Bankmanagement-Glossar

Perceived Value

Der Perceived Value - der wahrgenommene Nutzen - eines (potenziellen) Käufers vor einer Kaufentscheidung ist entscheidend dafür, welches Produkt jemand von welchem Anbieter erwirbt. Jedem Kauf geht ein bewusster, aber teilweise auch unbewusster Vergleich über die Vor- und Nachteile eines Produkts voraus. Der Konsument entscheidet sich immer für das Produkt/den Anbieter, der ihm den höchsten Perceived Value bietet. Der wahrgenommene Nutzen ist in einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft ein zentraler Faktor zur Erklärung des Kaufverhaltens. Um Angebote zu schaffen, die dem wahrgenommenen Nutzen des Konsumenten entsprechen, muss ein Unternehmen Wissen darüber haben, worin dieser aus Sicht des Kunden verwurzelt ist.

Unterschiedliche Nutzenkategorien

Beim Perceived Value, in der Praxis mitunter vereinfachend als Value-for-Money-Konzept beschrieben, handelt sich nicht um ein eindimensionales Konstrukt, sondern um unterschiedliche Nutzungskategorien, die je nach Konsument unterschiedlich bewertet werden. Für jedes Produkt wesentlich ist der Functional Value, der sich aus den Leistungsmerkmalen des Produkts ergibt. Dabei geht es einerseits um die Bestimmung des Grundnutzens, also die grundlegenden Anforderungen an ein Produkt. Hier ist der Gestaltungsspielraum des Anbieters meist beschränkt. Die Differenzierung erfolgt über den sogenannten Zusatznutzen (Value Added Services/ Mehrwert). Die zweite Nutzendimension stellt der Economic Value dar, der sich aus Preis und Preis-/Leistungsverhältnis ergibt.

Weitere relevante Nutzenkategorien sind der Emotional Value, der sich auf die Gefühle, die ein Produkt hervorruft bezieht, der Social Value, der sich durch die Zuordnung von Produkten zu einer sozialen Klasse oder einem Status ergibt, der Epistemic Value, der aus der Befriedigung der Neugier sowie des Bedürfnisses nach Abwechslung resultiert, oder der Conditional Value, der sich auf die Bedürfnisbefriedigung in einer bestimmten Situation bezieht. Neuerdings wird immer öfter auch der Ecological Value ins Kalkül gezogen. Die einzelnen Kriterien des wahrgenommenen Nutzens können zueinander kompensatorisch sein, das heißt dass ein Konsument zum Beispiel für eine bessere Produktausstattung (Functional Value) bereit ist, einen höheren Preis (Economical Value) zu zahlen.

Die Einflussgrößen auf den Perceived Value sind teils explizite, teils implizite Kriterien. Die expliziten Kriterien sind in der Regel produktrelevant und umfassen alle Einflusskriterien, die für den Kunden gut einschätzbar sind, das heißt im Wesentlichen die Erfüllung des Grund- und meist auch des Zusatznutzens. Die impliziten Kriterien sind jene, die dem Konsumenten gar nicht bewusst sind (zum Beispiel Bevorzugung oder Ablehnung einer bestimmten Marke oder eines bestimmten Unternehmens). Explizite und implizite Einflussgrößen sind bei der Kaufentscheidung unterschiedlich gewichtet, je nachdem, wie stark die Entscheidung eines Konsumenten rational oder emotional bestimmt ist.

Für Anbieter ist es im Hinblick auf Marketingentscheidungen wichtig, den wahrgenommenen Nutzen von Konsumenten für die eigenen Produkte (und die der Wettbewerber) zu kennen. Zusätzlich zu einer Kundenbefragung können auch die eigenen Mitarbeiter wertvolle Informationen liefern, wenn sie herauszufinden versuchen, was die Kunden wirklich wollen. In der Regel lassen sich gewisse Konsumentengruppen identifizieren, die zu ähnlichen Kaufentscheidungen tendieren. In Folge können Marktsegmente gebildet werden. Die totale Individualisierung des Kundennutzens kommt derzeit nur bei wenigen Branchen vor.

Basis für Segmentierung

Auf Basis der gewonnenen Marktforschungsergebnisse können für die unterschiedlichen Marktsegmente bestehende Produkte modifiziert und neue entwickelt werden. Aber nicht nur die Functional und Economic Values als "harte" Kriterien können je nach Kundensegment unterschiedlich gestaltet werden. Es gilt auch den Kundennutzen bei den "weichen" Kriterien zur Geltung zu bringen. Den Kundennutzen zu bestimmen, zu verwirklichen und zu kommunizieren ist für ein erfolgreiches Marketing entscheidend. Für das Finanzmarketing bedeutet es zum Beispiel die Notwendigkeit, die Charakteristika der unterschiedlichen Finanzdienstleistungen insbesondere in Hinblick auf ihre Komplexität mit ins Kalkül zu ziehen. Für komplexere Dienstleistungen werden vorhergehende Erfahrungen, das Vertrauen in den Kundenbetreuer und die Reputation des Finanzdienstleisters große Bedeutung haben. Für einfachere Dienstleistungen, werden vorrangig die Functional und Economic Values infrage kommen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Mana gement der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger @wu.ac.at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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