Finanzdienstleister und Demografie

"Wir müssen Unternehmen und Gründungswillige zusammenbringen" Interview mit Uwe Johmann

Welche Auswirkungen wird die demografische Entwicklung auf das Mittelstandsgeschäft haben?

Die Sparkasse Saarbrücke arbeitet derzeit an dem Konzept "Die Sparkasse 2020 im Firmengeschäft". Dabei haben wir ein Research durchführen lassen, welche Branchen Zukunft haben, welche sich negativ entwickeln könnten oder in welchen sich nicht viel verändern wird. Das Projekt ist nicht abgeschlossen, aber die Ergebnisse machen nicht alle Freude. Eines ist sehr deutlich sichtbar: Die demografische Entwicklung betrifft nicht nur Privatpersonen, sondern natürlich auch die Unternehmen, und zwar alle, die in der Binnenwirtschaft arbeiten: Einzelhändler etwa, Handwerker oder die Baubranche. All diese Unternehmen werden durch die negative demografische Entwicklung die sinkende Kaufkraft zu spüren bekommen. Und das lässt sich nicht durch Dumpingpreise beherrschen.

Wir weisen Unternehmen aus den betroffenen Branchen deshalb darauf hin, die Übernahme von Bestandsunternehmen zu prüfen, um ihren Marktanteil zu erhöhen. Hier nehmen wir eine sehr aktive Rolle ein und schreiben zum Beispiel Kunden und Nichtkunden an und bieten bestehende Unternehmen mit guter Bonität an. Alle zwei Wochen bieten wir eine Firma per Inserat an. Und ich hoffe, dass andere Kreditinstitute das ähnlich handhaben.

Die Wirtschaftsstruktur in Deutschland wird sich also verändern - hin zu weniger, dafür aber größeren Unternehmen?

Davon gehe ich aus. Die Firmen werden sich von ihrer Infrastruktur her verändern müssen. Und Manager werden lernen müssen, mit stagnierenden Wirtschaftsdaten umzugehen. Was unser Kreditportfolio betrifft, versuchen wir, Firmen anzubieten, die so gut verdienen, dass man ein Management-Buy-in durchführen kann. Wenn wir es schaffen, in Unternehmen eine neue Infrastruktur einzuziehen, die die Kosten beherrschbar macht, wäre das ein erster Ansatz.

Was heißt der Trend zu größeren Unternehmen für regionale Kreditinstitute?

Wir sind ja auch in der Kreditwirtschaft nicht am Ende der Entwicklung. Basel III ist schließlich eines der großen Fusionsprogramme der Nachkriegszeit. Die Sparkassen sind jedoch gut gerüstet. Allein die Sparkasse Saarbrücken hat im klassischen Mittelstand 1,4 Milliarden Euro an Kreditgeschäft. Von daher können wir diesen Veränderungsprozess sehr gut begleiten - auch durch konsortiale Zusammenarbeit der Institute untereinander.

Die Zahl der Unternehmensgründungen ist 2012 zurückgegangen. Wird hier schon die demografische Entwicklung sichtbar? Überspitzt gefragt: Sterben die Gründer aus?

Die Entwicklung war 2012 tatsächlich schwächer, auch bei uns. Die Sparkasse Saarbrücken begleitet bei insgesamt fast 20 000 Selbstständigen im Schnitt rund 200 Unternehmensgründungen pro Jahr. 2012 waren es 144. Dieser Rückgang ist jedoch eher eine Normalisierung nach dem "Buckel" 2008/2009. Denn bei guter wirtschaftlicher Entwicklung mit Fach- und Führungskräftemangel ist die Gründungsneigung grundsätzlich immer geringer als bei weniger guter Konjunktur. Zudem sind die Ich-AGs aus der Statistik weggefallen.

Sind Unternehmensgründer also zum Großteil "Verzweiflungstäter", die sich vor der (drohenden) Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit flüchten?

Nein. Natürlich gibt es Menschen, bei denen die Insolvenz des bisherigen Arbeitgebers, Arbeitslosigkeit oder eine Gefährdung des Unternehmens durch fehlende Nachfolgeregelung den Ausschlag gibt. In den meisten Fällen sind die Motivationen aber andere - etwa fehlende Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten im bisherigen Unternehmen.

Auch wenn man die Abhängigkeit der Gründungsbereitschaft von der konjunkturellen Entwicklung berücksichtigt, werden doch die jüngeren Jahrgänge, die als Gründer infrage kommen, perspektivisch kleiner.

Was heißt das für die Unternehmenslandschaft in Deutschland?

Der typische Gründer ist kein junger Mensch, sondern im Schnitt 42 Jahre alt, Auch diese Gruppe wird natürlich kleiner. Gleichzeitig gibt es jedoch einen großen Teil von Unternehmen, die in den nächsten Jahren zur Übergabe an einen Nachfolger anstehen. Hier müssen wir versuchen, Unternehmen und Gründungswillige zusammenzubringen.

Und das versuchen Sie mit der Unternehmensbörse Saar-Lor-Lux?

Richtig. Die Sparkasse Saarbrücken hat gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium, den Industrie- und Handwerkskammern und auch Unternehmern geschaut, was Unternehmer brauchen: Es gibt Unternehmer, die einen Nachfolger suchen, potenzielle Investoren und Gründungswillige. Diese unterschiedlichen Bedürfnisse wollen wir auf der Börse zusammenbringen.

Wozu haben Sie eine eigene regionale Börse gestartet? Es gibt ja mit Nexxt Change von der KfW unter Mitwirkung von BVR und DSGV auch schon eine bundesweite Initiative.

Das ist richtig. Über solche Börsen ist aber bisher in unserer Region vergleichsweise wenig gelaufen. Einer der Gründe: Bei den bestehenden Börsen kann jeder seine Daten selbst eingeben. Die Folge ist, dass viele Unternehmer bei den Unternehmenswerten unrealistische Preise eingeben. Hier ist unser Ansatz ein anderer: Wenn ein Unternehmer zeitnah verkaufen will, muss natürlich ein Unternehmenswert ermittelt werden. Will er sich aber noch Zeit lassen und erst einmal den Markt abtasten, hat es wenig Sinn, permanent Unternehmenswerte zu ermitteln, sondern dann bleibt der Wert frei, und es wird zunächst einmal über die Firma verhandelt. Erst wenn sich die handelnden Parteien einig sind, wird ein Unternehmenswert ermittelt.

Ich halte es auch für wichtig, sichtbar zu machen, wer hinter einem Angebot steht - und zwar ohne dass der Wettbewerb das Unternehmen unmittelbar zuordnen kann. Hier können zum Beispiel Treuhänder eingesetzt werden. Das kann ein Steuerberater, ein Jurist, ein Unternehmensberater, aber auch ein Kreditinstitut sein.

Die Besonderheit der Unternehmensbörse Saar-Lor-Lux besteht aber vor allem darin, dass wir drei Börsen auf einer Plattform zusammengeführt haben:

eine Nachfolgebörse,

eine Investoren-Management-Börse und

eine Ideenbörse.

Deshalb heißt sie auch nicht Nachfolgebörse, sondern Unternehmensbörse. Der erste Block richtet sich an Unternehmer, die einen Nachfolger suchen, der mittlere vernetzt potenzielle Investoren und Unternehmen und ermöglicht Beteiligungen bei etablierten Unternehmen, Neugründungen, die Übernahme der Geschäftsführung mit oder ohne Gesellschafteranteile oder Spin Offs bis hin zum Firmenkauf. Beim dritten Block geht es um wissenschaftliche Erfindungen. Denn es gibt viele Jungunternehmer, die gern ein Unternehmen gründen würden, aber keine Geschäftsidee haben. Diesen wird hier die Möglichkeit gegeben, wissenschaftliche Entwicklungen anzukaufen und damit ein Unternehmen zu gründen.

Ist die Unternehmensgründung mit einer solchen fremden Geschäftsidee überhaupt erfolgversprechend?

Das wird die Praxis zeigen, ich bin jedoch optimistisch. Die Ausgangslage ist folgende: Wissenschaftler sind verpflichtet, alle Entwicklungen, die erfolgversprechend scheinen, an die Patentverwertungsstelle zu melden. Dort erfolgt eine betriebswirtschaftliche Betrachtung unter dem Aspekt, ob eine Chance besteht, wenigstens die Patentkosten von 20 000 bis 50 000 Euro zuzüglich Lagerkosten wieder zu erwirtschaften. Das Problem ist nur, dass der erforschende Wissenschaftler in der Regel kein Unternehmer ist.

Hier erhoffen wir uns durch die dritte Seite der Unternehmensbörse drei Elemente: Das erste ist die Möglichkeit für den Wissenschaftler, über die Börse einen Kaufmann zu suchen, mit dem er gemeinsam ein Unternehmen gründen kann.

Zweitens erhalten Unternehmen die Möglichkeit, sich auf der kreativen Seite zu verstärken. Und drittens bietet sich Gründungswilligen die Chance, mit einer solchen Geschäftsidee ein Unternehmen aufzubauen.

Beraten wurden wir bei dieser dritten Seite der Börse durch einen Kunden unseres Hauses, der sehr erfolgreich auf amerikanischen Börsen Ideen aufkauft und diese dann entweder weiterverkauft oder damit neue Unternehmen gründet. Dieses Modell versuchen wir von den USA nach Deutschland zu übertragen.

Wie viel ist bisher über die Plattform gelaufen?

Die Börse ist jetzt seit September 2012 im Saarland am Markt. Auf dem ersten Teil, der Nachfolgebörse, haben wir jetzt etwa 100 unterschriebene Verträge, auf dem mittleren Teil etwa 20 bis 25 Verträge.

Hinsichtlich der Ideenbörse sind wir im Moment mit der Patentverwertungsstelle im Gespräch, 50 wissenschaftliche Erfindungen so zu übersetzen, dass erkennbar ist, worum es geht, ohne dass die Idee imitiert werden kann. Diese Beschreibungen sollen in den nächsten vier Monaten hochgeladen werden.

Kann eine rein regionale Unternehmerbörse überhaupt erfolgreich sein?

Unser erstes Ziel war es, eine regionale Börse zu bekommen. Dieses Ziel wurde im ersten Schritt erreicht. Neben der Sparkasse Saarbrücken sind auch die Sparkassen Neunkirchen und Merzig-Wadern dabei, die Stadtsparkasse Völklingen, die Kreissparkassen St. Wendel, Saarpfalz und Saarlouis, außerdem die Saar-LB, die Landesförderbank SIKB, die Handwerkskammer des Saarlands, die IHK Saarland und die französische Außenhandelskammer in Deutschland.

Es wäre aber sicher zu kurz gesprungen, nur den regionalen Markt zu bespielen. Den Sprung nach Frankreich haben wir durch die Kooperation mit der Caisse d'Epargne Lorraine Champagne-Ardenne geschafft, einer sehr großen Sparkasse mit 56 Milliarden Bilanzsumme. Die Endvision - und da erhalten wir sehr starke Unterstützung seitens unserer Partner - ist es, die Börse auf ganz Deutschland auszuweiten. Momentan sind wir in der Pfalz mit vier Sparkassen in Verhandlungen über eine Pilotierung. Im Saarland werden wir im zweiten Halbjahr dieses Jahres auch die genossenschaftlichen Banken ansprechen. Denn nur dann, wenn man mit großen Marktanteilen operieren kann, kann die Börse wirklich erfolgreich sein.

Welche Resonanz versprechen Sie sich seitens der Kreditwirtschaft?

Große. Denn Kreditinstitute haben ein großes Interesse daran, dass ihr Kreditportfolio generationenübergreifend sauber gemanagt wird. Bisher haben sich Banken und Sparkassen bei dem Thema Nachfolge vornehm zurückgehalten. Wenn die Problematik überhaupt angesprochen wurde, dann bisher primär unter dem Aspekt des Risikomanagements. Hier brauchen wir einen anderen Ansatz. Es geht nicht mehr darum, bei Unternehmen, deren Inhaber 58 Jahre und älter ist und keinen Nachfolger vorweisen kann, automatisch einen Haken zu setzen, der das Rating verschlechtert. Sondern es geht darum, die Thematik anzusprechen und Hilfestellung anzubieten. Wenn wir es schaffen, die Kreditwirtschaft in Deutschland mit einzubeziehen, können wir die Situation sicher deutlich verbessern.

Mit welchen Kosten ist das Angebot der Unternehmensbörse für Unternehmen verbunden?

Im Moment ist das Angebot für Unternehmen kostenfrei. Wir sehen uns hier in einer unentgeltlichen Maklerrolle. Auch Kammern wie Rechtsanwalts- oder Ärztekammern bieten wir die Kooperation kostenfrei an.

Das heißt die Kosten stemmen Sie derzeit allein?

Ja. Aber wir haben die Hoffnung, die Börse auf Deutschland ausdehnen zu können. Das läuft dann über Lizenzverträge.

Wie häufig kommt es heute noch vor, dass Unternehmen an die Kinder des Inhabers übergeben werden (können)?

Dazu gibt es keine verlässlichen Zahlen. Vom Gefühl her würde ich sagen: Rund ein Drittel hat keinen Nachfolger, weil keine Kinder vorhanden sind, der Nachwuchs eine ganz andere Ausbildung hat oder es auch an der unternehmerischen Veranlagung fehlt.

Welcher Anteil der anstehenden Unternehmensübergaben scheitert in etwa an einem fehlenden Nachfolger?

Ich glaube, diese Zahl ist derzeit in Deutschland nicht verfügbar, weil die Unternehmen in verschiedenen Kammern gelistet sind und die Zahlen meines Wissens nicht zusammengeführt werden. Ich vermute aber, die Tendenz steigt. Denn viele Unternehmen sind in der Nachkriegszeit entstanden und stehen jetzt sukzessive zur Übergabe an. Dadurch potenziert sich dieser Effekt nach oben.

Im Saarland stehen in den nächsten fünf Jahren 7 500 Unternehmensübergaben an. Bundesweit sind es 110 000 Übergaben, an denen 1,4 Millionen Arbeitsplätze hängen.

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