechendes Konzept umsetzen, ohne auf bestehende Strukturen Rücksicht nehmen zu müssen. Für etablierte Unternehmen gilt es auch, eine strategische Neuorientierung zu realisieren. In jedem Fall ist ein Komplexitätsmanagement erforderlich. Mass Customization gibt es heute für eine Fülle von Produkten und kaum mehr aufzählbar: Kleidung und Schuhe, PCs, Handyschutzhüllen, Becher, Poster, Schokolade, Fahrräder, Tischservietten, Golfutensilien oder Uhren. Tatsächlich lassen sich nahezu alle Alltagsgegenstände personalisieren.

Auch für Dienstleistungen

Aber auch Dienstleistungen können mass customized werden. Bei Banken trifft dies sowohl für das Spar- als auch für das Kreditgeschäft zu, wo mit wenigen Produktmerkmalen eine Fülle individualisierter Produkte geschaffen werden kann, ohne dass dadurch die Flut an Produkten zunimmt. Es dürfte sogar mit Mass Customization möglich sein, die Anzahl der Produkte zu reduzieren.

Auch im Kartengeschäft gibt es die Möglichkeit der Mass Customization: aus Design (zum Beispiel anhand individuell bereitgestellter Fotos), Laufzeit, monatlichem Verfügungsrahmen, Gültigkeit (zum Beispiel national, kontinental, global), Rechnungslegung (täglich, wöchentlich, monatlich) lässt sich leicht eine individualisierte Karte gestalten. Auch für Versicherungen kommt Mass Customization infrage und stellt ein interessantes Konzept dar.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
Noch keine Bewertungen vorhanden


X