Gesellschaftliches Engagement

Volksbanken und Raiffeisenbanken: Gut für Stadt und Land?

Seit einigen Jahren ist Corporate Social Responsibility (CSR) ein willkommenes Diskussionsthema in den Chefetagen großer Konzerne. Perfekt inszeniert und aufmerksamkeitsstark kommuniziert, lässt man sich Anstand und Moral gerne etwas kosten - in der Hoffnung, dass "das Gutsein" belohnt wird, am liebsten mit neuen Marktanteilen. Diese Annahme ist durchaus berechtigt. Es gibt zwar noch keine eindeutigen Nachweise, dass sich ethisches Verhalten für ein Unternehmen auszahlt. Aber weil die meisten Produkte austauschbar sind und die Konsumenten anspruchsvoller und kritischer werden, gewinnen weiche Faktoren wie Image und Sympathie bei Kaufentscheidungen an Bedeutung.

Nicht wenige haben deshalb ihr Herz für den Artenschutz, die Umwelt, den Sport oder andere gemeinnützige Zwecke entdeckt. So werden ehrbare Ziele formuliert, in CSR-Berichten hübsch bebildert oder mittels aufwändiger Werbekampagnen frei Haus an die Verbraucher geliefert. Unternehmerisches Engagement als Verkaufsargument? Falls es sich nicht auf Sonntagsreden beschränkt, spricht nichts dagegen. Aus eigennützigen Motiven Verantwortung für andere zu übernehmen ist allemal besser, als stur und egoistisch zu handeln.

Bei näherer Betrachtung sind manche Versprechungen allerdings weder verbindlich noch konkret, also auch nicht nachprüfbar. Schwarze Schafe tummeln sich bekanntlich überall. Diese müssen allerdings damit rechnen, dass ihre Glaubwürdigkeit beweisen müssen. Blindes Vertrauen genießen die Mächtigen in der Wirtschaft längst nicht mehr. Laut einer Studie von TNS Emnid vom November 2006 bezweifeln 79 Prozent der befragten Bürger, dass die Manager großer Konzerne anständig handeln. Banken sind Wirtschaftsunternehmen wie andere auch. Es muss also davon ausgegangen werden, dass es auch mit ihrem Ansehen nicht zum Besten steht. Wobei differenziert werden muss: Ich wage die Vermutung, dass die Vorstände in der deutschen Hochfinanz mit mehr Argwohn beäugt werden als in einer Regionalbank - und sei es nur deshalb, weil sie "mächtiger" und in der nationalen Medienlandschaft präsenter sind. Und diese Medienpräsenz nutzen sie nicht immer dafür, ihr Image aufzupolieren.

Kleinere Institute haben keinen Spielraum für die Imagepflege

Nationale Imagepflege ist für Genossenschaftsbanker nicht relevant. Ihr Wirkungsraum ist die Gemeinde, die Stadt, die Region. Dank ihres Geschäftsstellennetzes ist jede Volksbank und Raiffeisenbank auf kurzen Wegen erreichbar. Gut für die Bank, könnte man meinen. Nachbarn sind schließlich loyal. Tauchen Unstimmigkeiten auf, arrangiert man sich. Im Klartext: Alle Finanzgeschäfte werden mit der örtlichen Bank getätigt.

Früher mag es so gewesen sein. Aus Mangel an Alternativen, wegen langjährigen, oft von den Eltern geerbten Beziehungen oder weil ein Bankwechsel sowieso kein Thema war. Früher, bevor es Internet und Direktbanken gab und bevor die Großbanken die Klientel "Otto Normalverbraucher" ins Visier nahmen. Früher, als es im Vergleich zu heute noch einfach war, eine regionale Genossenschaftsbank erfolgreich zu führen.

Mittlerweile hat sich vieles geändert. Wir haben nicht nur einen gnadenlosen Wettbewerb im Bankenmarkt, sondern auch ein enges Korsett an gesetzlichen Auflagen, das besonders kleineren Instituten fast die Luft zum Atmen nimmt. Da bleibt kein Spielraum für eine imagefördernde Kür, die wenig zu tun hat mit den Kernaufgaben und vorhandenen Stärken. Aber genau diese geben den Genossenschaftsbanken den Auftrag und die Möglichkeit dazu, betriebswirtschaftliches Handeln mit unternehmerischer Verantwortung zu verknüpfen. Zweck und Ziel einer Volksbank oder Raiffeisenbank ist die Förderung ihrer Mitglieder und der Region, in der diese Menschen leben und arbeiten. Corporate Citizenship ist "von Haus aus" fest in der Bank verankert, muss also nicht mühsam "gelernt" und eingeführt werden.

Ein Heimvorteil für Genossenschaftsbanken? Prinzipiell schon. Sie müssen nicht umdenken, müssen sich weder eine neue Moral zulegen noch teure Agenturen bezahlen, die ihnen medienwirksame CSR-Projekte konzipieren. Vielmehr können sie sich darauf besinnen, ihren diesbezüglichen Vorsprung konsequent zu nutzen. Das setzt voraus, dass sie aktiv dazu beitragen, als das wahrgenommen zu werden, was sie sind: die Bank für die Region. Gut für Stadt und Land.

Gut ist ein dehnbarer Begriff

Ohne Zweifel ist es gut, wenn die Menschen vor Ort attraktive Finanzprodukte bekommen. Wobei der Aspekt "vor Ort" in diesem Zusammenhang mehr und mehr an Bedeutung verliert. Dank Internet können die Leistungen aller Anbieter in nahezu jedem Haushalt per Mausklick geordert werden. Anders verhält es sich mit individueller Beratung. Weil Pauschalangebote den Anforderungen und Erwartungen oft nicht genügen, spielt das Gespräch unter vier Augen eine wesentliche Rolle. Nur so lassen sich Lösungen finden, die sich nachhaltig bewähren. Gute Lösungen.

Gut für Stadt und Land ist es, wenn die hier ansässigen Unternehmen erfolgreich wirtschaften und Arbeits- und Ausbildungsplätze anbieten können. Hierfür brauchen sie einen starken Finanzpartner, der ihre Belange versteht und sie bei strategischen Entscheidungen unterstützt, unter anderem durch faire Konditionen bei der Kreditvergabe. Trotz gesetzlicher Vorgaben gibt es in diesem Bereich Unterschiede zwischen den Bankengruppen. Als Geldgeber für kleine und mittlere Betriebe sind nach wie vor die regionalen Banken die erste (und aussichtsreichste) Adresse für Inhaber und Geschäftsführer.

Prosperiert die Region, so arbeitet auch die Bank profitabel

Die Volksbank oder Raiffeisenbank ist auch selbst Arbeitgeber und Ausbilder. Und ihre Präsenz - oft verbunden mit mehreren Geschäftsstellen - bewirkt für die heimische Wirtschaft auch anderweitig viel Gutes. Für Genossenschaftsbanken ist es Ehrensache, sämtliche Aufträge an Mitglieder beziehungsweise Kunden zu vergeben und sich auf unterschiedliche Weise aktiv im regionalen Wirtschaftsleben zu engagieren, als Impulsgeber, Initiator und Mitstreiter. Warum? Nicht zuletzt aus eigenem Interesse: Geht es der Region gut, geht es der Bank auch gut. Weil sie genau hier Geschäfte macht und Geld verdient. Geld, das in der Region bleibt, zum Beispiel als Dividende für die Mitglieder.

Das Prinzip der Mitgliedschaft gibt es nur bei Genossenschaftsbanken. Die Mitglieder sind Kunden und gleichzeitig Teilhaber der Bank, es besteht also Interessenidentität. Und: Es herrscht Basisdemokratie - jedes Mitglied hat als Teilhaber ein Stimmrecht, unabhängig von der Anzahl der erworbenen Geschäftsanteile. Diese werden mit einem in der Mitglieder- beziehungsweise Vertreterversammlung beschlossenen Prozentsatz verzinst, der in der Regel weit über dem Durchschnitt sonstiger risikofreier Geldanlagen liegt.

Darüber hinaus werten viele Volksbanken und Raiffeisenbanken die Mitgliedschaft mit exklusiven Zusatzleistungen oder Produkten weiter auf. All dies sind Vorteile, die den Kunden zugute kommen. Man muss wissen: Genossenschaften sind die mit Abstand mitgliederstärkste Wirtschaftsgruppe in Deutschland. Dementsprechend hoch ist auch die Anzahl der Mitglieder in der regionalen Bevölkerung.

Jede Volksbank und Raiffeisenbank hat es in der Hand, sich als das zu präsentieren, was sie ihrer Herkunft nach ist: ein innovatives, tatkräftiges und leistungsstarkes Unternehmen, das die beiden Pole Eigennutz und Solidarität perfekt in Einklang bringt. Die genossenschaftlichen Werte Hilfe zur Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung sind aktueller denn je - so modern, dass sich manche Nicht-Genossenschaftler gerne damit "schmücken". Ein Grund mehr, sie laut und mit voller Authentizität zu kommunizieren und dafür zu sorgen, dass ihr "Wert" für Stadt und Land für jeden spürbar wird. Dies ist einfacher gesagt als getan.

Banken werden mit verschiedenem Maß gemessen

"Die Leute kennen von allem den Preis, aber nicht den Wert." Das hat Oscar Wilde erkannt, der mit unliebsamen Wahrheiten nie hinter den Berg gehalten hat. Seine Beobachtung trifft heute besonders im Bankgeschäft unvermindert zu. Hier wird um die letzte Nachkommastelle gefeilscht, als ginge es ums komplette Hab und Gut. Dabei ist den Schnäppchenjägern oft nicht bewusst, dass die Differenz unter dem Strich meist bei weitem nicht so groß ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.

Fast schon unlauter ist die Vorgehensweise, sich bei der Hausbank ausführlich beraten zu lassen ("Auf was sollte ich bei einer Baufinanzierung besonders achten?"

- "Wie groß ist meine Versorgungslücke im Ruhestand?") und bei einer anderen den Vertrag zu unterschreiben. Jede individuelle Beratung ist eine geldwerte Leistung. Rechtsanwälte und Steuerberater lassen sich ihr Fachwissen und ihre Arbeitszeit teuer bezahlen, ohne dass irgendwer daran Anstoß nehmen würde. Ob Ähnliches irgendwann auch bei Finanzdienstleistern üblich sein wird, soll hier nicht diskutiert werden. Dass Banken mit verschiedenen Wertmaßstäben gemessen werden, zeigt sich mitunter auch an skurril anmutenden Dingen. So gibt es Kunden, die alle Vorzüge einer regionalen Genossenschaftsbank in Anspruch nehmen, aber Konditionen fordern, mit der sich selbst eine Direktbank schwer tun würde. Nach dem Motto "ich will alles" stößt es auf größtes Unverständnis, wenn eine Kleinstfiliale schließt. Eigentlich müsste jedem klar sein, dass die Unterhaltung der Geschäftsstellen teuer ist und Internetbanken auch deshalb mit einem spitzeren Bleistift kalkulieren können.

Subtile Hartnäckigkeit und frischer Optimismus sind gefordert

Es müsste jedem klar sein, ist es aber nicht. Wie sonst lässt sich erklären, dass der Vereinsvorsitzende seine Bank mit Nachdruck um eine Spende für das Sommerfest bittet, bei der Gelegenheit einen Beratungstermin bei sich zu Hause vereinbart, die Konditionen für den Kredit neu verhandeln will, um einen Ausbildungsplatz für seine Tochter nachfragt, und - damit das nicht vergessen wird - dem Mitarbeiter am Schalter sagt, er möge das Guthaben auf seinem Girokonto doch bitte zur Direktbank überweisen. Ab sofort an jedem Monatsersten. Zugegeben: dieses Beispiel ist übertrieben. Aus der Luft gegriffen ist es aber nicht.

Echte Genossenschaftsbanker sehen es als spannende Herausforderung, überzogenes Anspruchsdenken argumentativ umzukehren. Dass hierzu neben einer klugen Strategie und wettbewerbsfähigen Produkten viel Arbeit, subtile Hartnäckigkeit, frischer Optimismus und ein motiviertes Team erforderlich sind, versteht sich von selbst. Auch wichtig: Unternehmensethik und betriebswirtschaftliches Handeln dürfen sich nicht im Wege stehen.

Gleiches gilt für Vertrauen und geschäftliche Konsequenz. Beides ist notwendig, um eine Volks- oder Raiffeisenbank auf einem klaren Kurs zu halten, dem die Unwägbarkeiten des Wettbewerbs nichts anhaben können. Letztlich schaffen vertrauensvolle, partnerschaftliche Beziehungen die Grundlage für eine positive Geschäftsentwicklung. In diesem Sinne sind Kreditgenossenschaften "gute Banken". Selbstlos sind sie nicht. Dürfen sie auch nicht sein, weil sie ihren Teilhabern verpflichtet sind. Die Vorstände müssen den Mitgliedern Rechenschaft ablegen und weitreichende Vorhaben durch demokratische Abstimmung genehmigen lassen.

Die Verantwortung darf auch nicht hinter der Kundenorientierung zurückstehen. So ist es in manchen Fällen richtig, einen Kredit nicht zu gewähren. Schließlich tragen die Entscheider die Verantwortung für die Gesamtbank. Ihr unüberschaubare Risiken aufzubürden, wäre grob fahrlässig. Zudem zeugt es nicht von Kundenorientierung, einen potenziellen Kreditnehmer wissentlich in die Schuldenfalle zu treiben.

Marktanteile behalten und neue gewinnen - sind die genossenschaftliche Herkunft und die Besonderheiten einer Regionalbank dabei eine Bürde oder ein Segen? Je nachdem, welche Prioritäten sie setzt. Werden Eigenschaften wie Mitgliederförderung, Engagement für die Region und persönliche Kundennähe perfektioniert und gelingt es, durch intelligente Maßnahmen Kosten zu senken und Erträge zu steigern, hat die Bank vor Ort die besten Voraussetzungen. Ist sie auch gut für Stadt und Land? Eindeutig ja. Weil Moral, unternehmerische Verantwortung und Gewinnorientierung nicht aneinander geraten, sondern Hand-in-Hand gehen.

Peter Hanker , Sprecher des Vorstands, Volksbank Mittelhessen eG, Gießen
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