Bankmanagement- Glossar

Prosuming

Die Integration der Kunden in die betriebliche Wertschöpfung ist sowohl im Business-to-Business- als auch im Business-to-Consumer-Bereich von großer Aktualität. Prosuming statt Consuming heißt das Schlagwort, das die Entwicklung eines konsumsoziologischen strategischen Ansatzes beschreibt, in dem die Rolle des Produzenten und des Konsumenten verschmelzen. Prosuming bietet für Unternehmen die Möglichkeit einer Externalisierungsstrategie, um operative Aktivitäten auszulagern, sofern der Kunde die Potenziale für die Integration besitzt. Der Begriff des Prosumers tauchte erstmals in den achtziger Jahren auf. Prosuming ist ein Kunstwort, das sich aus Producer und Consumer zusammensetzt. Der Prosumer ist gleichzeitig Konsument und Produzent, indem er aktiv am Produktionsprozess teilnimmt.

Im Bankenbereich weit verbreitet

Im Bankenbereich stellt Prosuming eine häufig zu beobachtende Entwicklung dar. Es finden sich zahlreiche Beispiele: Der Kunde hebt zum Beispiel sein Geld selbst am Automaten ab. Er veranlasst seine Überweisungen im Überweisungsautomat oder mittels E-Banking. Er wechselt Geld am Geldwechselautomat oder er druckt seine Kontoauszüge am Kontoauszugsautomat aus. Der Prosumer agiert im Regelfall freiwillig in einem System, das vom Produzenten kontrolliert wird. Er ist sowohl Nachfrager des Produkts als auch Mitwirkender an dessen Leistungserstellung. Prosumer und Produzent bilden eine Symbiose.

Diese Co-Produktion kann als tiefgreifende Rollenveränderung gesehen werden. Der Ansatz hat großes Entwicklungspotenzial, allerdings dürfen auch die Grenzen nicht übersehen werden. Der Konsument beziehungsweise Prosumer muss sich über seine neu gewonnene Rolle bewusst werden, da er dadurch Verantwortung übernimmt.

Die Grundidee des Prosuming findet sich in der Literatur auch bei diversen ähnlichen Begriffen und Konzepten, beispielsweise Co-Produktion, Mc-Donaldisierung, Partial Employee oder dem arbeitssoziologischen Ansatz der "Arbeitenden Kunden", bei dem gezielt betriebliche Funktionen auf die privaten Konsumenten ausgelagert werden. Gemeinsames unternehmensseitiges Ziel all dieser Ansätze ist es, Kosten einzusparen und/oder produktive Leistungen der Kunden (Produktentwicklung, Innovationen, Qualitätskontrolle, Marketing, Werbung) für die Wertschöpfung zu nutzen.

Was vor vielen Jahren mit der Selbstbedienung begann, erfährt aktuell vor allem durch das Internet und eine Weiterentwicklung der Automatisation eine systematische Ausweitung. Als typische Beispiele dieser Entwicklung können das Direkt-, Onlineoder Internet-Banking, Self-Brokerage im Feld der Finanzdienstleistungen, das internetbasierte Ein- und Verkaufen, die Selbstorganisation von Reisen, das Selbstbuchen von Flug- und Bahntickets über das Internet und Fahrscheine des Nahverkehrs über das Mobiltelefon, Entwicklungen im E-Government, Abholung von Paketen an Packstationen, Self-Scanning von Waren an den Kassen von Handelsunternehmen, Selbstkonfiguration von Produkten (Mass Customization), Selbstkonfiguration und Selbstwartung von Soft- und Hardware im IT-Bereich angeführt werden. Eine Folge dieser Entwicklungen ist, dass die Konsumenten immer häufiger (nicht immer freiwillig und nur teilweise mit finanzieller Abgeltung) Arbeiten übernehmen, die bisher von den Unternehmen selbst geleistet wurden.

Kunden als unbezahlte Arbeitskräfte

Weitgehend unbemerkt werden Kunden quasi zu unbezahlten Arbeitskräften der Unternehmen - und immer stärker ziehen damit ökonomisch genutzte Funktionen in das Privatleben vieler Menschen ein. Besonders attraktiv für Unternehmen ist es zu versuchen, die Kunden mit vor allem innovativen Leistungen in die Wertschöpfung einzubeziehen (Open Innovation). Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Drucks auf Unternehmen nicht mehr aufzuhalten. Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, wie die Rolle seitens der Kunden wahrgenommen wird.

Die Gründe für den positiven Prosuming-Entscheid, sofern Konsumenten eine Wahlmöglichkeit haben, sind unterschiedlich: Verringerung der Fremdbestimmung, Selbstverwirklichung oder der Nutzen aus der Tätigkeit selbst können als Motivatoren wirken. Die nächsthöhere Stufe des Prosuming stellt das Konzept des Co-Designs dar, bei dem der Nachfrager auch gestalterische Tätigkeiten übernimmt. Der Kunde konfektioniert sein Leistungsbündel selbst. Das Co-Design integriert den Kunden bereits im Produktentwicklungsprozess. Durch das Internet haben sich die Möglichkeiten zur Einbeziehung von Anwendern in die Erzeugung von Produkten und die Reichweite der co-produzierten Güter und Dienstleistungen potenziert, was als Prosuming neuen Typs bezeichnet wird.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klaus egger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Mana gement der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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