Zahlungsverkehr

Meilensteine der Sepa-Migration

Der britische Handelsminister, Lord Green, hat in seiner Rede anlässlich des diesjährigen Bankentages gesagt: "Aussagen wie die, dass man Europa zum wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum machen will, bleiben leere Worte, solange der Erwerb eines Patents in vielen Mitgliedstaaten sieben Mal so teuer ist wie in Japan und Südkorea."

Hinter der Sepa, dem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum, der ebenfalls von zentraler Bedeutung für die Sicherstellung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union ist, verbergen sich glücklicherweise keine leeren Worte. Die Europäische Kommission stellte bereits im Jahr 1998 fest, dass die Potenziale eines einheitlichen Binnenmarktes im Finanzbereich noch lange nicht ausgeschöpft waren. Zur Verwirklichung fehlte vor allem eine einheitliche Zahlungsverkehrsinfrastruktur. Konsequenterweise wurde die Modernisierung des Zahlungsverkehrs auch in der Lissa-bon-Strategie des Europäischen Rates im Jahr 2000 verankert. Diese Strategie verfolgte das Ziel, Europa zum "wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum" der Welt zu machen. Der Grundstein für die Sepa war gelegt.

Die europäische Kreditwirtschaft wurde von der Politik aufgefordert, im Wege der Selbstregulierung effiziente, sichere und europaweit einheitliche Zahlungsverkehrsverfahren zu entwickeln. Die europäische Kreditwirtschaft nahm diese Herausforderung an und gründete im Jahr 2002 das European Payments Council, in dem europäische Banken und kreditwirtschaftliche Verbände zusammenarbeiten.

In den darauffolgenden Jahren wurde mit Hochdruck an einer gemeinsamen Infrastruktur mit einheitlichen Standards, Verfahren und Prinzipien gearbeitet. Die Sepa-Überweisung konnte im Jahr 2008 eingeführt werden, gefolgt von den Sepa-Lastschriftverfahren im November 2009. Um die 4000 Kreditinstitute in ganz Europa haben mittlerweile die Sepa-Verfahren unterzeichnet und bieten diese ihren Kunden an. Heute arbeiten im European Payments Council mehr als 250 Experten aus 32 europäischen Ländern an den Zahlungsverkehrsverfahren der Zukunft.

Sepa bleibt ein Kompromiss

Zum ersten Mal in der Geschichte Europas ist es gelungen, nationale Grenzen bei der Abwicklung von Zahlungen zu überwinden. Über Jahrzehnte bestehende Insellösungen fügen sich nun zu einem europäischen Ganzen zusammen. Innerhalb kürzester Zeit hat die europäische Kreditwirtschaft nicht nur ein gemeinsames Gremium - das European Payments Council - auf die Beine gestellt, sondern gleichzeitig auch noch Verfahren entwickelt, die von allen Banken in Europa mitgetragen und angewendet werden. Die Sepa ist und bleibt jedoch ein politisch initiiertes Projekt. Die Politik war Auftraggeber und die Kreditwirtschaft Auftragnehmer.

Was verbirgt sich hinter den Sepa-Verfahren? Bestand der europäische Zahlungsverkehr bisher aus vielen heterogenen Zahlungsverkehrslandschaften, kann nun von einem Konto aus, mit einem Verfahren, jedes Konto in den 32 Sepa-Ländern erreicht werden. Egal, ob es sich dabei um Konten für das Rentnerehepaar auf Mallorca, den deutschen Austauschstudenten in Paris oder um ein zentral geführtes Konto in Deutschland für europaweit tätige Mittelständler handelt (siehe Abbildung 1).

Im Konkreten bedeutet dies, Verbraucher und Unternehmen können ihren gesamten Zahlungsverkehr von einem einzigen Konto bei einer beliebigen Bank in ganz Europa aus tätigen. Dies führt nicht nur zu Kosteneinsparungen durch die Reduzierung von Kontoverbindungen, sondern auch zu einem verbesserten Liquiditätsmanagement der international tätigen Unternehmen.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Standardisierung führt zu mehr Interoperabilität, mehr Wettbewerb und sie fördert Innovationen. Natürlich werden wir gefragt: "Was bringt denn die Sepa für Kunden, die nur regional aktiv sind? Solche Kunden, die mit den heutigen Bezahlverfahren zufrieden sind? Solche Kunden, die bisher schon ein Null-Euro-Konto haben und bei denen Transaktionen als vermeintlich kostenlos angenommen werden?" Aber wurde diese Frage nicht auch bei der Euro-Einführung gestellt? Was bringt uns das Ganze? Gab es nicht auch dort Begünstigte und Betroffene zugleich? Trotzdem über wogen die volkswirtschaftlichen Vorteile, sodass letztendlich der Euro die Deutsche Mark ersetzte.

Betrachtet man die Sepa-Verfahren als solches, lässt sich Altbewährtes und auch Neues erkennen. Das Prinzip einer grenzüberschreitenden Überweisung gab es bereits vor Einführung der Sepa. Neu ist hingegen die Regelung der Laufzeit. Innerhalb von zwei Bankarbeitstagen kann der Begünstigte über den Betrag auf seinem Konto verfügen. Ab Januar 2012 reduziert sich dies auf einen Bankarbeitstag.

Gänzlich neu ist hingegen die Einführung einer grenzüberschreitenden Lastschrift. Zum ersten Mal kann die Wohnungsmiete für den deutschen Austauschstudenten in Paris auch von seinem heimischen deutschen Konto eingezogen werden. Das Erstattungsrecht ist nach wie vor sehr unbürokratisch. Ohne Angabe von Gründen kann eine autorisierte Lastschrift innerhalb von acht Wochen zurückgegeben werden. Für nicht autorisierte Lastschriften gelten sogar 13 Monate. Wenn also ein Kunde eine Belastung auf seinem Konto zurückbuchen möchte, genügt eine entsprechende Information an seine Bank und der Betrag wird mit der Wertstellung zum Abbuchungstag wieder gutgeschrieben.

Neu ist die Vorlauffrist für die Einreichung von Sepa-Lastschriften. Für Erstlastschriften gilt eine Frist von fünf Tagen, bei Folgelastschriften von zwei Tagen. Hier haben sich andere Länder mit vermeintlichen Verbraucherschutzaspekten durchgesetzt. In diesen Ländern prüfen Banken vor Belastung des Kontos die Rechtmäßigkeit einer Lastschrift oder lassen Abbuchungen von Kunden bestätigen - in Deutschland als Lastschriftnation mit über acht Milliarden Lastschriften pro Jahr eine undenkbare Praxis.

Kunden, die bereits vor Einführung der Sepa grenzüberschreitende Überweisungen getätigt haben, sind bereits mit der neuen Kontoidentifikation von IBAN und BIC vertraut. Die IBAN setzt sich aus vertrauten Angaben zusammen, sodass sich Verbraucher auch im Inlandszahlungsverkehr daran gewöhnen werden.

Innovationsbeispiel elektronisches Sepa-Mandat

Bei der Ausgestaltung der Sepa-Verfahren ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner herausgekommen, sondern es ist gelungen, einen größtmöglichen Kompromiss zwischen 32 zum Teil sehr unterschiedlichen nationalen Zahlungsverkehrsverfahren zu erzielen. Dennoch bleibt es ein Kompromiss mit allen Vor- und Nachteilen wie das Beispiel der Vorlauffrist zeigt.

Banken bieten auf Basis der Sepa-Verfahren bereits neue Produkte und Dienstleistungen an. Aber auch die Verbesserung und Weiterentwicklung der Verfahren schreitet voran. Immer mehr Geschäftsabschlüsse finden im Internet statt. Um diesem Rechnung zu tragen, wurden elektronische Sepa-Mandate eingeführt. Zukünftig kann ein Zahler im Rahmen seines Onlinebanking dem Zahlungsempfänger das Mandat elektronisch übermitteln. Das Drucken, Unterschreiben und Versenden von papierhaften Mandaten entfällt.

Darüber hinaus wird derzeit an Lösungen gearbeitet, um das grenzüberschreitende Bezahlen im Internet zu ermöglichen. Es würde keine Rolle mehr spielen, wo ein Internethändler seinen Sitz hat. Verbraucher könnten wie bei den heutigen nationalen Lösungen über ihr Konto im Onlinebanking bezahlen. Sicher dürfte auch die Bedeutung mobiler Endgeräte im Zahlungsverkehr zunehmen. Die Kreditwirtschaft bereitet sich darauf vor und arbeitet an entsprechenden Möglichkeiten.

IBAN bereits Pflichtangabe im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr

Jeder Zahlungsverkehrsinteressierte konnte letzten Sommer die Thematik der IBAN in den Medien verfolgen. IBAN und BIC sind das einzig Neue, womit ein Verbraucher bei der Umstellung auf die Sepa-Verfahren konfrontiert wird. Das Medienecho war dementsprechend gewaltig. Zum ersten Mal wurde flächendeckend von Sepa gesprochen. Nur die Botschaften waren nicht sehr hilfreich. Ist die IBAN denn so schrecklich, wie in der Süddeutschen Zeitung zu lesen war? Die Antwort dazu lautet: "Nein". Die IBAN setzt sich aus Bankleitzahl und Kontonummer zusammen. Neu ist lediglich der Ländercode DE für Deutschland und eine zweistellige Prüfzahl (siehe Abbildung 2).

Im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr gehört die IBAN zu den Pflichtangaben. In Italien, Luxemburg und Belgien wird sie bereits seit Jahren ausschließlich für den Inlandszahlungsverkehr genutzt. Auch in der Schweiz wird die Mehrzahl der inländischen Zahlungen mit der IBAN beauftragt.

Und wie sieht es in Deutschland aus? Statt Verbraucher frühzeitig auf die Umstellung vorzubereiten - wie es berechtigterweise von vielen gefordert wird - verbreitet die Politik den Eindruck, dass an Kontonummer und Bankleitzahl weiter festgehalten werden könne. Dies zeigt auch der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 12. Mai 2011. Gleichzeitig wird aber gefordert, der Sepa-Zahlungsverkehr soll nicht teurer werden.

Natürlich erwartet keiner, dass sich die Gewohnheiten von heute auf morgen ändern. Die Kreditwirtschaft bietet bereits Hilfestellungen für Unternehmen bei der Umwandlung von Kontonummer und Bankleitzahl in IBAN und BIC an. Auch für Verbraucher wird es etwas Vergleichbares geben. Zudem sollte hinterfragt werden, wann IBAN und BIC tatsächlich genutzt werden müssen.

Den größten Anteil am deutschen Zahlungsverkehr haben Lastschriften. Der Verbraucher muss dabei nichts tun, denn hier ist der Zahlungsempfänger aktiv. Zudem wird ein großer Teil der Überweisungen als Daueraufträge und Vorlagen im Online-banking hinterlegt. Hier ist lediglich eine einmalige Eingabe von IBAN und BIC nötig.

In der Presse war vor kurzem die Aufforderung an die Banken zu lesen, mehr die Werbetrommel zu rühren. Die Banken weisen seit Jahren auf die Neuerungen hin. IBAN und BIC werden schon seit Jahren auf den Kontoauszügen ausgewiesen. Bloß, wer wollte etwas hören, was irgendwann vielleicht einmal kommt. Sepa ist und bleibt ein politisch initiiertes Projekt. Die Sepa-Verfahren sind nicht aufgrund entsprechender Marktbedürfnisse entstanden, sondern aufgrund politischer Forderungen. Es wundert daher kaum, dass laut Aussage der EU-Kommission die vollständige Realisierung bei einem rein marktgetriebenen Prozess noch 30 Jahre in Anspruch nehmen würde. Die privaten Banken waren immer Verfechter des europäischen Binnenmarktes. Nur allein die Vision, Europa zum "wettbewerbsf ähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum" der Welt zu machen und einheitliche Sepa-Verfahren bereitzustellen, genügt nicht, wie das derzeitige Nutzungsvolumen zeigt.

Längere Übergangsfristen gefordert

Hält man auf politischer Ebene weiter an einem Binnenmarkt im Zahlungsverkehr fest, ist die Gesetzesinitiative der Europäischen Kommission zur Abschaffung nationaler Überweisungen und Lastschriften nur konsequent. Historische Beispiele belegen diese Notwendigkeit. Ohne Enddatum hätten wir heute noch die Deutsche Mark und noch vierstellige Postleitzahlen.

Doch es ist nichts übers Knie zu brechen. Die Kreditwirtschaft hat sich bereits seit Jahren auf die Umstellung vorbereitet. Wenig ist bei Verbrauchern, Unternehmen und der öffentlichen Hand geschehen. Der Zentrale Kreditausschuss fordert daher gemeinsam mit bedeutenden Wirtschaftsverbänden längere Übergangsfristen. Fristen, die sich nach den üblichen Investitionszyklen in den Unternehmen richten und auch Verbrauchern ausreichend Zeit geben, um sich auf die "neue Welt" im Zahlungsver kehr vorzubereiten. Deutschland ist zudem das einzige Land, in dem es noch keine Lösung für die Nutzung bestehender Einzugsermächtigungen bei der Sepa-Lastschrift gibt. Zwar arbeitet die Kreditwirtschaft an einer Lösung, aber es ist bereits jetzt ersichtlich, dass für eine rechtssichere Lösung zusätzlich auch der Gesetzgeber benötigt wird. Sollte der europäische Gesetzgeber nicht tätig werden, so wird eine nationale Lösung notwendig. Es ist verständlich, dass ein Verordnungstext auf Kompromissen basiert. Halte ich jedoch an einzelnen nationalen Prinzipien fest, wie beispielsweise nationale Kontoidentifikationen, dann kann dies nicht im Sinne eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraumes sein.

Im Gegenteil: Ich schaffe künstliche Grenzen und schotte den Markt ab. Fordere ich darüber hinaus eine verpflichtende Konvertierung von Bankleitzahl und Kontonummer in IBAN und BIC, führt dies zu Wettbewerbsnachteilen der deutschen Kreditwirtschaft. Es würde bedeuten, dass jede der heute jährlich anfallenden 15 Milliarden Transaktionen durch einen separaten Prozess laufen müsste. Dies wäre ganz klar eine Abkehr von der kostengünstigen und hochautomatisierten Abwicklung, die wir bis heute erreichen konnten.

Wie kann es sein, dass auf der einen Seite die Beibehaltung des effizienten, sicheren und kostengünstigen Zahlungsverkehrs gefordert wird und auf der anderen Seite zusätzliche Belastungen auf die Kreditwirtschaft verlagert werden? Der Brüsseler Gesetzgeber geht sogar noch einen Schritt weiter. Vermeintliche Verbraucherschutzaspekte sollen die Lastschrift noch sicherer machen. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch weitere zusätzliche Belastungen für die deutschen Kreditinstitute. Unternehmen und die öffentliche Hand sollten jetzt mit der Umstellung auf die Sepa-Verfahren beginnen. Denn geht es nach dem Willen der Europäischen Kommission, gibt es bereits ab Anfang 2013 keine nationale Überweisung und ab Anfang 2014 keine nationale Lastschrift mehr. Die Sepa ist und bleibt ein Jahrhundertprojekt. Wir sollten anfangen, alle an einem Strang zu ziehen. Dazu gehört insbesondere eine einheitliche Kommunikationspolitik aller am Prozess Beteiligten - allen voran des europäischen und deutschen Gesetzgebers als Auftraggeber der Sepa.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim Symposium "Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2011" der Deutschen Bundesbank.

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