Marktstrategie

Wem nütztdie Filiale?

Sparkassen und Kreditgenossenschaften haben mit Abstand die meisten Bankstellen in Deutschland und konnten so bis weit in die achtziger Jahre hinein ihre Marktstellung ausbauen. Seit etwa 15 Jahren gehen jedoch für die Verbünde kontinuierlich Marktanteile verloren - die Mitbewerber wachsen also schneller (siehe Tabelle 1). Auch wenn sich der negative Trend für die dezentralen Gruppen verlangsamt, ist die Positionierung als "Kreditinstitut vor Ort" allein nicht mehr schlagkräftig genug.

Neue Marktteilnehmer zerstören das Preisgefüge

Neue Marktteilnehmer - Segmentanbieter, Rosinenpicker, Spezialisten, reine Vertriebsorganisationen und andere - brechen mit weit überdurchschnittlichem Wachstum in wichtige Geschäftsfelder (zum Beispiel Direktbrokerage, Einlagengeschäft, Leasing, Kfz-Finanzierungen und Ratenkredite) ein und können zum Teil überragende Erfolge verbuchen, zumindest aber das Preisgefüge zerstören.

MLP gewinnt beispielsweise in den wichtigsten wirtschaftsrelevanten Studiengängen wie Medizin, Rechts-, Wirtschafts- und bei den Ingenieurwissenschaften mittlerweile jeden dritten Hochschulabsolventen als Kunden, die Hälfte der Kfz-Anschaffungskredite macht die Autobranche selber, Vertriebsorganisationen wachsen jährlich zweistellig und genießen unter ihren Kunden ein gutes Image, geprägt von Unabhängigkeit und Kompetenz.

Die Direktbank ING-Diba gewinnt jährlich hunderttausende Neukunden und zählt mit über sechs Millionen Kunden schon zu den Top drei der Privatkundenbanken in Deutschland. Ihr Erfolgsrezept: Einfache Produkte, fair bepreist und der Verzicht auf Filialen und auf komplexe Strukturen. Im klassischen Privatkundengeschäft gewinnen Citibank, Postbank und die Sparda-Banken überproportional Neukunden.

These: Die Geschäftsstelle ist das Herzstück des Bankenvertriebs. Die Positionierung über ein "sehr weit gefächertes Geschäftsstellennetz" ist überholt und bedarf einer Neuausrichtung.

Aufgrund von Fusionen hat sich die Anzahl der Banken und Sparkassen seit Ende 1990 von 4 700 auf heute etwa 2 300 halbiert. Die Anzahl der Bankstellen hat - unter Zurechnung der Postbankstellen - mit 77 500 Anfang der neunziger Jahre ihren Höhepunkt erreicht. Ende 2007 lassen sich gerade noch 42 107 zählen. Ergo: Etwa 35 000 Geschäftsstellen, also fast die Hälfte aller Bankstellen wurden seit 1990 geschlossen (vergleiche Tabelle 2).

Dabei hatten Sparkassen und Banken über Jahrzehnte hinweg bis in die neunziger Jahre hinein eine expansive Zweigstellenpolitik verfolgt. Begründung: Das Privatkundengeschäft galt lange Zeit als lukrativ, die Filiale als Schlüssel zum Kunden. Im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts gab es zudem zwei Sondereffekte, die zu beachtlichen Zunahmen der Bankstatistik führten: Der Aufbau einer Bankenstruktur in den neuen Bundesländern Anfang der neunziger Jahre und die Privatisierung der Postbank. Seit Mitte der neunziger Jahre werden Bankstellen in großem Umfang abgebaut. Beispielsweise hat jede Banksäule seit dem Jahr 2000 etwa 20 Prozent ihrer Bankstellen abgebaut (vergleiche Tabelle 3).

Großbanken: keine weiteren Straffungen

Relativ offensiv agierten in den Jahren 2001 und 2002 die Großbanken. Im Rahmen einer Kostenstrategie haben sie auf vergleichsweise niedrigem Niveau ihr Filialnetz deutlich gestrafft. Seither sind die Großbanken in vielen Landkreisen nicht mehr vertreten. Entfernungen von 50 Kilometern zwischen den Filialen sind dort keine Seltenheit.

Da im Ergebnis die persönlichen Betreuungswege für die Großbanken eher zu lang sind, stehen weitere Straffungen des Filialnetzes bei den Großbanken heute nicht mehr an. Einzelne Institute sind wieder dabei, neue Filialen zu eröffnen. So hat die Commerzbank angekündigt, mittelfristig 500 neue Filialen zu eröffnen. Offensichtlich erkennen die Bankmanager, dass menschenbasierte Geschäftsstellen zentrale Orte des Verkaufs von Bankleistungen darstellen!

Postbank: 80 Prozent des Neugeschäfts in 20 Prozent der Filialen

Konsequent wurde in den letzten 15 Jahren die Postbank umstrukturiert. Sie wurde privatisiert, auf strategische Geschäftsfelder fokussiert und an der Börse erfolgreich platziert. In der Zahlungsverkehrsabwicklung und in der Aktiv-Passiv-Steuerung setzt sie Akzente. Große Erfolge verbucht die Postbank vor allem im Retailgeschäft. Vor 15 Jahren wurden Postbankprodukte - mehr schlecht als recht - noch in etwa 30 000 Poststellen angeboten. Produkte und Standorte wurden seither radikal gestrafft. Heute gibt es nur noch etwa 6 000 Postfilialen. Davon übernahm die Postbank 15 Prozent - etwa 850 Poststellen - von der Deutschen Post in die eigene "Bank"-Verantwortung und forciert über diese "strategischen" Filialen den stationären Vertrieb. In diesen regionalen Kopfstellen macht sie mehr als 80 Prozent des filialgestützten Neugeschäfts. Das Pareto-Prinzip "weniger als 20 Prozent der Geschäftsstellen bringen mehr als 80 Prozent des Geschäfts", bestätigt sich wieder einmal eindrucksvoll! Neben den Postfilialen wird der persönliche Vertrieb durch 800 BHW-Berater und über 4 000 mobile Berater forciert. Sie sind Bestandteil eines ausgeklügelten Multi-Channel-Konzepts, bei dem Homebanking, das Postbank-Call-Center, Data-base-Systeme und Direktmarketingmaßnahmen weitere Eckpfeiler darstellen. Es verwundert nicht, dass die Hauptbankverbindungen der Postbank konstant ansteigen. Besonders erwähnenswert ist, dass die Postbank eine relativ "gebildete" und "einkommensstarke" Kundschaft besitzt. Der Anteil des Retailgeschäfts am Bankertrag ist mit etwa 70 Prozent ausgesprochen hoch.

Dezentrale Verbünde: Jede zweite Geschäftsstelle ist überflüssig

Seit etwa zehn Jahren bauen auch Sparkassen und die Volks- und Raiffeisenbanken Geschäftsstellen ab, neuerdings mit stark reduzierter "Abbaugeschwindigkeit". Während in den Jahren 1998 bis 2004 pro Jahr durchschnittlich je Verbund etwa 500 bis 1 000 Standortschließungen erfolgten, sind es seit 2004 nur noch jeweils 200. Eine einheitliche Strategie ist hierbei nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Die Standortentscheidung ist ureigene Angelegenheit des Kreditinstituts vor Ort und erfolgt in unterschiedlichem Tempo und Ausprägung.

Auffallend ist, dass eine große Anzahl - etwa die Hälfte aller Bankstellen der Sparkassen und Kreditgenossenschaften - einfache Zahlstellen sind, die mit wenigen Mitarbeitern betrieben werden (Ein- bis Zweimannzweigstellen). Diese Kleinstgeschäftsstellen sind für die Organisation imageschädigend und für einen effektiven Bankenvertrieb auf Dauer nicht haltbar.

These: Der Trend des Filialabbaus wird in den nächsten Jahren - gerade bei vielen Sparkassen und Kreditgenossenschaften - anhalten! Jede zweite Bankstelle (Klein- und Kleinstgeschäftstellen) ist dort mangels Größe überflüssig.

In den einzelnen Bundesländern ist die Bankstellendichte unterschiedlich. Flächenstaaten wie Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen haben eine etwa doppelt so hohe Bankstellendichte wie andere Bundesländer, insbesondere wie die Stadtstaaten und Nordrhein-Westfalen. Anmerkenswert ist auch, dass in den "neuen" Bundesländern auf eine Bankstelle rund 2 600 Einwohner kommen, in den "alten" Bundesländern hingegen nur 1 700. Auch gibt es im Süden Deutschlands signifikant mehr Bankstellen als im Norden und Osten. Dort ist das Abbaupotenzial dementsprechend größer als im Rest der Bundesrepublik!

Filialabbau in den Verbünden ist kein Rückzug aus der Fläche

Aber: Genossenschaftsbanken sind in Ballungsgebieten eher schwach aufgestellt. Dort wird es in der Summe keinen Filialabbau geben. Im Gegenteil: Beratungszentren werden dort auf- und ausgebaut. Mit dem Abbau kleiner Filialen ist im Kern auch kein gravierender Rückzug aus der Fläche verbunden. Sparkassen und Kreditgenossenschaften bleiben auch nach deutlicher Straffung ihres Geschäftsstellennetzes in allen Landkreisen mehrfach vertreten - in allen Klein-, Unter-, Mittel- und Oberzentren! Künftig wird jedoch nicht mehr alle drei oder fünf Kilometer eine Geschäftsstelle vorgehalten werden können. Konkret bedeutet dies, dass eine Kreissparkasse mit heute 50 Geschäftsstellen bald den Landkreis nur noch an 20 bis 30 Standorten abdeckt - verbunden mit alternativen Vertriebsformen, insbesondere Außendienst, Kompetenzzentren und Direktbanking.

Verbünde sollten Kompetenzen bündeln

"Keine Bank ist näher", so lautet heute der Slogan der Berliner Sparkasse und vieler Volks- und Raiffeisenbanken. Im Fokus dieses Slogans stehen die persönliche Nähe und die besondere Verantwortung in der Region.

Eine Filialschließung, also der Abbau von örtlicher Nähe, kann relativ folgenlos für eine Sparkasse oder Genossenschaftsbank sein, wenn die besondere Verantwortung für die Region und die persönliche Nähe als Erfolgsfaktor beibehalten wird. Bei der Dichte des Zweigstellennetzes der dezentralen Gruppen ein nicht allzu schweres Unterfangen!

Es wäre sogar positiv zu bewerten, wenn sich aus der Bündelung der Standorte wichtige neue Kompetenzfelder erschließen. Denn: Für Individuallösungen ist Kompetenz gefragt. Regionale Kompetenzzentren bieten sich hierbei als Lösungsmodell geradezu an. In den Kleinstgeschäftsstellen ist die Kompetenz - zum Beispiel für Vorsorgeprodukte, für Baufinanzierungen, für die Betreuung kleiner Gewerbetreibende und für Vermögensberatungen - weder darstellbar noch wird sie dort vom Kunden erwartet.

Viele Untersuchungen belegen, dass für die allermeisten Bankkunden ein hoher Servicegrad "wichtig oder sehr wichtig" ist. Auch bestätigen die Untersuchungen, dass durch gelebte Servicequalität die Kundenbindung steigt und Kunden in der Mehrzahl bereit sind, für erstklassigen Service auch zu bezahlen. Leider hat die deutsche Kreditwirtschaft auf diese Erkenntnis bis heute nicht reagiert.

Kein einziges Kreditinstitut belegt das wichtige Kompetenzfeld "Service" flächendeckend in Deutschland als nachhaltigen Erfolgsfaktor! Im Gegenteil: Aus Kundensicht sinkt der Servicegrad im Kreditgewerbe seit Jahren. So ist nur noch jeder zweite Kunde mit seiner Bank "zufrieden", fast jeder Dritte ist "unzufrieden". Ein alarmierendes Zeichen für die gesamte Branche!

These: Kompetenz und Service könnten für Sparkassen und Genossenschaftsbanken wichtiger sein als das Vorhalten und das Management sehr vieler kleiner Geschäftsstellen.

Die Technologie hat auf die Nutzung von Bankstellen direkten Einfluss. So war die ausgesprochen hohe Bargeldquote nämlich ursächlich für die Zweigstellenexpansion in der Nachkriegszeit. Der wöchentliche Gang zur Sparkasse oder zur Bank war früher für jedermann Pflicht, wollte man "zahlungsfähig" bleiben. Weitere Besonderheit der Vergangenheit: Neben Bargeld war der Scheck übliches Zahlungsmittel. Auch dies beflügelte den Gang zum Kreditinstitut.

Bankstelle für den Zahlungsverkehr irrelevant

Seit gut zehn Jahren hat sich ein Trendwechsel vollzogen. Die Bargeldquote nimmt kontinuierlich ab. Der Scheck hat heute im Zahlungsverkehr praktisch keine Bedeutung mehr. Kartensysteme boomen, dominant sind automatisierte Zahlungsverkehrsinstrumente wie Lastschriften und Daueraufträge. Aktuell verfügen etwa zwei Drittel der Bevölkerung über einen Zugang zum Internet. Die Akzeptanz dieses Mediums wird aus demografischen und anderen Gründen noch einmal steigen!

Ergo: In der Vergangenheit wurde vorwiegend die Bankstelle für Transaktionen im Zahlungsverkehr genutzt. Doch wenn das bargeldlose Volumen stetig zunimmt, durch den Euro das Sortengeschäft praktisch bedeutungslos wurde und das E-Banking immer mehr für jedermann zum Standard wird, verliert die klassische Bankstelle ihre Bedeutung. Im Ergebnis ist die Elektronik auf dem Weg zum Kunden. Während früher die Kunden in eng festgelegten Öffnungszeiten die Bankstelle aufsuchen mussten, stehen immer mehr Bankleistungen mittels Computer und Internet, Karten, Telefon und andere Medien zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung.

Die Postbank hat in einer Untersuchung im Jahr 2001 einen deutlichen Rückgang der Filialbesuche festgestellt. Nach dieser Untersuchung besuchte die Mehrzahl der Kunden ihre Bank nur noch monatlich, für zehn Prozent der Kunden genügte sogar nur noch ein Besuch im Quartal oder seltener. In die gleiche Richtung geht eine Studie aus dem Jahr 2006 von Mummert Consulting: Nach deren Befund kommt nur noch ein Drittel der Kunden pro Monat (! ) in die Bank. Ein Bankvorstand wird wie folgt zitiert: "Es ist alarmierend, dass wir fast keinen Kontakt mehr zum Kunden haben."

These: Für einen Bankkunden besteht heute keine Notwendigkeit mehr, eine Bankstelle regelmäßig aufzusuchen.

Durch die Weiterentwicklung des Online-Bankings wird die Palette onlinefähiger Finanzdienstleister immer größer, bei immer einfacherer Handhabbarkeit. Bereits heute können Automaten und Computer nicht nur Transaktionen vornehmen, sondern wichtige Informationen vorhalten, Beratungsleistungen initiieren und diese auch selbstständig durchführen. Ob die Technik die Filiale vollständig ersetzt, kann zumindest marketingpolitisch angezweifelt werden. Experten sind sich einig: Die Bankfiliale wird auch künftig das Herzstück des Bankvertriebs darstellen.

Kunde sucht sowohl Filiale als auch Direktbanking

Für die Masse der Zielgruppen geht es bei der Wahl der besten Bank nicht um ein "entweder Filialbanking oder Direktbanking", sondern um das Konzept eines "so-wohl-als-auch-Bankings". Obige Anforderungen sind nur mit einem Konzept des Multi-Channel-Bankings zu erfüllen.

Studien sehen darin für die nächsten Jahre das größte Marktpotenzial. Der Anteil der reinen Direktbankkunden, die überhaupt keine Bankfiliale brauchen, soll langfristig nicht über 30 Prozent hinauswachsen. Der Anteil der reinen Filialkunden, das sind solche die ihre Bankgeschäfte ausschließlich in Bankstellen abwickeln, nimmt von derzeit 40 bis 50 Prozent auf langfristig weniger als zehn Prozent ab.

Präferiert wird in Zukunft ein System, in dem die Transaktionen weitgehend automatisiert verlaufen und ausgewählte Bank- oder Marketingleistungen persönlich in der Nähe erledigt werden können. Diesem Management von "bricks and clicks" gehört im Bankbetrieb die nahe Zukunft. Die Kundennähe könnte zudem durch neue Technologien, eine wachsenden Datenbasis und deren intelligente Verknüpfungsmöglichkeit initiiert und verstärkt werden.

These: Marktführerschaft kann im Retailbanking künftig nur der erreichen, der Transaktionen weitgehend automatisiert und der für ausgewählte Leistungen und Anfragen persönlich in zumutbarer Nähe zur Verfügung steht.

Jede Bank - insbesondere Sparkassen und Kreditgenossenschaften - tut gut daran, an ihrem spezifischen strategischen Vertriebsplan zu arbeiten. Hierbei ist die zentrale Rolle des stationären Vertriebs und dessen Ausgestaltung im Detail (Standort, Charakter, Inhalte) zu definieren. Dabei werden die Beratungszentren einer Bank oder Sparkasse ihr Gepräge geben und von Leistungen des Außendienstes, Homebanking, Call-Center und Direktmarketing und anderen flankiert. Erich Priewasser umschreibt es plastisch: "Die Beratungsfilialen repräsentieren die Sonne, um die alle anderen Kanäle wie Satelliten kreisen."

These: Flankiert wird der Bankenvertrieb von Leistungen des Außendienstes, Homebanking, Call-Centern und Maßnahmen des Direktmarketings (Multi-Chan-nel-Banking).

Ein möglicher Schritt zur Straffung des Filialnetzes - auch wenn nur ein Zwischenschritt - ist die Forcierung von Kooperationen auf Geschäftsstellenebene. Konkret bedeutet dies, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken in kleinen Gemeinden Banktechnik und Räumlichkeiten nicht doppelt, sondern nur einmal vorhalten.

Mehr Menschen in die Filialen holen

Im Zentrum der Überlegungen zur Aufwertung einer Standardfiliale steht folgende Frage: Wie holt man wieder mehr Menschen in die Filiale? Zur Beantwortung dieser Schlüsselfrage werden immer häufiger die Öffnungszeiten flexibilisiert (zum Beispiel abends bis 19 Uhr oder samstags) und innovative Bankstellenkonzepte an vielen Orten getestet. Als Beispiele seien genannt:

Im Konzept der kommunalen Komm-In-Zentren übernehmen Sparkassen in Gemeinden zwischen 2 000 und 8 000 Einwohnern die Federführung bei der Neugestaltung des "Marktplatzes". Bank-, Post-, Verwaltungs- und Ladengeschäfte werden hierbei effizient gebündelt und so langfristig für das Gemeindeleben vor Ort gesichert.

Die Sparkasse Schwandorf wandelte ihre Hauptstelle in ein City-Center um und wurde damit vom Fachmagazin Geldinstitute als Geschäftsstelle des Jahres 2007 gekürt. Vielfältige Einrichtungen der Sparkasse wurden ergänzt durch ein Reisebüro und eine Cafébar mit Creperie. Im Zentrum der Erlebniswelt steht ein "Marktplatz" als ständiger Veranstaltungsort. Im Gebäudekomplex der Sparkasse wurden sieben Facharztpraxen, zwei Gastronomiebetriebe und Modeboutiquen neu eingerichtet. Auch soll dort die Schwandorfer Spielstube für Kleinkinder bald eine neue Bleibe finden.

Die Raiffeisenbank Pfaffenhausen im Allgäu mischt ihre Bankstelle mit einem Kaffeeladen. In die gleiche Richtung experimentiert die SEB-Bank in Frankfurt.

Die Sparkasse Forchheim integriert in eine Bankfiliale ein Internet-Café, ein Reisebüro, eine Kaffeebar und ein T-Mobile-Kundencenter.

Die Sparkasse Leipzig kombiniert ihre Zweigstelle mit Postdienstleistungen des größten privaten Briefzustellers Pin AG ("rote" Post).

Die Deutsche Bank testet in der Berliner Friedrichstraße eine Bankfiliale im VIP-Lounge-Stil ("Q-110-Projekt").

Relativ häufig findet man Shop-in-the-Shop-Modelle. An hoch frequentierten Plätzen - zum Beispiel in Einkaufszentren und Supermärkten - werden Bankfilialen integriert (beispielsweise Migrosbank in der Schweiz, RBS in England). Eine etwas andere Ausrichtung ist die Bankstelle im Dienstleistungszentrum: Die Bankfiliale ergänzt hierbei ein Bürgerhaus mit Bibliothek und Internetcafé, ein Ärzte- oder Beraterhaus.

These: Während früher die Kunden auf die Bank zugehen mussten, kommt heute die Bank auf den Kunden zu. Innovative Geschäftsstellenkonzepte und neue Ideen zur Aufwertung der Bankfiliale sind in Erprobung.

Nach all dem bisher Gesagten bleibt als Ergebnis Folgendes festzuhalten:

Die Positionierung über ein "sehr weit gefächertes Geschäftsstellennetz" ist überholt und bedarf einer Neuausrichtung.

Banktransaktionen erfolgen immer mehr elektronisch, gerade im Zahlungsverkehr.

Bankstellen sind der zentrale Ort des Verkaufs von Bankleistungen. Dennoch nimmt seit Jahren die Bankstellendichte ab. Dieser Prozess wird anhalten. Die überwiegende Mehrzahl der Bankstellen besitzen Sparkassen und Kreditgenossenschaften. Etwa 50 Prozent dieser Bankstellen sind dort mit sehr wenigen Mitarbeitern besetzt, gerade im ländlichen Raum und im Süden Deutschlands. Diese Bankstellen sind auf Dauer zu klein, um wichtige Service- und Beratungsleistungen vorhalten zu können!

Der Ausbau des "Kompetenz- und Servicegrades" ist für Sparkassen und Kreditgenossenschaften wichtiger als das Vorhalten und das Management sehr vieler Kleinstfilialen. Diese sind sogar imageschädigend und vertriebsineffizient.

Die Kreditbanken werden auf absehbare Zeit keine Geschäftsstellen mehr abbauen, sondern an ausgewählten Orten neue Filialen eröffnen.

Der Trend wird anhalten, dass die Postbank ihren Vertrieb noch stärker auf Topstandorte fokussiert.

Innovative Geschäftsstellenkonzepte werden zunehmen.

Multi-Channel-Banking ist die wichtigste Vertriebsstrategie einer Bank. Jede Bank tut gut daran, einen strategischen Vertriebsplan mit Definition der Beratungscentren zu entwerfen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren vorwiegend Bankstellen der dezentralen Gruppen und der Postbank weiter abgebaut werden. Diese Filialstraffung ist relativ folgenlos für Sparkassen und Kreditgenossenschaften, wenn die "persönliche Nähe" als Erfolgsfaktor beibehalten oder ausgebaut wird. Es wäre sogar positiv zu bewerten, wenn sich daraus Kompetenzfelder wie "Servicekompetenz, Technikkompetenz und die Wirtschafts- und Finanzkompetenz" erschließen und Geschäftsfelder rund um die Beratung in Vorsorge-, Finanzierungs- und Vermögensfragen besetzt und umgesetzt werden.

Prof. Dr. Urban Bacher , Professur für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und für Finanz- beziehungsweise Bankmanagement, Hochschule Pforzheim
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