360°-Kommunikation

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Durch die zunehmende Fragmentierung und Digitalisierung der Medien nimmt die Zahl der relevanten Touchpoints zur Kommunikation mit den Zielgruppen laufend zu. Eine 360°-Kommunikation berücksichtigt alle relevanten Kontaktpunkte einer Zielgruppe zur jeweiligen Marke unter Nutzung aller verfügbaren Kommunikationskanäle. Durch das integrierte Zusammenspiel der zur Verfügung stehenden Medien wird eine optimale Verbreitung der Unternehmensbotschaften erzielt. Ziel von 360°-Kampagnen ist es, dass die Zielgruppe die Kernbotschaft/ en über alle Medien hinweg konsistent und nachhaltig wahrnimmt.

Kanäle feinmaschig vernetzen

Um ihren Brand beziehungsweise ihre Key-Message nachhaltig in den Köpfen ihrer Zielgruppen zu verankern, stehen Finanzdienstleister vor der Herausforderung, aus der Vielzahl möglicher Kommunikationskanäle die richtigen Kanäle auszuwählen. Die Kommunikationsstrategie muss dabei die sich verändernde Mediennutzung und die dynamischen Interaktionsmöglichkeiten des Internets berücksichtigen, da vor allem durch die Word-of-Mouth-Möglichkeiten des Internets der Impact über die klassische mediale Reichweite hinausgehend gesteigert werden kann.

Es ist nicht neu, dass eine Marke als Antwort auf ein für die Zielgruppe relevantes Kundenbedürfnis positioniert werden muss. Neu ist hingegen, dass diese Botschaft in immer vielfältigeren Kanälen medienadäquat umgesetzt werden muss und die Kanäle feinmaschig miteinander vernetzt werden müssen. Da Konsumenten täglich eine Vielzahl an Medien- und Produktkontakten haben, werden heterogene Kanäle zur Ansprache genutzt, um alle relevanten Kontaktchancen zu nutzen.

Für den Erfolg ist aber nicht nur die Reichweite relevant, sondern auch die Kontaktqualität, was eine intensive Analyse der relevanten Touchpoints erfordert. Die Botschaften müssen abhängig vom jeweiligen Kanal differenziert ausgestaltet werden und die technischen Möglichkeiten der jeweiligen Medien kreativ in eine Gesamtstrategie integriert werden. Durch die zunehmende Relevanz der dialogorientierten Potenziale des Internets, müssen Unternehmen die Spielregeln der Social-Media-Plattformen genau kennen.

Welche Kontaktpunkte für eine Kommunikationskampagne relevant sind, hängt von den Kommunikationszielen und der anzusprechenden Zielgruppe ab. Bei der Analyse und Selektionen geeigneter Konsumenten-Kontaktpunkte sind verschiedene Parameter zu berücksichtigen, zum Beispiel Kontakthäufigkeit, Frequenz, Affinität, Reichweite, Aufmerksamkeit und das emotionale Involvement der Zielgruppe.

Zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sein

Eine erfolgreiche nachhaltige Kommunikation umfasst einen perfekten Channel-Fit und einen konsistenten Kommunikations-Mix unter Berücksichtigung aller Customer Touchpoints, da die reine Sendung von Informationen und Werbebotschaften vor allem bei den jüngeren Zielgruppen immer weniger funktioniert. Mit den neuen Informationstechnologien entscheiden die Zielgruppen selbst, wo und wann sie welche Informationen rezipieren. Finanzdienstleister müssen zum entscheidenden Zeitpunkt an der für die Zielgruppen richtigen Stelle sein, um in einen Dialog treten zu können.

Bei einer erfolgreichen 360°-Kampagne müssen daher folgende Schritte beachtet und konsequent umgesetzt werden:

- Analyse der Zielgruppe und relevanten Touchpoints der Konsumenten. Ein genaues Wissen über die Zielgruppe ist die Basis für den Kommunikationserfolg,

- exakte Formulierung der Kommunikationsziele,

- Selektion der zielgruppengerechten Touchpoints basierend auf geeigneten Kennzahlen, zum Beispiel der Kontakthäufigkeit, Reichweite, Zielgruppenaffinität und -involvement, um die gegenwärtigen und potenziellen Kunden bestmöglich zu adressieren,

- Entwicklung einer strategischen integrierten 360°-Kampagne,

- Umsetzung der Kampagnenidee in konsistente und impactstarke Maßnahmen,

- laufende Kontrolle der Wirkungen an den einzelnen Touchpoints während der Kampagne basierend auf den definierten Messgrößen (zum Beispiel Kontakte, Conversion, Nutzungsintensität, Interaktion). Ein kontinuierliches Monitoring ist notwendig, um Schwachstellen zu analysieren, wodurch die Auswahl der Kanäle und die einzelnen Botschaften stetig optimiert werden können.

Eine erfolgreiche 360°-Kampagne bedarf eines optimalen Zusammenspiels verschiedener Medien. Bei der Kampagnen-Entwicklung muss der Blick in alle Richtungen gehen (360°) und die Kommunikationsaktivitäten müssen optimal aufeinander abgestimmt werden. Ein zentraler Punkt bei der Entwickelung des Contents für 360°-Kampagnen ist es, die Gründe zu kennen, aus denen Kunden sich zu einem Vertragsabschluss entschließen.

Paid Media und Non-Paid Media

Die 360°-Kommunikation berücksichtigt Paid-Media, das heißt die klassische Werbung, das Sponsoring, das Direktmarketing und andere. Kostenpflichtige Content Platzierung hat den Vorteil einer guten Steuerung und dass schnell Reichweite aufgebaut werden kann. Zusätzlich wird in der 360°-Kommunikation aber auch die Non-Paid/ Shared-Media-Kommunikation eingesetzt in Form von echter (unbezahlter) PR oder Inhalten, die von den Zielgruppen mündlich oder in sozialen Medien geteilt werden, zum Beispiel Facebook, Twitter, Linkedin oder Instagram.

Das Vertrauen und die Kaufbereitschaft müssen Schritt für Schritt aufgebaut werden. Gut vernetzte Kommunikationsketten, die den Kunden mit geeigneten Anreizen und Botschaften durch alle Phasen der Kaufentscheidung leiten (Informations- und Orientierungsphase - Kaufabsicht - Kauf - Wiederkauf) schaffen eine hohe Kommunikations- beziehungsweise Werbewirkung.

Gute Content-Strategie gefragt

Anhand festgelegter Key Performance Indicators muss die richtige Balance zwischen Paid und Non-Paid/Shared-Media-Kanälen und Maßnahmen gefunden werden, da nur in einem ausgewogenen Kommunikationsmix alle Medienformate zum Erfolg einer Kampagne beitragen. Dabei ist zu beachten, dass im Hinblick auf das Informations- oder Kaufinteresse der adressierten Zielgruppen die einzelnen Kernbotschaften individuell angepasst werden müssen und jeder Kommunikationskanal spezifische Anforderungen hat. Um den gewünschten Content erfolgreich zu platzieren, muss dieser an den jeweiligen Kanal angepasst werden.

360°-Kommunikation braucht daher nicht nur das Wissen und den richtigen Mix von Off- und Online-Kanälen, sondern auch eine gute Content-Strategie, in der festgelegt wird, welcher Content über welchen Kanal an die jeweilige Zielgruppe ausgespielt werden soll.

Wirklich effizient sind 360° Kampagnen nur dann, wenn die Besonderheiten auf die jeweiligen Kommunikationskanäle Rücksicht nehmen und sämtliche Maßnahmen sowohl gestalterisch als auch inhaltlich kanalspezifisch angepasst werden. Durch eine vorherige strategische Festlegung einer kreativen Klammer muss sichergestellt werden, dass jede Maßnahme einer übergeordneten Leitidee folgt.

Kunden und Zielgruppen sind heute über multiple Kommunikationskanäle erreichbar. Vollständig integrierte 360°- Kampagnen zeichnen sich durch eine lückenlose Kommunikation entlang der gesamten Customer Journey unter Berücksichtigung des Informationsinteresses der Zielgruppe an dem jeweiligen Kontaktpunkt aus. Skeptiker merken an, dass das Bündel an Kommunikationsmaßnahmen bei der 360°-Kommunikation kritisch geprüft werden muss, da in der Regel 20 Prozent der möglichen Maßnahmen ausreichen, um 80 Prozent der möglichen Wirkung zu erzielen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien

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