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Retailbanking-Radar - Abschied vom SB-Foyer?

Nur langsam nähern sich die Kennzahlen im europäischen Retailbanking wieder dem Vor-Krisenniveau an. Immerhin lautet die "Wetterprognose" des von A.T. Kearney herausgegebenen Retail-Banking-Radar 2014: "Die Kaltfront verzieht sich". Die Banken sind auf dem Weg der Besserung.

Dabei gibt es aber deutliche regionale Unterschiede: In Skandinavien und der Schweiz operieren die Banken nach wie vor auf einem höheren Einnahmen-, Produktivitäts- und Gewinn-Niveau als die anderen europäischen Institute. In Westeuropa einschließlich Deutschland lautet die Prognose auf "heiter bis wolkig". Hier wird das Bild weiterhin von niedrigen Wachstumsraten und einer Erosion der Margen geprägt.

Deutsche Banken sind einzig bei der Risikovorsorge im Verhältnis zu den Gesamteinnahmen mit zehn Prozent besser unterwegs als der europäische Durchschnitt (20 Prozent). Bei allen übrigen Kennzahlen liegen sie teils deutlich darunter: Beim Ertrag pro Kunde bleiben sie mit 553 Euro um 115 Euro (oder 17,2 Prozent) unter dem Durchschnitt, beim Ertrag pro Mitarbeiter mit 139 000 (europaweit 218 000) Euro gar um 36,3 Prozent. Bei der Cost Income Ratio (67 Prozent) beträgt der Abstand sechs Prozentpunkte. Fazit: Das Retailbanking in Deutschland wird nach wie vor zu kostenintensiv betrieben.

Ebenfalls bedenklich: Bei der Zinsabhängigkeit des Geschäfts sind deutsche Banken und Sparkassen dem schlechtesten Wert der untersuchten Länder (Großbritannien mit einem Anteil der Zinsseinnahmen von 79 Prozent an den Gesamteinnahmen) mit einer Quote von 74 Prozent bedeutend näher als dem Spitzenreiter Portugal (46 Prozent). Über diese strukturelle Schwäche kann auch die Tatsache nicht hinwegtrösten, dass der vermeintlich gute Wert in Portugal nicht zuletzt dadurch erreicht wurde, dass die Verbraucher schlicht weniger Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen beziehungsweise Mittel in erheblichem Maße ins europäische Ausland abgeflossen sind.

Für Deutschland konstatiert Michael Pratz, einer der Autoren der Studie, ein Zurückbleiben bei Investitionen in mobile Angebote und beim Umbau des Filialnetzes. Erst dann aber lasse sich der Vorteil einer frühen Konsolidierung des Back-Office nutzen. Die Aufforderung lautet also, beherzter an die digitale Transformation heranzugehen und auch vor einer weiteren Straffung des Filialnetzes nicht mehr zurückzuscheuen. Schließlich geht die Nutzung der Filialen pro Jahr um etwa zehn Prozent zurück.

An dieser Stelle macht Pratz aber durchaus Unterschiede: Einen Abbau von Bankfilialen sieht er primär in den Städten. In der Fläche dagegen sei Deutschland nicht "overbranched". Hier gehe es deshalb weniger um Abbau als um Neuausrichtung der Filialen - weg vom Service hin zur Beratung. "Die Filiale wird eher aussehen wie eine Versicherungsagentur", so Pratz. Wegfallen könnte diesem Vorschlag zufolge künftig in vielen Fällen also auch die in Anschaffung und Unterhalt teure SB-Technik. Übrig blieben in Kleinfilialen im Wesentlichen zwei Beraterplätze.

Ganz so einfach ist es aber wohl doch nicht - schließlich gibt es immer noch Menschen ohne Internetzugang, die auf den Service vor Ort angewiesen sind. Will man die von Bankdienstleistungen ausschließen? In Märkten mit einer Quote von vielleicht 70 Prozent der Verbraucher, die überhaupt über eine Bankbeziehung verfügen, tut man sich da vielleicht leichter. Hierzulande, wo wir uns nahe der 100-Prozent-Marke bewegen, gilt es mehr Rücksichten zu nehmen. Nicht zuletzt ist Deutschland nach wie vor ein Land der Barzahler. Schon allein deshalb lässt sich das SB-Foyer vermutlich doch nicht so leicht abschaffen. Dass die Filialen sich ändern müssen - unbestritten. Nicht alles, was in anderen Ländern in dieser Hinsicht unternommen wird, eignet sich aber unbedingt als Blaupause. Red.

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