Multikanalstrategien

Vertriebskanal Social Media - bisher keine Konkurrenz für die Filiale

Durch die zunehmende Verbreitung des Internets haben sich für Banken zahlreiche neue Möglichkeiten für den Vertrieb von Bankdienstleistungen ergeben. Hier bei gewinnen sowohl technische Innovationen, wie beispielsweise Online- oder Mobile Banking, als auch strategische Neuausrichtungen, zum Beispiel in der Form von Direktbankangeboten oder von Kooperationen mit Near- und Non-Banks, als moderne Vertriebswege für Kreditinstitute immer mehr an Bedeutung.

Werden angesichts dieser Entwicklungen klassische Vertriebskanäle wie die Bankfiliale in den Hintergrund rücken oder weiterhin ihren derzeitigen Stellenwert beibehalten?

Im Allgemeinen stehen den Kreditinstituten unterschiedliche Vertriebskanäle offen. In diesem Zusammenhang ist es im Sinne einer zukunftsgerichteten Absatzstrategie in aller Regel vorteilhaft, unterschiedliche Vertriebswege parallel zu nutzen, um auf diese Weise möglichst viele Zielgruppen ansprechen zu können.

Wachsendes Vertrauen in die Sicherheit des Onlinebanking

Das Onlinebanking umfasst alle Bereiche der rechnergestützten elektronischen Vertriebsverfahren von Kreditinstituten über Onlinedienste sowie alle über das Internet abgewickelten finanziellen Transaktionen, das heißt ein Kunde kann mit seiner Bank in Kontakt treten, ohne eine Bankfiliale betreten zu müssen. Zwar ist bereits seit Anfang der achtziger Jahre die elektronische Abwicklung des Zahlungsverkehrs in Deutschland bekannt, dennoch hat sich das Onlinebanking in Deutschland erst Mitte der neunziger Jahre durchgesetzt. In den Folgejahren wurden spezielle auf das Privat- und Firmenkundengeschäft ausgerichtete Internetangebote entwickelt und das Internet aktiv als Vertriebskanal eingesetzt.

Mittlerweile nutzen 44 Prozent der Deutschen regelmäßig das Onlinebanking. Hierbei fällt auf, dass der Anteil der Nutzer bei den 30- bis 39-Jährigen von 54 Prozent im Jahr 2010 auf 74 Prozent im Jahr 2011 angestiegen ist, was unter anderem auf das wachsende Vertrauen der Deutschen in die Sicherheit des Onlinebanking zurückzuführen ist. Allerdings führt die erhöhte Akzeptanz des Onlinebanking für Filialbanken dazu, dass der direkte Kontakt zwischen Kunden und Bankberatern als ein wichtiges Instrument zur Kundenbindung zunehmend an Bedeutung verliert.

Um viele Zielgruppen zu erreichen, müssen die Kreditinstitute im Internet eine möglichst umfassende Leistungspalette anbieten. Zu den besonderen Stärken des Internetbanking im Vergleich zum Filialgeschäft zählen dabei die kostengünstigere Bereitstellung von Bankdienstleistungen sowie die Unabhängigkeit von den Öffnungszeiten der Bankfilialen, was insbesondere für Berufstätige viele Vorteile mit sich bringt.

Darüber hinaus verfolgen Kreditinstitute mit dem Einsatz des Internets als Ver triebskanal kundenorientierte Ziele, die nicht nur darauf ausgelegt sind, die Kundenbindung zu erhöhen, um so das Geschäftspotenzial des bestehenden Kundenstamms verstärkt auszuschöpfen, sondern auch um sich Zugang zu neuen Marktbeziehungsweise Kundensegmenten zu verschaffen. Allerdings kann die Kundenbindung als Folge einer tendenziell fortschreitenden Reduzierung der persönlichen Interaktion zwischen Kunden und Kreditinstituten auch abnehmen.

Nicht zuletzt bietet das Onlinebanking ein erhebliches Cross-Selling-Potenzial, da der Bankkunde beim Besuch des Internetauftritts eines Kreditinstituts gezielt auf weitere für ihn interessante Produkte aufmerksam gemacht werden kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Internetbanking in den vergangenen Jahren als moderner Vertriebskanal und wichtiges Kommunikationsmedium im standardisierten Bankgeschäft etabliert hat.

Das Mobile Banking stellt eine Weiterentwicklung des Onlinebanking dar und ermöglicht es Bankkunden, völlig unabhängig von Zeit und Ort, zum Beispiel mit Hilfe von Smartphones, ihre Bankgeschäfte zu erledigen. Das Mobile Banking ist vom Grundsatz her zwar nicht neu, verzeichnet derzeit aber wie auch das mobile Internet ein rasantes Wachstum, da inzwischen viele digitale Anwendungen (beispielsweise Banking-Apps) mobil genutzt werden können, was unter anderem durch günstige Datentarife und die zunehmende Verbreitung von Smartphones hervorgerufen wird.

Neuland für Banken

Der Einsatz beziehungsweise die Nutzung von Social Media (beispielsweise soziale Netzwerke, digitale Medien) als Vertriebsweg ist für viele Banken noch Neuland. Allerdings gewinnen die sozialen Medien im Rahmen der bankbetrieblichen Kommunikations- und Distributionspolitik immer mehr an Bedeutung. Eine Einbindung von Social Media in den Marketing-Mix eines Kreditinstituts er scheint deshalb insbesondere aufgrund der fortschreitenden Nutzung digitaler Medien vorteilhaft.

Durch soziale Medien können sich die Teilnehmer auf speziellen Internet-Plattformen miteinander vernetzen und Erfahrungen, Meinungen sowie Informationen austauschen. Die sozialen Netzwerke, allen voran Facebook und Twitter, sind von daher längst keine reinen Unterhaltungsplattformen mehr, sondern sie besitzen mittlerweile eine Markt- und Meinungsmacht, der sich kein Kreditinstitut auf Dauer entziehen kann. Die Nutzung von Social Media birgt daher für Kreditinstitute zwar einige Risiken, bringt aber auch zahlreiche Chancen mit sich.

Der Einsatzbereich von Social Media kann von der Kommunikation mit Kunden, über die Unterstützung von Marketing- und Vertriebsaktivitäten bis hin zur Erschließung neuer Zielgruppen und zur Einbeziehung von Kunden in die Entwicklung neuer Produkte reichen. Möglichkeiten zur Einbindung von sozialen Medien in den Marketing-Mix bestehen für Kreditinstitute beispielsweise:

in der Gründung und aktiven Gestaltung und Pflege von sogenannten Fanseiten in sozialen Netzwerken, auf denen sich die Kunden untereinander, aber auch mit der Bank über aktuelle Entwicklungen, Probleme et cetera austauschen und Anregungen und Vorschläge für Verbesserungen sowie Lob unterbreiten können; in der Nutzung von Internetplattformen wie You-Tube - hier können Kreditinstitute nicht nur Werbe- und Imagefilme platzieren, sondern auch visuelle Gebrauchsanleitungen für einzelne Onlinedienste zur Verfügung stellen;

in der gezielten Platzierung von Werbebotschaften, Gewinnspielen oder Umfragen in sozialen Medien, um potenzielle Kunden anzusprechen und auf das Kreditinstitut aufmerksam zu machen.

Social Media zum Kennenlernen der Kunden nutzen

Soziale Medien ermöglichen es somit den Banken, auf unterschiedlichen Wegen in einen direkten Dialog mit ihren Kunden zu treten. Ein weiterer Vorteil des Einsatzes sozialer Medien besteht darin, dass die Kreditinstitute durch das Feedback der Nutzer neue Erkenntnisse für die eigenen Angebote und Aktivitäten gewinnen können. Somit haben die Kreditinstitute die Chance, mehr über die Bedürfnisse, Ziele und Motivationen ihrer Kunden zu erfahren, wodurch nicht nur die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung, sondern auch die Servicequalität sowie der Bekanntheitsgrad einer Bank gesteigert werden können.

Darüber hinaus können Banken durch Social Media ihre Vertriebschancen erhöhen, da sich eine positive Mundpropaganda und eine hohe Weiterempfehlungsrate in der Regel positiv auf den Absatz auswirken. Trotz der dargestellten Chancen ist der Einsatz von sozialen Medien in Kreditinstituten in vielen Fällen eher noch zurückhaltend. Die meisten Banken beschränken sich hierbei auf die reine Kommunikation mit Kunden. Der direkte Absatz von Produkten spielt dagegen bislang kaum eine Rolle, was häufig mit datenschutzrechtlichen Problemen aufgrund von zum Teil noch mangelhaften Sicherheitsstandards begründet wird.

Kein Ersatz für den persönlichen Kontakt

Damit ein erfolgreicher Gesamtauftritt eines Kreditinstituts am Markt erreicht werden kann, sollten dessen Social-Media-Aktivitäten unbedingt mit seinen restlichen Marketingmaßnahmen abgestimmt wer den. Denn soziale Netzwerke tragen zur Meinungsbildung bei und können daher auch die Reputation einer Bank nicht unwesentlich beeinflussen. Aus diesem Grund ist auch die Bereitstellung und Schulung von kompetentem Personal für den Umgang mit Social Media unerlässlich. Kreditinstitute müssen sich bewusst machen, dass die Nutzung von Social Media oftmals sehr zeit- und kostenintensiv ist, da die Zuverlässigkeit des Informationsangebots und die tägliche Reaktionsfähigkeit in sozialen Netzwerken von großer Bedeutung sind.

Trotz aller Vorteile, die mit Social-Media-Aktivitäten einhergehen können, ist ergänzend festzuhalten, dass diese den persönlichen Kontakt zwischen den Kunden auf der einen Seite und der Bank auf der anderen Seite nicht völlig ersetzen können. Aufgrund der aus den Besonderheiten von Bankdienstleistungen resultierenden hohen Erklärungsbedürftigkeit von (nicht-standardisierten) Bankprodukten ist der persönliche Kundenkontakt in vielen Bereichen der Geschäftstätigkeit von Kreditinstituten weiterhin unabdingbar. Daher können soziale Medien für Banken nur ein weiteres Mittel sein, um mit ihren Kunden in Kontakt zu treten.

Für Kreditinstitute ist es dennoch zunehmend wichtig, sich eingehend mit diesem Thema zu befassen, um im Wettbewerb mit anderen Banken bestehen zu können. Die sozialen Medien stellen für Kreditinstitute durchaus eine attraktive Kommunikations- und Vertriebsmöglichkeit dar, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie dabei ihre Seriosität wahren, verbindlich bleiben und mit interessanten Themen im Social-Media-Umfeld auftreten. Ob Social Media von den Banken in Zukunft als ein bedeutendes Absatzorgan genutzt werden kann, das heißt ob zukünftig tatsächlich Bankdienstleistungen in hohem Maße über soziale Medien abgesetzt werden (können), bleibt indessen noch abzuwarten. Unabhängig davon werden aber soziale Medien in den kommenden Jahren als Kommunikationskanäle der Banken enorm an Bedeutung gewinnen.

Die Filiale bleibt ein wichtiger Vertriebsweg

Der Vertrieb von Bankdienstleistungen ist in den vergangenen Jahren für die Kreditinstitute schwieriger geworden. Zum einen hat sich die Komplexität der Bankprodukte erhöht, zum anderen haben zahlreiche neue Vertriebsmöglichkeiten die Banken vor große Herausforderungen gestellt. Gerade die modernen Vertriebskanäle - vor allem die neueren technischen Vertriebsmöglichkeiten wie das Online- und das Mobile Banking sowie Social Media - sind hierbei von besonderer Relevanz.

Der mobile, aktive und technikaffine Kunde hat klare Erwartungen an die Leistungsbereitschaft seiner Bank; er möchte jederzeit und überall auf deren Dienstleistungen zugreifen können. Mit Hilfe der Aufhebung zeitlicher und örtlicher Restriktionen ergibt sich somit für Kreditinstitute die Möglichkeit, den wachsenden Kundenbedürfnissen im Internet-Zeitalter gerecht zu werden. Die mehr oder weniger homogenen Kundengruppen der Vergangenheit wird es künftig immer seltener geben.

Social Media: eher Kommunikationsals Absatzkanal

Um auch in Zukunft erfolgreich Kunden gewinnen und halten zu können, müssen diese immer individueller und mit innovativen Maßnahmen und Angeboten angesprochen werden. Trotz der zunehmenden Nutzung moderner Vertriebskanäle ist die Bankfiliale aber nach wie vor ein wichtiger Vertriebsweg für den Absatz von Bankprodukten.

Die zukünftige Herausforderung für die Banken besteht darin, sich stets mit aktuellen Entwicklungen im Bereich der Kommunikations- und Distributionsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und sich hierbei an den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Kunden zu orientieren. Während sich das Onlinebanking als moderner Vertriebsweg in der Bankenbranche bereits etabliert hat und auch das Mobile Banking eine zunehmende Akzeptanz und Verbreitung findet, erfolgt der Einsatz von Social Media als Vertriebsweg bislang eher noch zurückhaltend. Es ist zwar denkbar, Bankdienstleistungen auch über soziale Medien abzusetzen, allerdings erscheint es wesentlich effektiver, Social Media in die Kommunikationspolitik eines Kreditinstituts einzubinden, um so für das Kreditinstitut zu werben, neue Kunden zu gewinnen, bestehende Kunden zu binden und zusätzliche Services und Informationen anzubieten.

Univ.-Prof. Dr. Gerd Waschbusch , Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Bankbetriebslehre , Universität des Saarlandes
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