Provisionsgeschäft

Provisionsgeschäft und Verbraucherschutz: unvereinbar?

Verbraucher konsumieren die unterschiedlichsten Beratungsdienstleistungen in der Kreditwirtschaft. Sie lassen sich beraten, wie sie ihr Geld vernünftig anlegen sollen und welche Altersvorsorge für sie optimal ist. Bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen, aber auch bei langfristigen Finanzierungsentscheidungen verlassen sie sich auf den Rat von Kreditinstituten.

Versteht man Verbraucherschutz im klassischen Sinne, dann handelt es sich der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge um "die Gesamtheit der rechtlichen Vorschriften, die den Verbraucher vor Benachteiligungen im Wirtschaftsleben schützen und seine rechtliche Stellung stärken sollen". Die Zahl rechtlicher Vorschriften ist gewaltig, nicht wenige Praktiker der Finanzindustrie beklagen dies und die mit der Regulierung verbundenen Kosten. Aufgrund des zunehmenden Einflusses der Europäischen Union auf nationale Gesetze ist in Zukunft eine Zunahme rechtlicher Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers vor Benachteiligungen zu erwarten. Die Richtigkeit der Beweggründe für die Vermittlerrichtlinie und die Finanzmarktrichtlinie zweifeln auch Kritiker nicht an. Über die richtigen Instrumente zur Vermeidung von Benachteiligung des Verbrauchers hingegen darf und soll diskutiert werden.

Der deutsche Verbraucher ist typischerweise ökonomisch nur dürftig ausgebildet worden und besitzt höchstens rudimentäre Kenntnisse über Finanzprodukte, die häufig nicht einmal über die Produktarten Sparbuch und Rentenversicherung hinausgehen. Auf der anderen Seite steht ein geschulter Berater, der seine Fachkenntnis als Beratungsdienstleistung anbietet.

Diese Informationsasymmetrie zwischen Berater und Kunde ist vergleichbar derjenigen eines Bankers in der Rolle eines Patienten, der sich von seinem Arzt beraten lässt, welche Behandlungsmethode für seine Erkrankung die Erfolg versprechendste ist. Das Röntgenbild ist für den Banker etwa so aufschlussreich wie aktuelle Aktiencharts und Korrelationsmatrizen für dessen Kunden. Unser Banker wird sich also auf die Deklaration von Genf verlassen müssen, wonach die Gesundheit des Patienten oberstes Gebot des Handelns eines jeden Arztes sein muss. Vielleicht wird unser Banker noch eine zweite Arztmeinung einholen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt. Wenn er Glück hat, vertritt dieser dieselbe Meinung. Wenn nicht, darf er sich überlegen, welcher der beiden Ärzte es mit seinem Gelöbnis wohl ernster nimmt.

Kunde der Kreditwirtschaft trägt die Beweislast

Geht die Behandlung trotz Gelöbnis und Diagnosevergleich schief, könnte ein Schaden entstehen und der Banker seinen Anwalt einschalten, um Schadenersatzansprüche aus ärztlichem Fehlverhalten geltend zu machen. Der Anwalt wird dann prüfen, ob der Arzt eine falsche Diagnose gestellt, Befunde nicht erhoben oder eine veraltete Behandlungsmethode gewählt hat. Möglicherweise wurde die Operation von einem nicht entsprechend ausgebildeten Arzt durchgeführt. Oder es wurde versäumt, den Patienten über mögliche Schäden der Behandlung aufzuklären.

Die Beweislast trägt grundsätzlich der Patient. Unser Banker wird von seinem Anwalt auf die oftmals sehr schwierige Beweisführung hingewiesen, da möglicherweise eine Untersuchung nicht gemacht worden ist, die zur sicheren Beweisführung erforderlich wäre. Bankpraktiker werden in einem Vergleich der Finanzberatung mit einer ärztlichen Leistung direkte Analogien erkennen. Allerdings hat sich im Bereich der Durchsetzung eines Ersatzanspruches aus ärztlichem Fehlverhalten eine umfangreiche Rechtsprechung herausgebildet, die unter Umständen dem Arzt die Beweislast auferlegt, ordnungsgemäß gehandelt zu haben. Im Falle einer Falschberatung hat es der Kunde in der Kreditwirtschaft schwerer, da er allein die Beweispflicht trägt.

Ratsuchende sind nicht immer rationale Entscheider

Die Existenz einer gewaltigen Informationsasymmetrie zwischen dem Banker und seinem Kunden hat die Politik seit langem erkannt. Maßnahmen zur Vermeidung von Benachteiligungen aus dieser Informationsasymmetrie zielen daher häufig auf Informationspflichten für die Anbieter ab. Dabei wird vorausgesetzt, dass Ratsuchende rationale Entscheider sind, welche die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen vollständig verarbeiten.

Der Zielerreichungsgrad von Vermittlerrichtlinie, Finanzmarktrichtlinie und Co - im Wesentlichen, eine gute Beratung sicherzustellen - hängt unter anderem maßgeblich davon ab, ob diese Annahme zutreffend ist. Erfahrene Berater dürften sich darin einig sein, dass die Annahme nicht zutreffend ist. Wie könnte man sich sonst erklären, warum zum Beispiel die Kürzung der Überschussanteile in der Gesamtverzinsung deutscher Lebensversicherer noch immer auf breites Unverständnis stößt?

Die Flut an Informationen seitens der Anbieter durch die stetige Zunahme vorvertraglicher Informationspflichten kommt beim Adressaten in der Regel nicht an. Auch die Offenlegungspflicht von Bestandsprovisionen, beispielsweise im Wertpapiergeschäft, dürfte nur in wenigen Fällen die Entscheidungssituation maßgeblich beeinflussen. Wenn die Politik gute Beratung sicherstellen möchte, muss sie dem Verbraucher die Sicherheit geben, sich auf den Berater seines Vertrauens verlassen zu können. Neben einer Stärkung der Anlegerrechte ist die Sicherstellung anreizkompatibler Vergütungsmodelle ein Schlüssel zum Erfolg.

Kann eine provisionsbasierte Beratung gut sein? Viele Bankpraktiker bejahen dies, doch Kritik ist angebracht. Eine gute Beratung muss vorrangig vor anderen Zielen die Interessen der Ratsuchenden berücksichtigen. Diese sind - vereinfacht gesprochen - Vermögensmaximierung bei gegebener Risikobereitschaft und gegebener Anlegersituation. Dies ist die Zielsetzung einer guten Finanzberatung, ob zu den Themen Geldanlage, Altersvorsorge oder Finanzierung.

Deutsche Haushalte offenbar schlecht beraten

Ein Blick in die Finanzen deutscher Haushalte offenbart jedoch, dass dieses Ziel kaum verfolgt wird. Die auffallend hohen Anteile von Sparbucheinlagen, Rentenversicherungen und Immobilien legen dies jedenfalls nahe. Die Bundesbank schätzt die Rendite des Geldvermögens der Deutschen für die vergangenen 15 Jahre nach Abzug von Inflation auf rund 2,3 Prozent pro Jahr. In den USA soll sie mit 3,6 Prozent deutlich höher sein.

Dass in Deutschland die Geldvermögen so schlecht rentieren, hat eine Vielzahl von Gründen. Einer davon ist, dass die Finanzberatung hierzulande fast ausschließlich auf Provisionsbasis stattfindet. Sie steht im Zielkonflikt mit dem Vermögensmaximierungsziel, aber auch mit seinen Restriktionen, gegebene Risikobereitschaft und Anlegersituation. Denn die ausführliche Aufklärung über Chancen und Risiken kostet Zeit, ebenso eine detaillierte Situationserfassung. Zeit, die in der provisionsbasierten Beratung nicht direkt vergütet wird.

Verbraucherschutz und Provisionen sind nicht vereinbar

Verbraucherschutz im zuvor geschilderten Sinne - Beratung im Interesse der Ratsuchenden - und Provisionsgeschäft sind ohne Ausnahme in der Kreditwirtschaft nicht vereinbar. Warum muss man zu dieser Erkenntnis in solch bedingungsloser Form gelangen? Kann es nicht doch bestimmte Umstände geben, die eine Beratung im ausschließlichen Interesse der Ratsuchenden erlauben kann?

Die Antwort lautet nur dann ja, wenn der Anbieter der Beratungsleistung seinen ökonomischen Zielen geringeren Stellenwert einräumt als denen des Kunden. Denn wer eigene ökonomische Ziele verfolgt, steht vor einem Interessenskonflikt, der sich auf verschiedenen Ebenen auswirkt. Der Gewinn des Kreditinstitutes finanziert sich aus dem Vermögen seiner Kunden. Diesen zu maximieren, geht stets zulasten der Kunden.

Einschränkend muss man allerdings anmerken, dass eine langfristige Kundenbindung mit geringeren Provisionen möglicherweise mehr Wert für die Bank hat als eine kurzfristige. Der Kunde hat womöglich eine geringere Wechselbereitschaft und es kann sich neues Umsatzpotenzial durch Weiterempfehlung ergeben. Das ist das am weitesten verbreitete Argument für das bestehende System.

Misstrauen ist angebracht

Eine allzu schlechte Beratung würde durch den Kunden sanktioniert und damit dem eigenen Gewinnstreben Grenzen setzen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine Beratung in die Taschen der Bank von deren Kunden überhaupt erst bemerkt wird. Dies ist weitläufig leider nicht der Fall. Würde sich der Arzt unseres Patienten von

der Pharmaindustrie bezahlen lassen, wäre unser Banker seinem Arzt gegenüber sicher weitaus misstrauischer als die Kunden der Kreditwirtschaft es heute sind, wenn sie eine Beratungsleistung auf Provisionsbasis erhalten.

Berater sind wenig qualifiziert ...

Ein weiteres Argument der Verfechter provisionsbasierter Vergütungsmodelle ist ein Verweis auf die Kundenzufriedenheit im eigenen Hause. Zufriedenheit mit einer Beratung ist allerdings nur beim sehr informierten Kunden ein hinreichender Indikator für die objektive Qualität einer Beratung. Zum einen darf man annehmen, dass Kunden eine schlechte Beratung sehr häufig nicht bemerken, da sie die dazu erforderlichen Beurteilungsmaßstäbe nicht kennen oder sich schlicht mit Finanzen nicht im Detail beschäftigen wollen.

Hinzu kommt eine mangelhafte Qualifikation der Mehrheit an Beratern in der deutschen Kreditwirtschaft. Dass die Qualifikation mangelhaft ist, sei dem Leser an ein paar Beispielen aufgezeigt: Glauben Sie, dass der Cost Average Effekt ein Pluspunkt eines Fondssparplanes ist? Glauben Sie, dass aktives Fondsmanagement besser ist als passives Indexinvesting? Glauben Sie, dass man an einer klassischen Rentenversicherung festhalten sollte, wenn man ein Darlehen für seine eigene Immobilie aufnehmen möchte? Glauben Sie, dass die Riester Rente sich in jedem Fall lohnt?

Diese Fragen werden hierzulande in aller Regel von Finanzberatern ohne Zögern bejaht. Allein dies ist ein Armutszeugnis für das Gros der Branche, insbesondere die für Weiterqualifikation Verantwortlichen. Man kann feststellen, dass meistens weder die Kunden noch die Berater überhaupt bemerken, dass die Beratung nicht im ausschließlichen Interesse des Ratsuchenden durchgeführt wird. Insofern kann man vielen Beratern wenigstens zugute halten, dass sie nicht absichtlich und wissentlich ihre Kunden schlecht beraten.

Häufig muss man den für Weiterbildung Verantwortlichen allerdings neben Unkenntnis auch ein betriebswirtschaftliches Kalkül bei der Planung interner Fortbildungen unterstellen. Viele solcher Fortbildungen sind reine Vertriebsschulungen, um grundlegende Produktvorteile und Absatzchancen zu vermitteln.

... denn relevante Informationen werden bei Vertriebsschulungen ausgelassen

Die Kosten einer Vertriebsschulung können betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sein, wenn sie eine ausreichende Umsatzzunahme auslösen. Wichtig für den Kunden wären stattdessen aber fachlich exzellente Berater mit sehr guten Kenntnissen in Beratungsmethodik und Bedarfsanalyse.

Mitarbeiter aufzuklären, dass der Cost Average Effekt keine Entscheidungsrelevanz besitzt oder dass aktives Fondsmanagement im Schnitt die Benchmark nicht schlägt oder dass die vor fünf Jahren empfohlene Rentenversicherung im Zuge einer Immobilienfinanzierung wieder aufgelöst werden sollte, ist schlicht unrentabel.

Das Vermitteln von Kenntnissen der Beratungsmethodik und Bedarfsanalyse ist zeit- und kostenaufwändig. Diese wichtigen Kenntnisse werden daher in absehbarer Zukunft voraussichtlich nicht in die Beratungspraxis einfließen.

Die Leistungsmessung eines Beraters erfolgt heutzutage auf Basis von konkreten Absatzvorgaben, nicht auf Basis langfristiger Kundenzufriedenheit. Sie löst oftmals - ob bewusst oder unbewusst - einen Interessenkonflikt aus. Auch wenn variable Gehaltsbestandteile in der Regel nicht so groß sind, dass sie starken Einfluss auf die Beratung haben, so haben doch die damit verbundenen Karrierechancen erheblichen Einfluss. Diejenigen Berater mit fachlich exzellenten Kenntnissen stehen ihrer eigenen Karriere im Weg, wenn sie ihre Beratung nicht den vorgegebenen Leistungszielen des Unternehmens unterordnen.

Angesichts dieser unzufriedenstellenden Situation in der deutschen Beratungslandschaft bei Kreditinstituten bleibt die Hoffung für die Verbraucher, dass angesichts der Richtlinien der EU und weiterer Informationspflichten über Provisionen im Vermittlergeschäft die Honorarberatung an Bedeutung gewinnt.

Im Idealfall erkennt die Politik diese Chance und stellt eine angemessene Beratungsqualität für einen zu schützenden Berufsstand eines Finanzberaters sicher. Ein Blick über den Teich lehrt uns, dass beide Vergütungsmodelle nebeneinander bestehen können. Es liegt also im Interesse der Kreditwirtschaft, einen solchen Trend frühzeitig zu erkennen, um den Verlust von Marktanteilen abzuwenden.

Niels Nauhauser , Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite , Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V.
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