Zahlungsverkehr

Die Zukunft der Karte fängt gerade an

Wenn über die Zukunft des kartengestützten Zahlungsverkehrs in Deutschland und Europa geredet wird, dann müssen drei wesentliche Aspekte beachtet werden: die Märkte, die Kunden und die Regulatoren. Nur wer alle drei ausreichend berücksichtigt, kann eine zuverlässige Prognose über die Entwicklung des Kartengeschäfts anstellen. Im Mittelpunkt sollten allerdings immer die Kunden stehen. Märkte und Regulatoren sind ja kein Selbstzweck, sondern sollten für die Kunden da sein. Und hier müssen verschiedene Ebenen betrachtet werden: Lösungen müssen die Bedürfnisse von Privat- und Firmenkunden gleichermaßen erfüllen und dies sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Sei es bei den Maßnahmen zur Erreichung der Single Euro Payments Area, der breiten Markteinführung innovativer Kar tenprodukte oder der Neustrukturierung des electronic-cash-Systems. Ziel ist es immer, den Markt der Zukunft im Sinne der Kunden zu gestalten.

Wer sind die Kunden der Sparkassen-Finanzgruppe? Im Firmenkundengeschäft bieten die Landesbanken Lösungen für Großkonzerne genauso an, wie sich die Sparkassen um die drei Millionen Mittelständler kümmern. Und dann ist da ja auch noch die öffentliche Hand, zu der die S-Finanzgruppe von Natur aus eine besonders enge Beziehung haben. Auf der anderen Seite gibt es in Deutschland fast 80 Millionen Privatkunden, Konsumenten, die als Bürger und Wähler aber nicht nur die Märkte, sondern auch die Regulatoren entscheidend mit beeinflussen. Und jeder zweite davon ist auch Kunde der Sparkas-sen-Finanzgruppe. Sie ist damit die am breitesten aufgestellte Institutsgruppe in Deutschland und sieht sich somit auch den unterschiedlichsten Kundenbedürfnissen gegenüber. Sie hat daher auch keine andere Wahl, als nach den besten und kundenfreundlichsten Lösungen im Kartengeschäft und Zahlungsverkehr zu suchen.

Sepa: Suche nach dem großen Wurf

Leider scheint diese Prämisse allerdings nicht von allen Akteuren in Europa geteilt zu werden. Bei manchen Verordnungen und Regulierungen hat man das Gefühl, dass nicht unbedingt die Bedürfnisse der Kunden im Mittelpunkt standen. Und auch bei der Gestaltung der Sepa regiert leider zu häufig die Suche nach dem großen Wurf und nicht das Bemühen um die kundenfreundlichste Lösung. Ist es dann ein Wunder, dass die Bürger die neuen Zahlverfahren, wie beispielsweise die Sepa-Lastschrift, eher skeptisch sehen?

Viele Privatkunden haben nicht mit Begeisterung auf einen europäischen Zahlungsverkehr gewartet, da ihre Bedürfnisse eher regional oder national ausgerichtet sind. Trotzdem ist das Ziel eines europäischen Zahlungsverkehrsraumes zur Vertiefung der wirtschaftlichen Union sicherlich richtig. Zu wenige stellen sich aber die Frage, wie der Kunde auf diesen Weg mitgenommen werden kann. Im Augenblick besteht die Gefahr, ihn auf dem Weg zu verlieren.

Oft genug hat man den Eindruck, dass bei der Schaffung eines Binnenmarktes für Zahlungsdienstleistungen nicht mehr der Kundennutzen, nicht das Streben nach intelligenten, kostengünstigen und innovativen Produkten im Mittelpunkt steht, sondern Kosten und Erträge im Markt neu verteilt werden sollen - mit weitreichenden Konsequenzen. Die Sepa-Lastschrift wird zu einer weiteren Belastung der Privatkundenseite führen, da keine Geschäftsmodelle definiert worden sind, die die Lasten gerecht verteilen. Und die Diskussion über die Höhe der Interchange im kartengestützten Zahlungsverkehr hat auch zu deutlichen Verschiebungen zulasten der Institute mit einem starken Privatkundengeschäft beziehungsweise der stark Is-suing-lastigen Länder geführt.

Internationale Kartengesellschaften profitieren

Und wer profitiert? Nicht unbedingt die Firmenkunden. Vielleicht die Acquirer, aber ganz bestimmt die Dienstleister, allen voran die internationalen Kartengesellschaften. Schließlich ist die Interchange ein direkter Interessensausgleich zwischen Acquirer und Issuer. Von der Senkung der Interchange Fee war zu keiner Zeit das Geschäftsmodell von Mastercard und Visa betroffen. Deren Fees sind in der Folge dann auch nicht gesunken, sondern eher gestiegen, weil sich zusätzlicher Spielraum ergeben hat. Leidtragender ist der Privatkunde, da sich sein Institut nicht mehr anders zu helfen weiß, als die Endkundenpreise zu erhöhen - sofern es im Wettbewerb überhaupt dazu in der Lage ist.

Die europäischen Regulatoren haben also damit genau das Gegenteil erreicht. Mastercard und Visa gehen gestärkt in den neuen paneuropäischen Wettbewerb. Und denjenigen, die mit Innovationen den europäischen Zahlungsverkehr weltweit wettbewerbsfähig machen sollen, werden nach und nach die Ertragsmöglichkeiten beschnitten. Damit wird denen die Grundlage genommen, in die Entwicklung innovativer Produkte zu investieren und diese am Markt einzuführen.

Die Bundesbank hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bei der Schaffung der Sepa die Marktkräfte wirken und sich entfalten sollen. Dann müssen aber die Regulatoren für die passenden Rahmenbedingungen sorgen, damit der Kreditwirtschaft dies ermöglicht wird. Die Sparkassen-Finanzgruppe hat immer die Position vertreten, dass eine Migration zu neuen Verfahren ein marktgetriebener Prozess sein sollte. Wenn die neuen Verfahren kundenfreundlicher sind, werden sich diese auch am Markt durchsetzen.

Was wir im Augenblick erleben, ist genau das Gegenteil einer freien Marktentwicklung. Migrationen werden verordnet. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist technisch bestens auf diese Migration vorbereitet. Es wird aber trotzdem schwierig werden, die Kunden zu überzeugen. Vielleicht ist dies ein Problem, das in Deutschland in besonderer Weise besteht. Schließlich existiert hier bereits seit Jahren ein effizienter, nutzerfreundlicher und kostengünstiger Zahlungsverkehr mit allen erforderlichen Produkten und Verfahren.

Heutige Kartenverfahren als Grundlage für neue Technologien

Die Rahmenbedingungen für den kartengestützten Zahlungsverkehr in Europa und in Deutschland unterliegen derzeit deutlichen Veränderungen:

Da sind zum einen die erhöhten Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz. Letztlich haben diese zu der europaweiten Einführung der EMV-Chiptechnologie geführt und damit auch einen Standardisierungsprozess europaweit in Gang gesetzt, der unumkehrbar ist und zu mehr Inte roperabilität und Effizienz führen wird.

Da sind aber auch die neuen regulatorischen Anforderungen, insbesondere wettbewerbsrechtlicher Natur, beispielweise bei der schon erwähnten Interchange-Diskussion. Auch hier ist in den letzten Jahren eine Entwicklung begonnen worden, die letztlich genauso unumkehrbar ist. Wir müssen diese neuen wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen als gegeben hinnehmen und erkennen, dass die heutigen Geschäftsmodelle im Kartengeschäft mit zentral festgelegten, einheitlichen Entgelten vermutlich nicht mehr die neuen Anforderungen erfüllen. Die Kreditwirtschaft ist deshalb aufgerufen, neue Geschäftsmodelle und Entgeltszenarien für die Zukunft zu entwickeln.

Und dann sind da noch die Innovationen, die derzeit nur teilweise aus der Kreditwirtschaft heraus getrieben werden. Mit Telekommunikationsunternehmen oder Herstellern mobiler Endgeräte versuchen neue Teilnehmer, in den Kartenzahlungsmarkt vorzudrängen. Letztlich - und dies zeichnet sich heute schon ab - werden aber auch für Mobile Payment die Kartenverfahren die Grundlage bilden. Der Aufbau einer davon unabhängigen Infrastruktur wäre zu kostenintensiv und die Kartenverfahren haben den großen Vorteil, dass sie heute schon einen Zugriff auf das Konto des Kunden gestatten. Ich bin daher nicht so pessimistisch, was die Rolle der Kreditwirtschaft im Mobile Payment angeht. Allerdings muss sie sich hierfür richtig aufstellen.

Ein Blick auf die Marktverhältnisse in Deutschland zeigt folgendes: Laut dem EHI-Jahresbericht für 2010 ist electronic cash nach Bargeld die zweithäufigste Zahlungsart im Einzelhandel, mit einem Anteil 19,9 Prozent. Der Bargeldanteil ist in den letzten zwölf Jahren von 75 Prozent auf unter 60 Prozent gefallen. Electronic cash ist in dieser Zeit von einer Nischenanwendung zum Marktführer bei Kartenzahlungen avanciert, der Anteil hat sich von vier Prozent auf fast 20 Prozent entwickelt. Vor allem lässt sich erkennen, dass das kreditwirtschaftliche System, obwohl es bepreist ist, deutlich wächst, während ELV stagniert.

In den nächsten zehn Jahren wird der Anteil der bargeldlosen Zahlverfahren weiter steigen und Bargeld wird nicht mehr der unangefochtene Marktführer bleiben. Zu dieser Entwicklung wird die Sparkassen-Finanzgruppe einen wesentlichen Beitrag leisten. Zum einen in der Unterstützung der Weiterentwicklung des electronic-cash-Systems mit einem breiteren Angebot und einem neuen, nachhaltigen Geschäftsmodell. Zum anderen, indem flächendeckend ein effizientes und vor allem schnelles System zur Abwicklung von Kleinbetragstransaktionen bis 20 Euro zur Verfügung gestellt wird.

Große Discounter für ec-cash gewonnen

Damit wird eine gute Tradition fortgesetzt. Die Sparkassen-Finanzgruppe hat bereits seit 2002 immer wieder Meilensteine gesetzt, die zur Steigerung des Anteils der Kartenzahlungen im Handel beigetragen haben. Im Jahr 2002 wurde das Projekt "electronic cash Welle 1" gestartet. Erstmals wurde das gemeinsame Zahlungssystem der deutschen Kreditwirtschaft von einer einzelnen Institutsgruppe gezielt vermarktet. Im Rahmen des Projektes konnte die S-Finanzgruppe nicht nur die großen Discounter für das Verfahren gewinnen, sie hat den Anstoß zu einer besseren Akzeptanzentwicklung im Mittelstand gelegt und mit dem Wettbewerb um das schnellste Hybrid-Terminal neue Maßstäbe gesetzt. Im Herbst 2010 hat der Deutsche Sparkassen- und Giroverband erneut einen Terminalwettbewerb ausgeschrieben, diesmal zum Thema "Kontaktloses Bezahlen".

Im letzten Jahr sind zahlreiche Leuchtturmprojekte zum kontaktlosen Bezahlen an den Start gegangen. Und in diesem Jahr führen bereits 13 Sparkassen in ausgewählten Regionen Deutschlands die neue Sparkassen-Card kontaktlos ein, bevor dann ab Mitte 2012 im normalen Kartenumtausch die Karte mit der Kontaktlos-Zahlfunktion ausgestattet wird.

Mit dem größten Kartenprojekt Europas, der Sparkassen-Card kontaktlos, stärken die Sparkassen ihre Wettbewerbsposition. Die Sparkassen-Card kontaktlos ist jedoch nur ein Baustein der Debitkartenstrategie 2015. Das Ziel der Sparkassen-Finanzgruppe ist die Sicherung der Erträge im Kartengeschäft und der Ausbau innovativer Zahlverfahren. Neben der Sparkassen-Card kontaktlos ist ein weiterer Bestandteil der Strategie die Weiterentwicklung von electronic cash. Nutznießer von "electronic cash 2.0" werden in erster Linie die Händler sein, denn es wird ein erweitertes Angebot und ein flexibleres Preisgefüge geben. So ist auch geplant, zukünftig ein effizientes und kundenfreundliches Angebot ohne Zahlungsgarantie am Markt zu platzieren.

Kleinbetragszahlungen als neuer Fokus

Eine Studie der Deutschen Bundesbank aus dem Jahr 2009 hat gezeigt, dass Zahlungen bis 20 Euro bisher fast ausschließlich mit Bargeld abgewickelt werden. Im Bereich von Zahlungen bis 5 Euro lag der Anteil bei 96,6 Prozent. Bei Zahlungen zwischen 5 und 20 Euro lag der Barzahlungsanteil immer noch bei 93,7 Prozent. In diesem Segment besteht demnach großes Ziel-Potenzial für Kleinbetragszahlungen. Der Rückgang von Bargeldzahlungen im Handel allgemein und das Wachstum der Kartenzahlungen legt nahe, diesen Bereich für Kartenzahlungen zu erschließen. Ein neues Verfahren kann auf die weitere Verdrängung von Bargeld ausgerichtet werden.

Der Markt erfordert die schnelle Einführung einer kontaktlosen Sparkassen-Card. Wieso? Die Welt der Kartenzahlung wird einfacher und komfortabler - die Karteninhaber wünschen in erster Linie Convenience. Das bedeutet auch, dass es die Möglichkeit geben muss, an der Kasse sein Guthaben zu laden. Der Handel wünscht kostengünstige Gebührenstrukturen und schnelle Kassenabwicklungsprozesse. Bei Beträgen bis 20 Euro sind Fixkosten von 1,2 oder 3 Cent für den Händler möglich. Diverse Händler und Unternehmen haben bereits Interesse am kontaktlosen Bezahlen bekundet. Der Wettbewerb steigt, insbesondere durch die internationalen Dachgesellschaften wie Mastercard und Visa. Für die freie Gestaltung von zukünftigen Marktanforderungen ist die Lizenz- und Systemhoheit wichtig.

Die Erweiterung der existierenden Debit-karten-Strategie auf Kontaktlos-Technologie bietet für die Zukunft einen hohen Grad an Co-Branding-Flexibilität entsprechend der Kundenbedürfnisse - Girocard only, Maestro oder V-Pay.

Nach erfolgreicher Pilotierung in geschlossenen Leuchtturmprojekten wie der Bay-arena-Card in Leverkusen, dem Hurricane-Festival in Scheeßel und der EWS Arena in Göppingen wird die Sparkassen-Card kontaktlos nun auch in der Coface-Arena in Mainz sowie als Universitätskarte an der Universität in Dortmund eingeführt. Ab Mitte 2011 startet dann die vorgezogene Einführung der Karte in ausgewählten Regionen in der Republik. Ab Mitte 2012 werden dann im regulären Kartenumtausch sukzessive alle 45 Millionen Sparkassen-Cards mit der Kontaktlosfunktion ausgestattet. Die Zukunft der Karten fängt damit in Deutschland gerade an. Die Einführung der Spar-kassen-Card kontaktlos ist das größte Kartenprojekt Europas und macht die Sparkas-sen-Finanzgruppe damit zum Pionier.

Mobile Payment ist derzeit in aller Munde. Bevor das Bezahlen mit Handy tatsächlich möglich wird, sind etliche Punkte zu klären. Aus Verbraucher- und aus Händlersicht ist Sicherheit ein wichtiges Thema, aber auch in punkto Geschwindigkeit dürfen Mobile Payments nicht langsamer als bisherige Zahlvorgänge sein. Wir haben uns gefragt: Wie lange darf eine Transaktion beim Händler dauern? Wie viel darf es den Handel kosten? Wie sollen alle Beteiligten bei niedrigen Gebühren daran verdienen? Welche Geräte eignen sich und gibt es diese überhaupt in der breiten Masse? Fragen über Fragen, deren Antworten zu klären sind. Mobile Payment wird kommen. Die Sparkassen-Card kontaktlos ist die Basistechnologie, die die bestehende Zahlungsinfrastruktur am PoS mit dem Smartphone verbindet und Mobile Payment ermöglicht.

Dabei sind verschiedene Varianten möglich: Das Smartphone kann als Händlerterminal fungieren, zum Laden der Spar-kassen-Card kontaktlos und als Bezahlmedium für Online-Payments genutzt werden. Perspektivisch sind auch NFC-Handys mit integrierter Sparkassen-Card-Funktion denkbar.

Diskussion um IBAN als Kampagne gegen Sepa

Die Diskussion um die 22-stellige IBAN wurde zu einer regelrechten Kampagne gegen Sepa in Presse, Funk und Fernsehen. Das zeigt, es kommt auf die Kunden, auf die Wähler, auf die Zeitungsleser an und nicht auf die Leiter der Rechenzentren, die Zahlungsverkehrsleiter und technokratische Planungen. Es zeigt sich auch, dass das Akzeptanzschaffen nicht delegierbar ist, wenn die Basis nicht stimmt. Das haben wir auch bei der E 10-Debatte gesehen. Ob gut, ob schlecht, es geht auch noch schlecht gemacht, gerade dann, wenn ein Thema keine klaren Vorteile bringt. Es reicht nicht, jemanden zu verpflichten. Bei unklaren Vorteilen für den Kunden schlägt das auch schnell auf den Verursacher zurück.

Die Zukunft der Karten geht in Deutschland gerade erst los. Es stehen wichtige Entwicklungen in der Sparkassen-Finanzgruppe an: von electronic cash 1.0 auf electronic cash 2.0 mit nicht-garantierten Zahlungen, die Eroberung der Kleinbetragszahlungen per Sparkassen-Card kontaktlos, Mobile Payment auf Basis kontaktloser Debitkarten. Das ist alles schon in der Pipeline. Der Kundennutzen ist bei allen Produkten hoch. Die Branche kann ein Jahrzehnt mit erneut hohen Wachstumsraten pro Jahr im Kartenbereich vor sich haben, wenn es gelingt, mit Innovationen und neuen Geschäftsmodellen den regulatorischen Rahmenbedingungen gerecht zu werden und die Marktkräfte wieder zu entfesseln. Voraussetzung ist dafür aber auch, dass nicht zu viele neue regulatorische Eingriffe kommen.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim Symposium "Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2011" der Deutschen Bundesbank.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X