Vertriebswege im Vergleich

Mobile Berater: Spürbar höhere Abschlüsse

Das Entscheidungsverhalten der Kunden gegenüber Finanzinstituten hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert: Der moderne Privatkunde ist autonomer, preissensibler, anspruchsvoller und weniger loyal zu seiner Hausbank. Nicht nur die Neukundengewinnung, auch die Durchdringung von Bestandskunden stellt eine dementsprechende Herausforderung dar.

Es reicht heute nicht mehr aus, auf den Kunden zu warten. Man muss zum Kunden gehen. Ausführliche Beratungsgespräche im Rahmen der Filialöffnungszeiten sind nicht für jeden möglich beziehungsweise nicht von jedem gewollt. Im Mittelpunkt der Überlegungen zur Etablierung eines mobilen Vertriebs steht aber weniger das Wort "Mobil" - also die Raum-Zeit-Komponente - sondern vielmehr das Wort "Vertrieb". Die Marktaufgabe eines mobilen Vertriebs kann somit, je nach spezifischer Ausgangslage und Zielsetzung, die Kundenbindung, -durchdringung oder -gewinnung sein. Bei der Ausgestaltung gibt es keine Standardlösung, sondern immer eine institutsspezifische Lösung (siehe Abbildung 1).

Auch immer mehr Sparkassen führt der Weg in die Wohnzimmer ihrer Kunden. Denn in ihren Schubladen schlummern viele Kunden, die entweder persönlich gar nicht bekannt oder "Ein-Produkt-Kunden" sind: Sparkassen haben im Durchschnitt nur eine Cross-Selling-Quote von 2,43. Der Aufbau eines mobilen Vertriebs für Sparkassen hat daher das primäre Ziel, die Produktnutzungsquote zu erhöhen und bestehende Kundenbeziehungen zu reaktivieren. Der mobile Vertrieb unterstützt beim Cross-Selling und setzt die Ausrichtung der Sparkassen zur Multikanalvertriebsbank und der damit verbundenen Kernkompetenz "Nähe zum Kunden" um.

Am 1. August 2005 startete die Sparkasse Aachen ein Pilotprojekt im mobilen Vertrieb. Hierzu wurden zwei Sparkassen-Mitarbeiter für zwölf Monate mobile Vertriebsmitarbeiter. Zum einen wollte die Sparkasse mit diesem Schritt dem Kundenwunsch nach flexibleren Beratungsmöglichkeiten nachkommen. Zum anderen stellte man fest, dass für die Sparkasse wichtige Kundensegmente durch die bestehenden Vertriebskanäle nur unzureichend individuell beraten und betreut werden konnten. Resultat war eine gestiegene Abwanderungsneigung dieser Kunden zu Mitbewerbern.

Mobiler Vertrieb ist den jeweiligen Filialen zugeordnet

Ziel des mobilen Vertriebs war die Hebung der Ertragsressourcen und eine ver stärkte Durchdringung der Bestandskunden. Durch eine enge Zusammenarbeit mit den Geschäftsstellen sollte er ihre Leistungen sinnvoll unterstützen und ergänzen. Die Testphase endete am 31. Juli 2006 äußerst erfolgreich. Zusammen mit der Unternehmensberatung Investors Marketing wurde anschließend ein stimmiges Konzept entwickelt, in das die gesammelten Erfahrungen einflossen. Der mobile Vertrieb war auch in dieser Phase kontinuierlich aktiv. Seit Mitte 2007 verfügt die Sparkasse Aachen nun über einen institutionalisierten mobilen Vertrieb namens Move.

Move wurde in der bereits bestehenden S-Finanz Aachen GmbH, die zuvor ausschließlich für den Bauspar- und Versicherungsvertrieb zuständig war, angesiedelt. Die Geschäftsführung der S-Finanz berichtet direkt an den Vorstand der Sparkasse Aachen.

Der mobile Vertrieb ist den jeweiligen Filialen zugeordnet: Potenzielle Kunden für Move werden mit der verantwortlichen Geschäftsstelle abgestimmt und mit einem Vertriebshinweis gekennzeichnet. Die persönliche Zuschlüsselung auf einen Move-Berater erfolgt aber erst nach dem Kundentermin. Somit sind die restlichen Kunden weiterhin für die Geschäftsstellen zugänglich. Nach jedem Gespräch erfolgt eine direkte Information an die Geschäftsstelle (siehe Abbildung 2).

Alle Abschlüsse des mobilen Vertriebs kommen auch in die Geschäftsstellen-Statistik (Parallelanrechnung), denn dieser übernimmt zwar die Akquisitionsverantwortung, die Serviceverantwortung verbleibt aber bei der Geschäftsstelle. Eine zentrale Funktion im Move Middle Office nehmen die sogenannten Assistenten ein: Um den mobilen Betreuern möglichst viel Freiraum für die Vor-Ort-Beratung der Kunden zu geben, ist je fünf Betreuern ein Assistent bei der S-Finanz zugeordnet. Dieser sammelt die Aufträge der Betreuer, sorgt dafür, dass diese in die Marktfolge der Sparkasse einfließen und gibt entsprechende Rückmeldungen an den Betreuer.

Zunächst wurden zehn mobile Betreuer fest angestellt. Fünf der Betreuer wurden aus der Sparkasse Aachen rekrutiert, weitere fünf vom freien Markt. Dieses eins zu eins Verhältnis ist wichtige Voraussetzung für die "richtige" Unternehmenskultur: Auf diese Weise fließen sowohl die Werte und der "Spirit" der Sparkasse mit ein als auch neue Impulse von außen, die aufgegriffen und genutzt werden können.

Das Gehalt der Betreuer setzt sich aus einem geringeren Grundgehalt und einem höheren variablen Anteil zusammen. Das variable Entlohnungssystem stützt sich auf drei Säulen:

- erfolgsorientierte Provisionierung abgeschlossener Geschäfte,

- Bonifikation für geschäftspolitisch relevante Ziele und

- Incentives.

Bedenken, der mobile Vertrieb könne die Filialen kannibalisieren, konnten bereits während der Testphase aus dem Weg geräumt werden. Stationärer und mobiler Vertrieb arbeiten Hand in Hand. Move wurde, trotz eigenständiger Gesellschaft, komplett in die Sparkassen-Abläufe integriert. Die S-Finanz hat keine eigene Servicegesellschaft, sondern hat die vorhandenen Prozesse der Sparkasse Aachen übernommen. Der Marktauftritt der Tochter ist sehr stark an den der Sparkasse Aachen angelehnt und spiegelt die enge Zusammengehörigkeit nach außen wider.

Stärke bei den beratungsintensiven Produkten

Auch kulturell wurde der mobile Vertrieb in die Sparkasse eingebunden: Die Betreuer haben die Möglichkeit, das Bildungsangebot der Sparkasse Aachen zu nutzen und werden zu Veranstaltungen eingeladen. Die Produktpalette von Move orientiert sich an dem Angebot der Filialen. Über die mobilen Betreuer können Kunden vom klassischen Girokonto über Baufinanzierung, Privatkredit, Sparkassenbrief, Fonds bis hin zu Versicherung und Bausparvertrag alle klassischen Bankprodukte der Sparkasse Aachen sowie den entsprechenden ausgewählten Versicherungsprodukten der Verbundpartner abschließen.

Move wurde in das Qualitätssicherungssystem der Sparkasse integriert und nutzt auch die vertriebsunterstützenden Abteilungen analog der Sparkasse.

Reaktionen von Kunden und Mitarbeitern der Geschäftsstellen machen deutlich, dass der Aufbau des mobilen Vertriebs einen Zugewinn für alle Beteiligten bedeutet: Die Geschäftsstellenmitarbeiter und Gebietsdirektoren verstehen und schätzen Move als eine optimale Ergänzung zum Geschäftsstellenvertrieb, denn die intensive Aktivierung von Bestandskunden kommt auch ihnen zugute. Die Kunden begrüßen den mobilen Vertrieb als zusätzlichen Kontaktweg zur Sparkasse.

Die wirtschaftlichen Erwartungen wurden ebenfalls erfüllt: Durch seine reine Vertriebsfokussierung und die verkaufsabhängige Vergütung erzielt der Move-Verkäufer spürbar höhere Abschlüsse als ein stationärer Mitarbeiter (siehe Abbildung 3). Wie zu erwarten, zeigt der mobile Vertrieb seine Stärke speziell bei den beratungsintensiven Produkten, wie Sachversicherung, Immobilienvermittlung, Baufinanzierung und Lebensversicherungen. Diese Stärke soll auch zukünftig gezielt genutzt werden und den Geschäftsstellen als Ergänzung zur Seite gestellt werden (siehe Abbildung 4).

Dr. Oliver Mihm , Vorsitzender des Vorstands, Investors Marketing AG, Frankfurt am Main
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