Bargeld

Optimierung der Bargeldlogistik: Bargeld als Produkt

Veränderte Rahmenbedingungen im Bargeldumfeld, wie beispielsweise der Flächenrückzug der Deutschen Bundesbank oder das neue Cash-EDI-Verfahren, machen es Sparkassen und Banken nicht unbedingt leichter. Es verwundert also nicht, wenn die Kreditwirtschaft ihre Bargeldstrategien auf den Prüfstand stellt und nach (Kosten-)Optimierungspotenzialen sucht. Doch wie können die Institute kurz-, mittel- und langfristig die richtigen Handlungsfelder aufdecken? Welche Möglichkeiten haben sie, Umsetzungsmaßnahmen zu steuern und deren Erfolg zu messen? Die Sparkasse Unstrut-Hainich stellte sich frühzeitig diesen Herausforderungen. Im Rahmen des bundesweiten Projekts des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) und mit Hilfe der P3N Beratungs GmbH gelang ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer zukunftsorientierten effizienten Bargeldstrategie. Bestandsaufnahme: Wo stehen wir? Die Sparkasse Unstrut-Hainich orientiert sich in der Abfolge der Umsetzung der Aufgaben an der Zeitschiene des DSGV Projekts. Das im Jahr 2010 abgeschlossene DSGV-Projekt "Bargeldlogistik im Verbund" gab vielen Sparkassen Anlass, sich eingehend mit der Effizienz ihrer bestehenden Bargeldlogistikprozesse auseinanderzusetzen. Gemeinsam mit den für diese Themen einbezogenen Experten der P3N Beratungs GmbH wurde für eine Standortbestimmung der Bargeldlogistik auch ein Kennzahlensystem (Steuerungscockpit Bargeldlogistik) entwickelt und getestet. Im Zeitraum März bis Dezember 2011 nahmen insgesamt rund 50 Sparkassen an Kennzahlenvergleichen teil. Dabei standen für die Institute unter anderem folgende Fragestellungen im Fokus: Warum haben wir höhere Kosten als andere Institute? Entspricht unsere Flächendeckung dem Durchschnitt? Werden unsere Cashpoints im Vergleich häufiger vom WDL angefahren? Sind wir mit unserer Servicestruktur vergleichbar mit anderen Sparkassen? Wie hoch ist üblicherweise der durchschnittliche Bargeldbestand pro Cashpoint? Was bezahlen wir für einen Wertpapierdienstleister-Einsatz im Vergleich zu anderen Instituten? Welche Auslagerungsstruktur verursacht welche Kosten? Gemeinsam mit dem Zwickauer Beratungshaus analysierten die Fachverantwortlichen der Sparkasse Unstrut-Hainich zunächst ihre qualitative und quantitative Ausgangslage. Im Rahmen von Workshops, Datenanalysen und Prozesserhebungen wurden die Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken der bisherigen Bargeldlogistikprozesse ermittelt und diskutiert. Insbesondere die Kennzahlenanalyse in Verbindung mit dem Vergleich zu anderen Häusern brachte wesentliche Erkenntnisse: So lagen die gesamten Kosten der Bargeldlogistik beispielsweise, deutlich über dem Durchschnitt der Vergleichssparkassen. Erhebliche Unterscheide bei den Bargeldkosten Mit Hilfe von Leitkennzahlen wurden in vergangenen Projekten mit verschiedenen Instituten teilweise erhebliche Unterschiede deutlich: So variierte der durchschnittliche Geldbestand pro Girokonto bei den Teilnehmern von 79 bis zu 202 Euro. Beim Verhältnis des im Schnitt vorgehaltenem Geldbestandes je eine Million Euro Barumsatz divergierten die ausgewerteten Zahlen noch deutlicher: von 5 447 Euro bis 27 297 Euro. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich mit Hilfe der Leitkennzahl "Bargeldkosten je eine Million Euro Umsatz", aus der weitere Interpretationen bezüglich Ausstattung und Nutzung der Cashpoints abgeleitet werden können. Hier präsentierten die Geldinstitute mit einer Spanne von über 1 300 Euro (Minimum: 446 Euro, Maximum: 1797 Euro) ebenfalls erhebliche Unterschiede. Bei der Auswertung der "Bargeldkosten pro Girokonto" war die Überraschung besonders groß: Die Werte lagen hier zwischen 3,64 Euro und 15,82 Euro. Die Leitkennzahl "Bargeldkosten je Girokonto" ist insbesondere hilfreich in der Betrachtung "Bargeld als Produkt" und unterstützt Ansätze zur Deckungsbeitragsrechnung und der Kunden- sowie Kontokalkulationen inklusive der Preisstrategie in diesen Dienstleistungen. In der Tiefenanalyse der Detailkennzahlen und in Verbindung mit der Prozessbetrachtung der Sparkasse Unstrut-Hainich konnte das Projektteam schnell die Ursachen finden: vergleichweise viele Wertpapierdienstleister-Einsätze, hohe Logistikkosten (hohe Anzahl von Services an den Cashpoints), hoher Bargeldbestand (hohe Opportunitätskosten), gewachsene, teilweise redundante Prozesse und Tätigkeiten ohne definierte Sourcingsstrategie sowie hoher manueller Aufwand bei der Münzgeldbearbeitung. In Anbetracht dieser Ausgangssitutation stellt sich gewöhnlich die Frage, ob einzelne Handlungsoptionen operativ umgesetzt oder gleich die gesamte Bargeldlogistikstrategie konzeptionell neu ausgerichtet werden sollte. Wertpapierdienstleister-Verträge unter der Lupe Gemeinsam mit den Beratern identifizierten die Fachverantwortlichen der Sparkasse Unstrut-Hainich erste konkrete Maßnahmen. Dazu zählten unter anderem: sofortige organisatorische Umsetzung bisher unberücksichtigter/nicht kritisch eingeschätzter Obliegenheitspflichten aus dem Wertpapierdienstleister-Vertrag und der Wertpapierdienstleister-Versicherungsbestätigung, Einplanung neuer SB-Cashrecycler in die Investitionsplanung des Folgejahres zur Effizienzsteigerung der Filialausstattung. In Verbindung mit der Teilnahme am DSGV-Projekt erarbeitete die Sparkasse parallel dazu eine neue Bargeldstrategie. Erneut halfen Workshops mit den involvierten Bereichen, unter anderem auch dem Vertrieb, die Zielstellungen des künftigen Bargeldlogistikprozesses zu diskutieren. Diese inhaltliche Auseinandersetzung ist für die Nachhaltigkeit der Bargeldstrategie in der künftigen Umsetzung erfahrungsgemäß wesentlich. Durch die Einbindung der tangierten Bereiche erreichen die Institute regelmäßig eine deutliche Steigerung der Akzeptanz der Projektergebnisse. Die Ergebnisse der konstruktiven Diskussionen und die daraus abgeleiteten Ziele konnten mit Hilfe der Balanced-Scorecard-Methode klar und deutlich priorisiert werden. Exemplarisch waren dies unter anderem: Sicherheit auf Ebene der Filialen erhöhen, Orientierung am Sourcingmodell "Outsourcing operative Bargeldlogistik", Differenzierung und Bepreisung der Bargelddienstleistungen in den Filialen inklusive Filialclusterung ("Bargeld als Produkt"), verstärkter Einsatz von Cashrecycling. Nun folgte die schriftliche Konzeption der neuen Bargeldlogistikstrategie, die im Rahmen eines Vorstandsworkshops final diskutiert und im Januar 2012 verabschiedet wurde. Differenzierung nach Filialtypen Abgeleitet von den im Konzept definierten strategischen Ausrichtungen, stand schnell die konkrete, aufeinander aufbauende Umsetzung der festgelegten Maßnahmen im Mittelpunkt. Dabei legte die Sparkasse Unstrut-Hainich besonderen Wert auf eine realitätsnahe und vor allem umsetzbare Zeitplanung für kurz-, mittel- und langfristige Aufgaben. Das Handlungsfeld "Bargeld als Produkt" geriet dabei zuerst in den Fokus der Umsetzungsbestrebungen - aus guten Gründen: Schließlich sind alle betrieblichen Prozesse und Kosten durch das Leistungsangebot in den Filialen bestimmt. Als Basis für die notwendige Differenzierung wurde der Bargeldumsatz in den Filialen gewählt. Mittels des Analysetools (Filialcockpit) zeigten die Berater auf, wie sich die Kundennachfrage nach den diversen Bargelddienstleistungen in den Filialen gestaltet. In Ergänzung dazu half eine Entfernungsanalyse zwischen den Filialstandorten dabei, ein Clustermodell zu erarbeiten, welches folgende Filialtypen vorsah: Full Service (volles Leistungsspektrum der Bargelddienstleistungen) - zwei Filialen, erweiterter Service (Zwischenstufe zwischen Fullservice und Basisangebot) - vier Filialen, Basisangebot (13 Filialen), Ein-Personen-Filialen (eingeschränktes Angebot unter Beachtung UVV-Kassen). Die Ergebnisse zeigten, dass die maximale Entfernung für die Kunden zu einer Fullservice-Filiale 15 Kilometer und zu einem Standort mit erweitertem Service nur zehn Kilometer beträgt. So lässt sich auch in Zukunft eine flächendeckende Versorgung mit Bargelddienstleistungen aufrechterhalten. Trotzdem gelingt gleichzeitig eine spürbare Reduzierung der Standortkosten. Die Differenzierung (siehe Abbildung 1) umfasst alle primären und sekundären Bargeldleistungen. Primäre Leistungen sind beispielsweise Ein- und Auszahlungen von Banknoten sowie Münzen. Dabei lassen sich beispielsweise bei Banknoten die angebotenen Scheinarten und der maximale Auszahlungsbetrag unterteilen. Mit beiden Kriterien wird der Grundstein für eine effiziente Filialausstattung mit (SB-)Kassentechnik gelegt und gleichzeitig auch die Bepreisung von "Sonderleistungen" möglich. Als wesentlicher Erfolgsfaktor kristallisiert sich dabei die Aufnahme von Kundenvorbestellungen hinsichtlich ihrer Auszahlungswünsche bei Überschreiten eines definierten Betrages und bei spezieller Stückelung heraus: Damit lassen sich Werpapierdienstleister-Touren und -Stopps optimieren und Sonderanfahrten entfallen. Das Angebot sekundärer Leistungen, wie beispielsweise der An- und Verkauf von Sorten, Reiseschecks, Edelmetallen wird in ähnlicher Art und Weise abgestuft oder in ausgewählte Filialen verlagert und dort gebündelt. Neben der Festlegung der Leistungsinhalte definierte das Projektteam auch wesentliche Service Level. Darauf aufbauend, lassen sich Prozessanforderungen und -häufigkeiten ableiten, die - aus Kostensicht betrachtet - wesentlichen Einfluss auf die Effizienz der künftigen Bargeldlogistikstrategie haben. Servicelevel und Cash-Recycling Auf die vereinbarten Servicelevel können sich sowohl der Markt als auch die internen und externen Dienstleister berufen. Sie bilden das gemeinsame Verständnis über die dauerhafte Qualität der Bargelddienstleistungen und die Wiederherstellungszeiten des Angebotes im Falle von Störungen je Cluster ab (siehe Abbildung 2). Auf Basis dieser Produkt- und Serviceleveldefinition erfolgte nun - wieder unter Zuhilfenahme des Filialcockpits - die Analyse der Cash-Recycling-Quote je Filiale, mit eindeutigen Ergebnissen: Mindestens vier Geschäftsstellen würden vom Einsatz eines Cash-Recycling-Systems spürbar profitieren. Das gemeinsame Projekt brachte viele wichtige Erkenntnisse, die der Sparkasse Unstrut-Hainich helfen, ihre Bargeldstrategie unter Effizienzgesichtspunkten optimal aufzustellen. Ohne die Analyse qualitativ hochwertiger und detaillierter Kennzahlen wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Kennzahlen als praktisches Hilfsmittel Jedoch können beispielsweise kostenoptimierende Aufgaben im Dienstleistungsangebot der Filialen nur umgesetzt werden, wenn ihnen verständliche und nachvollziehbare Kennzahlen auf Basis der konkreten Kundenbedürfnisse (Transaktionen, Umsätze) zugrunde liegen. Insgesamt profitiert die Kreditwirtschaft in diesem Fall regelmäßig von der: spürbaren Kostenoptimierung im Bargeldbereich, Erhöhung der Sicherheit im Bargeldbereich und Reduktion bestehender Risiken, Nutzung der Marktpotenzials: Erhaltung der Marktführerschaft im Bargeldbereich/Sicherung der Erfüllung des öffentlichen Auftrages, Verbesserung der Ertragskraft im Bargeldbereich, Prozessoptimierung im eigenen Haus (Prozesse, Ausstattung, Qualitätsaspekte). Schaffen es Kreditinstitute, aus den erarbeiteten Zahlen die richtigen Schlüsse zu ziehen, gelingt ihnen erfahrungsgemäß ein großer Schritt im Bereich Prozessoptimierung der Bargeldlogistik.

Frank Hummel , Mitglied des Vorstands, P3N AG , Werdau
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