Perspektiven im Retailbanking

Web-Erfolg: Die Internetstrategie der Genossenschaftsbanken

Multikanal ist in aller Munde. Der wirtschaftliche Erfolg in der Zukunft wird im Wesentlichen davon abhängen, wie gut es gelingt, dem Kunden viele bequeme Wege zu seiner Bank zu öffnen. Das Internet ist dabei der Kanal mit dem größten Wachstumspotenzial. Die Weiterentwicklung der Internetstrategie wird in der genossenschaftlichen Finanzgruppe mit großem Fokus vorangetrieben. Für alle Kunden mit hoher Affinität zum Internet sollen leistungsfähige Angebote online bereitstehen - nicht allein im Sinne von Produktinformationen, sondern auch mit dem Ziel des Vertragsabschlusses über diesen Vertriebskanal.

Was Allfinanz schon lange in der Filiale bedeutet, muss perspektivisch auch auf den Webseiten der Genossenschaftsbanken abschlussfähig angeboten werden. Damit soll dem geänderten Kundenverhalten Rechnung getragen und die Zukunftsfähigkeit der Finanzgruppe gestärkt werden. Voraussetzung hierfür ist ein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel der verschiedenen Kommunikations- und Vertriebskanäle Online, Filiale und Telefon.

Zentrale Direktbank ist keine geeignete Antwort

Die Kernfrage in dem Projekt Web-Erfolg war: Was leisten Volks- und Raiffeisenbanken im Internet? Noch wird dieser Kommunikations- und Vertriebsweg in unserer Finanzgruppe zu wenig und zu heterogen genutzt. Keine geeignete Antwort ist dabei die Entwicklung einer zentralen Direktbank. Im Gegenteil: Die genossenschaftliche Finanzgruppe kann mit ihrem Projekt zeigen, dass mit einem dezentralen Geschäftsmodell und dem breiten Allfinanzangebot in der Filiale und im Internet ein kanalübergreifendes Angebot für die Kunden entsteht, das keine Direktbank bieten kann.

Die eigentlich herausfordernde Aufgabe ist es, die gewollte Autonomie der einzelnen Genossenschaftsbank im Netz mit Marktstandards zu verbinden, die zu einer möglichst homogenen Qualitätswahrnehmung der Gruppe und ihrer einzelnen Mitglieder führen. Im Projekt hat daher die Unterstützung der bankindividuellen Positionierung (Multikanal-Strategieprozess, individualisierbares Content-Angebot, bankeigene Produktangebote, lokales Online-Marketing) den gleichen Stellenwert wie die Bereitstellung zentraler Lösungen (Finanzportal vr.de, Online-Abschlussmöglichkeiten für Verbundprodukte oder zentrales Online-Marketing). Adressaten eines ausgebauten Multikanalangebots sind damit sowohl Bestandskunden, die von einem verbesserten Service profitieren, als auch Neukunden, die durch interessante Inhalte und leistungsfähige Produkte mit starken Marken auf attraktive Angebote der Volks- und Raiffeisenbanken und ihrer Verbundunternehmen aufmerksam werden.

Marktforschung zeigt: Situative Nutzung der Kanäle

Das Projekt Web-Erfolg befasst sich mit der Strategie der gesamten genossenschaftlichen Finanzgruppe und erstreckt sich damit über die verschiedenen Internetauftritte der Gruppe. Ausgangspunkt war die Einnahme einer strikten Kundenperspektive. Um die Hypothese, dass Kunden die einzelnen Vertriebskanäle situativ nutzen, mit speziellem Blick auf die Kundenprofile der Volks- und Raiffeisenbanken zu verifizieren, war es notwendig, sich gründlich mit den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen auseinanderzusetzen. Eine für den Bankenmarkt in Deutschland einzigartige Marktforschung mit der Kernfrage: "Was will der Bankkunde wirklich?" bildet die Grundlage der strategischen Konzeption.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die dezentrale Struktur der Genossenschaftsbanken und die regionale Verteilung ihrer Kunden keine wesentlichen Unterschiede in der Internet-Affinität im Vergleich zum sonstigen Bankenmarkt bewirken. So ist das Internet auch in der genossenschaftlichen Kundschaft schon lange kein Jugendphänomen mehr, sondern für alle Generationen attraktiv. Ebenso gering sind die Unterschiede in der Akzeptanz zwischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen. Und bereits 60 Prozent der Interessenten nutzen das Internet, um sich mit Finanzthemen zu beschäftigen. Die Bedeutung des Online-Kanals spiegeln auch interne Daten wider: So erfolgen derzeit zum Beispiel 63 Prozent aller Überweisungen bei den Volks- und Raiffeisenbanken online.

Beratung könnte oft auch online erfolgen

Dies bedeutet aber keinesfalls eine Abkehr von der Filiale. Laut der Marktbefragung wollen die Kunden beides: den persönlichen Kontakt vor Ort und den 24/7-Service im Netz. Auf allen Kanälen bildet das persönliche Gespräch mit dem Berater unverändert den Schlüssel für den Erfolg. Für mehr als 70 Prozent der Befragten ist der Betreuer extrem wichtig. Vertiefende Interviews zeigen zugleich, dass die Beratung oft auch online erfolgen könnte. Da der Kunde nicht mehr zwischen Online- und Offline-Banking unterscheidet, müssen die Finanzinstitute die neuen technischen Möglichkeiten zügig in ihr Angebot integrieren und einen einheitlichen Kanalmix schaffen, den Omni-Channel.

Dem Kunden sollte dabei stets die Möglichkeit geboten werden, Online-Prozesse zu unterbrechen und in der Filiale eine ergänzende persönliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Aus der Marktforschung ist ersichtlich, dass selbst Kunden, die Online-Abschlüsse bevorzugen, hierin einen Mehrwert sehen. Das Internet ist somit keine Bedrohung für Filialbanken, sondern eine Chance, aus integrierter persönlicher Beratung einen Mehrwert zu schaffen. Konsequenterweise besteht eine Zielsetzung des Projekts darin, Interessenten beziehungsweise Online-Produktnachfrager einer betreuenden Volksbank oder Raiffeisenbank zuzuführen.

Vier zentrale Anforderungen an eine digitale Bank

Aus der Marktbefragung haben sich vier zentrale Anforderungen an eine "digitale" Bank herauskristallisiert:

- Transparenz,

- Offenheit gegenüber Veränderungen,

- schnelle Umsetzung,

- uneingeschränkte Kundenorientierung.

Im weiteren Projektverlauf wurden auf der Marktforschung aufbauend die strategischen Handlungsfelder abgeleitet und ein Handlungsprogramm für das weitere Vorgehen entwickelt. Nach einer Willensbildungsphase startete die Konzeptionsphase mit Vertretern des BVR, der Primärbanken, der Regionalverbände, der Verbundunternehmen, der Zentralbanken, der Rechenzentralen und der VR-Net-World. Nur so konnte sichergestellt werden, dass das gesamte genossenschaftliche Know-how genutzt wird, um alle Aktivitäten bestmöglich auf die Kundenbedarfe auszurichten.

Seit November 2012 befindet sich das Projekt in der Detaillierungs- und Umsetzungsphase. Erste Projektergebnisse werden seit Januar 2013 umgesetzt. Dazu gehören unter anderem:

- Ein Konzept zur Suchmaschinenoptimierung und zum Suchmaschinenmarketing, das Synergien aus zentralem und dezentralem Online-Marketing schafft;

- neue Online-Gestaltungsrichtlinien, die ein weiterentwickeltes Design mit einer verbesserten Bedienbarkeit verbinden. Die moderne, nutzer- und vertriebsorientierte Vorlage ist ein großer Schritt zur Optimierung der individuellen Bankauftritte.

Einheitliche Bildwelt

Bilder sprechen jeden Nutzer emotional an. Durch großflächigere Formate macht sich der neue Auftritt genau diesen Effekt zu Nutze. Eine einheitliche Bildwelt im Online- sowie im Offline-Bereich schafft bei den Nutzern einen Wiedererkennungswert. Auch die Verbundunternehmen der genossenschaftlichen Finanzgruppe steuern für ihre Produkte Inhalte bei. Dabei wird stets darauf geachtet, dass sich ein harmonischer Gesamteindruck ergibt.

Vertriebsorientierung im Internet

Fest steht: Es wird in der genossenschaftlichen Finanzgruppe keine zentrale Direktbank geben. Umso wichtiger ist es, dass jede einzelne Volks- und Raiffeisenbank über einen vertriebsorientierten Internetauftritt verfügt. Dafür wurden die Produktseiten so aufgebaut, dass der Kunde sich informieren, aber auch zielgerichtet und ohne Ablenkung zum Produktabschluss kommen kann. In Zukunft werden daher Produktseiten mit unterschiedlicher Detailtiefe zu sehen sein: Zum einen soll den Kunden mit vorerst geringem Informationsbedarf ein schneller, verständlicher Überblick geboten werden, zum andern sollen aber auch Kunden mit dem Wunsch nach weitreichenden Informationen entsprechend bedient werden. Dazu gehören

- die Online-Abschlussfähigkeit von Produkten der Verbundunternehmen der genossenschaftlichen Finanzgruppe auf deren Seiten sowie innerhalb der Online-Auftritte der Genossenschaftsbanken;

- Unterstützungsleistungen, mit denen in allen Volks- und Raiffeisenbanken die neue Internetstrategie ressourcenschonend umgesetzt werden kann. Diese Unterstützungen erstrecken sich von Vorkonfektionierungen bis hin zu umfangreichen Angeboten in Form von Beratungsleistungen und Seminaren;

- der Relaunch des zentralen Finanzportals vr.de in Anpassung an die aktuellen Kundenanforderungen. Dafür bekam die Seite Anfang Oktober 2013 ein neues Gesicht und mehr Inhalte. Zuwächse bei den Aufrufen gelingen durch eine ausgebaute Informationstiefe und Ansprache von Interessenten über direkte Bezüge zu konkreten Lebensanlässen. Dazu gehören zum Beispiel Heirat, Umzug oder die Anschaffung einer Immobilie. Zum besseren Verständnis werden Filmsequenzen eingebunden, die komplexe Finanzthemen in 120 Sekunden erklären. Neben vr.de sind diese Filme auf den Seiten der Volks- und Raiffeisenbanken sowie dem eigenen Youtube-Channel zu sehen. Kern des Relaunchs ist auch eine optimierte Ansprechpartnersuche, die direkte Verlinkungen zu lokalen Angeboten ermöglicht.

- Ein Informationskonzept, das umfangreiche Beratungs- und Produktangebote mit innovativen Darstellungsformen verbindet. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Überleitung eines Onlinebesuchers in eine persönliche Beratung bei der Bank. Dafür ist ein reibungsfreier Wechsel zwischen Online- und Offline-Welt ein Kernbestandteil.

- Die Erweiterung des Online-Finanzstatus im legitimierten Bereich der Primärbank. Konkret ist vorgesehen, dass der Kunde die relevanten Produkte der Verbundunternehmen der genossenschaftlichen Finanzgruppe jederzeit im Überblick hat und hierzu Online-Services nutzen kann.

Kundenfokus 2015

Das Projekt ist bis Ende des Jahres 2014 angesetzt. Die komplette Umsetzung der ersten Projektergebnisse erfolgt derzeit in 24 Pilotbanken bundesweit. Die Resonanz ist durchweg positiv. Alle Beteiligten arbeiten, unterstützt durch Regionalverbände und Projektpartner, mit Hochdruck am Projekterfolg. Aus dem Einführungsmanagement sollen Erkenntnisse abgeleitet werden, die im nächsten Schritt für die Umsetzung in mehr als 1000 weiteren Volks- und Raiffeisenbanken hilfreich sind. Ausschlaggebend für den Erfolg des Projektes ist die Erarbeitung der strategischen Eckpfeiler in jeder Bank vor Ort. Die Erfahrungen haben bereits gezeigt, dass dabei alle Funktionsbereiche der Bank eingebunden werden sollten.

Unter der Überschrift Kundenfokus 2015 werden in der genossenschaftlichen Finanzgruppe zwei wegweisende Projekte zusammengefasst. Das zuvor beschriebene Projekt Web-Erfolg steht dabei in enger Verbindung mit dem Projekt Beratungsqualität, das die Umsetzung eines optimierten Beratungsprozesses als Basis für einen gemeinsamen Qualitätsstandard zum Ziel hat. Hierbei geht es um die Integration der beratungsrelevanten, regulatorischen Anforderungen in einen IT-geführten Prozess, der alle Vorgaben des Anleger- und Verbraucherschutzes vollständig abdeckt und die Mitarbeiter in ihrer bedarfsbezogenen Kundenberatung unterstützt. Das Projekt befindet sich bereits in Teilen im Rollout, der sich weiter über das Jahr 2014 erstreckt.

Das genossenschaftliche Geschäftsmodell ist zeitgemäßer denn je. Die Volks- und Raiffeisenbanken stehen für die gelebte Partnerschaft mit ihren Kunden und Mitgliedern und für ein faires und nachhaltiges Bankgeschäft - über alle Kanäle.

Dr. Andreas Martin , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
Marija Kolak , Präsidentin , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR)
Noch keine Bewertungen vorhanden


X