Bankmanagement-Glossar

Naturalgeld

"Money makes the world go round". Dieses Zitat beschreibt Geld als Schmiermittel/ Zahlungsmittel für die Volkswirtschaft. Geld ist in diesem Sinne alles, was als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Die Akzeptanz als Wertmaßstab wird vorausgesetzt und der Wert eines Gutes ist der in Geldeinheiten ausgedrückte Preis. Hinzu kommt ergänzend die Funktion des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel. Das in einem Staat/ Staatenbund üblicherweise verwendete Geld bezeichnet man als Währung.

Kaum etwas prägte die Geschichte der Menschen mehr als Geld. Sein Besitz entscheidet über Schicksale, über Armut und Reichtum. Sein Vorhandensein führt zu Macht über andere. Geld kann Privatpersonen, Unternehmen und Staaten zu Wohlstand oder in die Pleite führen. Geld wurde zum Mythos. Frei nach Goethe gilt in unserem Wirtschaftssystem "am Geld hängt, zum Gelde drängt doch alles".

Geschichte des Geldes ist kurz

Ein anderes im Zusammenhang mit Geld oft verwendetes Zitat - bereits 1616 von Georg Henisch erwähnt - ist "Geld regiert die Welt". Das stimmt zwar nicht ganz, doch ist eine Welt ohne Geld heute nicht mehr vorstellbar. Alle Einnahmen und alle Ausgaben von Privaten oder im Geschäftsleben werden mit Bargeld - Münzen und Banknoten - getätigt oder mittels Buchgeldtransaktionen - wie Überweisungen oder Kartenzahlungen - abgewickelt. Bargeld und Buchgeld prägen das Geldleben in unserer Zeit.

Doch die Geschichte dieses Geldes ist vergleichsweise kurz: Sie dauert erst rund 2 700 Jahre. Während dieser Zeit hat sich das Geld mehrfach komplett geändert. Das Naturalgeld dominierte als Vorstufe des Geldes per se und noch früher kam der Homo Sapiens Jahrtausende ohne Geld mit einfachen Tauschgeschäften aus.

Solange die Menschen in der Steinzeit in Stämmen weitgehend isoliert von anderen Stämmen lebten, wurden Nahrungsmittel und was sonst zum Überlegen notwendig war, kollektiv erwirtschaftet. Ein Bedürfnis nach einer Tauschwirtschaft bestand nicht.

Erst in der späten Steinzeit lassen sich die ersten Ansätze von Tauschhandel datieren. Im Tauschverfahren gehandelt wurden so zum Beispiel Salz, Feuerstein und alle jene harten Gesteine, die zur Waffen- und Werkzeugherstellung dienten. Später kamen die Metalle und Metalllegierungen dazu. Auch diese wurden wie davor die harten Gesteine angeschafft, um Werkzeuge und Waffen herzustellen. All diese Produkte wurden gegen andere Produkte getauscht. Das konnten Gewürze ebenso sein wie Tiere (Rinder, Schafe, Kamele), (haltbare) Lebensmittel oder Felle und Pelze. Dieser Tauschhandel erfolgte bereits über weite Entfernungen. Es entstanden so Handelsstraßen unter anderem für Salz, Kupfer, Zinn und Bronze.

30 000 Jahre Tauschwirtschaft

Bei allen diesen Geschäften handelte es sich um den Tausch von Ware gegen Ware, wobei die Bewertung der Produkte Verhandlungssache war. Dieser Naturaltausch war allerdings nicht immer einfach. Der Käufer musste einen Verkäufer finden, der genau das anbot, was er brauchte, und der genau das suchte, was angeboten wurde - ein "doppelter Zufall". Jeder Kaufmann war Käufer und Verkäufer zugleich. War der passende Geschäftspartner gefunden, musste man noch handelseinig werden. Das war nicht immer einfach, denn nicht jeder beurteilte die Ware des anderen gleich wie dieser. Das ging so lange gut, wie die Art der Produkte, die an der Tauschwirtschaft teilnehmen, beschränkt war - das waren rund 30 000 Jahre.

Vorstufe des Geldes

Als jedoch immer mehr Produkte in den Warentausch integriert wurden, stellte sich heraus, dass es ein immer größer werdendes Problem wurde, mannigfache Erzeugnisse in natura gleichwertig zu tauschen. Es war die Überwindung des "doppelten Zufalls" notwendig. Es musste sichergestellt werden, dass es nicht mehr notwendig ist, dass der Verkäufer eines Produkts genau den potenziellen Käufer trifft, der dieses Produkt haben will, und dass der potenzielle Käufer zur Bezahlung genau das Produkt anbietet, das der Verkäufer benötigt. Zur Lösung dieses Problems entwickelte der Mensch das, was wir heute Geld nennen.

Es war allerdings damals nicht das gleiche Geld, das wir heute kennen. Es wurden Dinge zunächst herangezogen, die als Geld dienten - das Natural- oder Warengeld entstand. Als Naturalgeld haben mancherlei Dinge gedient, die wir heute nicht mehr als Geld betrachten. Das waren damals zuerst Fundgegenstände, die man für wertvoll hielt (wie Muscheln oder Perlen). Von dieser Art des Warengelds hat die Kaurimuschel einschlägige Berühmtheit erlangt. Weiters kamen handwerkliche Produkte (wie Speerspitzen), Vieh (wie Rinder, Schafe oder Kamele), Pelze und Felle, Salz, haltbare Nahrungsmittel (wie Stockfische) oder Metalle, vorzugsweise Edelmetalle in Form von Ringen, Reifen oder Barren als Naturgeld zum Zuge. Das Naturalgeld hatte gegenüber der Naturaltauschwirtschaft mannigfache Vorteile: Sein Wert war anerkannt, es konnte leichter transportiert, geteilt und aufbewahrt werden, es war einfacher, den Wert der zu tauschenden Güter zu vergleichen. Es war in der Geschichte des Geldes die erste Stufe.

Dieses Warengeld als Tauschmittel und Wertmesser für Güter und Dienstleistungen gab es erstmals im 5. Jahrtausend vor Christi. Es hat sich in einer nur beschränkt arbeitsteiligen Wirtschaft rund 4 300 Jahre bewährt. Erst Anfang des 7. Jahrhunderts vor Christi wurde es durch das Münzgeld sukzessive verdrängt.

Auch in Zeiten der Not

Doch Warengeld gab es nicht nur in der fernen Vergangenheit, sondern immer auch in Zeiten der Not: Zuletzt in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Weite Teile des Kontinents waren verwüstet. Die Wirtschaft konnte nicht ausreichend Güter produzieren, um die Bevölkerung zu versorgen. Selbst wer Banknoten und Münzen besaß, konnte sich damit kaum etwas kaufen. So wurden Naturalien getauscht und am Schwarzmarkt ausgerechnet Zigaretten zum Naturalgeld, mit dem man Waren - insbesondere Nahrungsmittel, Heizmaterial und Bekleidung - bezahlen konnte. Erst mit dem Wiederaufblühen der Wirtschaft und mit einer neuen Währung, der die Bevölkerung und die Wirtschaft vertraute, wurde das Warengeld wieder zur Geschichte.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger @wu.ac.at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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