Nachhaltigkeit

Social Banking wird massentauglich

Vor gut 25 Jahren wurde nachhaltiges Banking noch mitleidig belächelt. Heute erwarten vier von zehn Deutschen von ihrer Bank Produkte, die nach ethischen und sozialökologischen Gesichtspunkten ausgerichtet sind, so eine Studie von You-Gov-Psychonomics. Sogenanntes Social Banking ist daher eine mögliche Antwort auf die Vertrauenskrise, in der die Institute seit 2007 stecken.

Die Grundsteine des Social Bankings wurden bereits früh gelegt: 1984 formierte sich der Verein "Freunde und Förderer der Ökobank", um rund vier Jahre später die Ökobank eG an den Start zu schicken. Die Vereinsgründung entsprang einem Zeitgeist, der besonders durch die Nachrüstungskontroverse um den Nato-Doppelbeschluss Anfang der achtziger Jahre und durch die aufkeimende Umweltbewegung im Rahmen der Auseinandersetzung um alternative Ökonomie geprägt war.

Andere Industrien als Vorreiter

Mittlerweile besteht ein breiter Konsens in allen demokratischen Parteien und in der Gesellschaft, dass Umweltschutz und Nachhaltigkeit wesentliche Ziele sind. 1994 wurde schließlich das Grundgesetz in Artikel 20 a durch die Formulierung des Umweltschutzes als Staatsziel ergänzt.

Das Thema Nachhaltigkeit hat in den Folgejahren eine Reihe von Branchen gewandelt, allen voran die Nahrungsmittelindustrie, Tourismusbranche und die Automobilindustrie. Die Mehrheit der Menschen hat die neuen Ideen anfangs belächelt, bis sie irgendwann selbst gerne zugegriffen haben. Siemens kündigte außerdem an, bis 2014 die Hälfte der weltweiten Gesamterlöse mit Umweltprodukten erzielen zu wollen. All das unterstreicht den Stellenwert von Nachhaltigkeit und Ethik. Und zwar auch, weil es sich wirtschaftlich rechnet - direkt und indirekt. Wer hier zu spät kommt, den verlassen zuerst die Reputation und dann die Kunden.

Dieser Trend hat die Bankindustrie lange Jahre nicht beeinflusst. Ein Umdenken in der gesamten Branche blieb zunächst aus. Das änderte sich jedoch im Laufe der Zeit. Die Ökobank eG musste 2003 zwar aufgrund von Managementfehlern durch die GLS Gemeinschaftsbank eG übernommen werden, dennoch stehen die Zeichen nunmehr besser, dass auch Banking deutlich mehr Ausrichtung auf Nachhaltigkeit erfährt. Die Finanzkrisen der letzten zehn Jahre ließen ein neues Herangehen reifen.

Es wurde deutlich, dass eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die ihre Märkte wenig reguliert oder dereguliert und die Steuersätze für Kapitalerträge, Unternehmenserträge und für Spitzeneinkommen deutlich senkt, langfristig die Nachhaltigkeit der Staaten, der Märkte und des Banking stört. Konsens ist nun auch, dass den Finanzmärkten eine doch erforderliche Marktordnung fehlte und dass aufgrund der sinkenden Staatseinnahmen die Staatsdefizite deutlich stiegen. Parallel verschoben sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse so, dass die finanzielle Kraft der Mittelschicht deutlich schrumpfte. Die jüngste Studie des "Economic Policy Institute" von 2010 belegt das für die USA. Diese Erfahrungen lös ten konkretes politisch-wirtschaftliches Handeln aus, um die Märkte und Staaten besser zu schützen. Andererseits stärkten sie Kräfte, die die Werthaltigkeit des Handelns und des Seins zunehmend in den Mittelpunkt rücken.

Die Wirtschaft entdeckte für sich außerdem das Wertemanagement, um einen Dreiklang von Kundenwerten, Unternehmenswerten sowie kulturell-ethischen Werten zu schaffen. Es gibt mittlerweile nicht nur in den ethisch-ökologischen Banken, sondern im genossenschaftlichen Segment, im Segment der Sparkassen und unter den Groß- und Privatbanken eine Reihe von Instituten, die sich eine diesem Ansatz folgende Charta als Leitlinie verordnet haben.

Social Banking 1.0: Die Anfänge

Parallel dazu durchlief Social Banking in den vergangenen Jahren verschiedene Entwicklungsstufen. Das Social Banking 1.0 zielte auf moralisch gute Bankgeschäfte ab und verfolgte damit eine Strategie, die Geld kostete. Überwiegend das der Kunden, die sich aufgrund des sozialen Geschäftszieles mit etwas weniger Rendite begnügten. Das Konzept war stets auf Profitabilität ausgerichtet, anders als wohltätige, gemeinnützige Vereinigungen, die sich per Satzung der Nicht-Profitabilität verschrieben haben. Im Social Banking drückt sich jedoch die Strategie aus, Bankgeschäfte als Management von Werten zu begreifen. Ziel ist es, die ethisch-kulturellen Werte so einzusetzen, dass sie mittelfristig den Nutzen aus der Kundenbeziehung erhöhen.

Social Banking 2.0: Internet treibt Idee sozialer Bankgeschäfte voran

Den ersten Bemühungen nachhaltiger und moralisch guter Bankgeschäfte folgte das Social Banking 2.0. Sozial ist hierbei nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg. Über interaktive Onlineangebote besitzt der Kunde Mitbestimmungsrechte und ist "Peer to Peer" vernetzt - beispielsweise auf Internetplattformen oder über soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter. Es geht um Transparenz und Nachvollziehbarkeit, aber auch darum, die Margen aus Social Banking Deals gerecht zu teilen.

Vor diesem Hintergrund hat sich das Social Banking weiterentwickelt. Es gibt eine Reihe von Banken, die explizit ethischökologisch und sozial orientiert sind und insgesamt zurzeit 200000 Kunden zählen. Die Kundenzahl der sozial ausgerichteten Banken ist im Gesamtvergleich zwar gering. Demgegenüber steht aber der steigende Wunsch breiter Gesellschaftsschichten nach nachhaltigen und transparenten Geldanlagen. Hinzu kommt, dass die Branche mittlerweile ebenfalls von dem internationalen Trend der Nachhaltigkeit erfasst wird.

Zunächst einmal muss das Social Banking aber aus seiner Nischenstellung heraus, um wirklich breite Bevölkerungsschichten erreichen zu können. Konkret bedeutet dies, dass den Kunden in Aussicht gestellte Renditen nicht zu weit von denen "konventioneller" Anlagen entfernt sein dürfen. Hinzu kommt, dass die Menschen der jeweiligen Bank zutrauen müssen, fachlich und technisch kompetent und somit "massengeschäftstauglich" zu agieren.

Social Banking 2.0 legt also nahe, den Kreis dahingehend zu schließen, sozial orientierte und ethisch-ökologische Bankgeschäfte stabil und nachhaltig zu etablieren, indem sie massentauglich gemacht werden. Dazu gehört die Ausrichtung an belastbaren und zugleich effizienten Strukturen von Großbanken. Das schließt das optimale Managen von ethisch-kulturellen Werten, Kundenwerten und Unternehmenswerten in einem Segment des Massengeschäfts ein.

Social Banking 3.0 ist in der Breite vermarktbar

Anders als zuvor wird die Profitabilität der Bank nicht kurzfristig, sondern mittelfristig optimiert. Ziel des Social Banking 3.0 ist es, die im Vergleich zum Social Banking 2.0 höheren Kosten und Investments im Ethisch-Kulturellen und Sozialen mittelfristig über Wertgewinne durch stärkere Kundenbindung und den steigenden Unternehmenswert bei hoher Kundenzahl überkompensieren zu können. So steigt die Profitabilität auf mittlere Sicht nachhaltiger als bei Non-Social-Banks und kleineren Instituten, die dem Social-Banking 2.0 folgen. Social Banking behält mit 3.0 ein soziales und innovatives Gesicht, wird aber durch ein ökonomisches Profil ergänzt und ist damit in der Breite vermarktbar.

Das ist eine große Chance für die gesamte Branche - insbesondere für die nach der Finanzkrise im Fokus stehenden privaten Geschäftsbanken. Denn grundsätzlich sind zwei Entwicklungen denkbar:

1. Ein starkes Wachstum der Kundenzahl bei sozial ausgerichteten Banken. Damit verbunden sind daraus erwachsende Schwierigkeiten, insbesondere das Handling des Wachstums und die einhergehende Sicherstellung der korrekten technischen Abwicklung der Geschäfte und der bestimmungsgemäßen Verwendung der eingesammelten Mittel. Darüber hinaus könnte ein transparentes und glaubwürdiges "Einschwenken" der etablierten Institute auf den gesamtgesellschaftlich vollziehenden Wertewandel stattfinden.

2. Die zweite genannte Möglichkeit ist ebenfalls mit erheblichen Anstrengungen und Umstellungen in den Instituten verbunden. Hauptsächlich bedarf es zunächst Entschlossenheit zur Führung und zur umfassenden Kommunikation in die operativen Ebenen hinein. Es erfordert außerdem die Bereitschaft der Eigentümer der Institute, langfristig mit moralisch einwandfreien und im gesamtgesellschaftlichen Konsens stehenden Produkten und Prozessen auch konsensfähige Renditen zu erzielen.

Markt öffnet sich auch konventionellen Instituten

Es bieten sich dabei nicht nur den explizit ethisch-ökologischen Instituten, sondern auch konventionellen Instituten Zugänge zum Social-Banking-Markt. Die Mehrheit hat aufgrund der Umsetzungsprojekte von EU-Richtlinien zum Anleger- und Verbraucherschutz ihre Systeme und Prozesse in den letzten Jahren erheblich anpassen müssen, sodass der Schritt zum Social Banking nicht mehr weit ist. Einige der Institute standen vor der besonderen Herausforderung, einen neuen Markenauftritt zu kreieren. Sie agierten dabei proaktiv und klug. Wissend um die Verpflichtung zur weiteren Umsetzung von Anleger- und Verbraucherschutzmaßnahmen gestalteten sie den Markenauftritt sehr kundenfreundlich. So sind etwa "Fairness-Paket" und die Stiftung zur Schuldnerprävention "Deutschland im Plus" Ergebnisse des neuen Auftritts der Team-Bank, nach Verkauf der Norisbank an die Deutsche Bank. Darüber hinaus etablierte die Commerzbank "Kundenanwalt" und "Kundenbeirat" nach der Übernahme der Dresdner Bank. Die Targobank ließ sich in ihrer Imagekampagne als Nachfolger der umstrittenen Citibank Deutschland ebenfalls von diesen Ansätzen leiten. Ganz ähnlich agierte die Quirin Bank in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung.

Davon ausgehend gilt es nun Aspekte näher zu beleuchten, die bei der Einführung von Komponenten des Social Banking 3.0 zu berücksichtigen sind.

Auswirkung auf Unternehmensstrategie und Aufbauorganisation

Institute sollten zunächst eine Bestandsaufnahme ihrer gegenwärtigen Strategie bei der Umsetzung von Verbraucher- und Anlegerschutz machen, weil dies das Herzstück des Social Banking ist. Es stellt sich die Frage, wie sich die Bank aktuell in Bezug auf die Umsetzung neuer gesetzlicher Anforderungen verhält. So reagiert ein Institut beispielsweise immer erst dann, wenn der gesetzgeberische Referentenentwurf vorliegt.

Ein anderes Institut setzt gesetzliche Vorgaben selektiv um, Nacharbeiten werden erst aufgrund einer verlorenen Klage angestoßen. Beide Strategien sind ausschließlich angewendet nicht zuträglich für die Reputation sowie die langfristige Er tragskraft und damit ungeeignet als Markenzeichen im Social Banking. Sie ließen sich höchstens in für die Wahrnehmung weniger wichtigen Bereichen einsetzen.

In einer zweiten Stufe sollten die Institute mit externer Begleitung die gegenwärtige Strategie kritisch analysieren. Dazu zählt beispielsweise, Optimierungspotenziale im Blick zu haben und an einer Neuformulierung der Strategie zu arbeiten, damit das Institut künftig konsistent im Sinne des Social Banking aufgestellt ist. Ziel sollte es sein, selektiv proaktive Strategien zu entwickeln oder zumindest aktive Strategien.

Als aktive Strategien können solche Strategien gelten, die sich an Best Practices orientieren und damit über reines vorschriftsmäßiges Verhalten hinausgehen.

In einer dritten Stufe besteht für die Institute die Möglichkeit, Vorteile durch kostenbewusste Strukturen zu heben. Hier sollte bei dezentral operierenden Instituten gezielt auf eine Mehrfachnutzung von Bausteinen geachtet werden, um Social Banking inklusive Anleger- und Verbraucherschutzbestimmungen möglichst kostengünstig umzusetzen. Die Umsetzung solcher Strategien wird zum Redesign der Aufbauorganisation führen, insbesondere im Qualitätsmanagement und dem Außenauftritt bezüglich Compliance und Social Banking.

Denkbar ist dabei, eine Position im Sinne eines Qualitätsmanagements in der Stabstelle Verbraucher- und Anlegerschutz zu schaffen, die nur im Innenbereich des Instituts tätig ist und nicht die Kommunikation nach außen übernimmt.

Daneben ließe sich ein Kundenanwalt etablieren, der mit der Aufgabe des Außenauftritts im Konfliktfall und mit repräsentativen Aufgaben betraut ist. Dabei ist es möglich, die Position des Qualitätsmanagements mit Fachleuten zu besetzen, während für die Position des Kundenanwalts ein Prominenter gewonnen wird, der nicht zwingend Banker sein muss.

Transparente und verständliche Produkte

Ein weiterer zentraler Punkt des Social Banking 3.0 ist die Produktgestaltung. Die Kunden erwarten transparente und ver ständliche Produkte mit einem klaren Statement zum Verwendungszweck beziehungsweise zur Herkunft der Mittel. Ein gutes Beispiel bietet der Gedanke des Kreditmarktplatzes. Die Bank führt dabei die Interessen von wertorientierten Anlegern - beispielsweise mit ökologischer Orientierung - mit Kunden zusammen, die einen Kreditwunsch aus diesem Bereich haben. Ein Beispiel ist etwa ein Privatkunde, der sein Haus unter ökologischen Aspekten sanieren will. Die Bank fungiert hier als Intermediär inklusive Risikosteuerung. Gleichzeitig muss sie die Herausforderung bewältigen, die vorgesehene Mittelverwendung zu gewährleisten. Am Anfang jeder Produkteinführung steht dabei die Analyse des Marktes. Verbunden ist damit die Frage, welche Bedürfnisse die Zielgruppe der jeweiligen Bank hat. Dabei gilt es zudem im Blick zu behalten, ob es möglicherweise Hindernisse bei der Umsetzung gibt und welche Bereiche und Abteilungen konkret betroffen sind. Ist eine Marktanalyse durchgeführt und liegen zentrale Ergebnisse vor, kommt der zweite Schritt: die Konzeption. Dazu gehört, Zuständigkeiten im Unternehmen festzulegen und die konkrete Umsetzung in einem Konzept zu planen. In der dritten Phase findet die Einführung der neuen Bankprodukte statt. Dazu werden bei Bedarf Mitarbeiter geschult und IT-Systeme angepasst. Zur Einführung gehört außerdem die Kundenkommunikation, um Bankkunden über die Produktänderungen zu informieren. In jedem Fall benötigen die Institute ein detailliertes Vorgehensmodell, das die Einführung der Social-Banking-Produkte plant und steuert.

Jetzt als Vorreiter positionieren

Derzeit steckt die Idee des Social Banking 3.0 noch in den Kinderschuhen. Viele Institute erkennen erst langsam die Dringlichkeit des Themas für den künftigen Geschäftserfolg. Dass es von vielen Banken in diese Richtung bisher erst wenig Anstrengungen gegeben hat, bestätigt auch die Unwissenheit der Kunden: Der Mehrheit der Deutschen ist der Begriff Social Banking unbekannt. Der Wunsch nach sozialen und ökologisch orientierten Bankprodukten ist aber definitiv da.

Social Banking 3.0 bietet daher für die Institute interessante Geschäftsmodelle und gleichzeitig die Möglichkeit, ihre Position als ethisch und politisch korrekte Bank auszubauen. Die Institute sollten deshalb die Chance nutzen, die damit verbundenen Herausforderungen anzugehen und sich als Vorreiter im Social Banking 3.0 zu etablieren. Dabei gilt es Strategien zu erarbeiten, um zu zeigen, dass sich mit nachhaltig orientiertem Banking tatsächlich gutes Geld verdienen lässt.

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