Blickpunkte

Verbundstrategie - Genossen unter "Artenschutz"

In diesem Jahr ist die Bundesrepublik Deutschland dem Unesco-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes beigetreten, das darauf abzielt, lebendige Traditionen zu erhalten und ihre Bedeutung als Quelle von Vielfalt sowie als Garant nachhaltiger Entwicklung zu stärken.

Eine solche lebendige Tradition hat die deutsche Genossenschaftsorganisation in der vor mehr als 150 Jahren von Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen begründeten Genossenschaftsidee ausgemacht. Welt weit gibt es immerhin über 900 000 Genossenschaften mit mehr als 800 Millionen Mitgliedern. In Deutschland sind die rund 8 000 Genossenschaften mit ihren rund 21 Millionen Mitgliedern die stärkste Wirtschaftsorganisation.

Deshalb haben die Deutsche Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft und die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft im Oktober dieses Jahres angekündigt, einen länderübergreifenden Antrag auf Anerkennung der Genossenschaftsidee als immaterielles Kulturerbe der Unesco stellen zu wollen. Zur Begründung heißt es, gerade die Finanz- und Wirtschaftskrise in den letzen Jahren habe die Nachhaltigkeit der genossenschaftlichen Idee erneut deutlich gemacht. Auch in der Gründung zahlreicher neuer Genossenschaften, zum Beispiel in den Bereichen erneuerbare Energien, Nahversorgung oder Gesundheit zeige sich ihre Aktualität.

Vermutlich dauert es eine ganze Weile, bis ein solcher Antrag geprüft und vielleicht bewilligt wird. Doch wie es beim materiellen Weltkulturerbe auch häufig zu beobachten ist, stellt sich die Frage, was mit einem solchen Titel tatsächlich gewonnen wäre.

Zweifellos könnten Genossenschaften - und damit auch die genossenschaftlich organisierten Kreditinstitute - damit werben. Sehr viel mehr hätten zumindest die Kreditgenossenschaften davon jedoch vermutlich nicht. Ein Schutz vor zunehmendem Regulierungsdruck, der so manchen Ortsbanker die Frage stellen lässt, ob auf dem Wege der Regulierung versucht werden soll, die Struktur des deutschen Kreditgewerbes zulasten regionaler Institute zu verändern, wäre mit dem Siegel aber wohl kaum verbunden.

Die Frage, inwieweit die Genossenschaftsidee bei immer größeren Einheiten, wie man sie aus anderen Ländern kennt, noch tatsächlich gelebt werden kann, ist zwar durchaus berechtigt. Und doch kann jeder Regulator mit Blick auf diese Märkte damit argumentieren, dass neue Vorschriften die Kreditgenossenschaften an sich nicht in ihrem Bestand gefährden. Für die nach dem Regionalprinzip organisierten genossenschaftlichen Primärbanken wäre also auch der Kulturerbe-Titel kein "Artenschutz". Red.

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