Bigtech

Dr. Claudia Klausegger

Quelle: privat

Als Bigtech oder Bigtechs werden gewöhnlich die vier großen globalen Technologie-Unternehmen und Internet-Giganten Google (eigentlich Alphabet), Amazon, Facebook und Apple bezeichnet. Andere Bezeichnungen sind GAFA (abgeleitet aus den Anfangsbuchstaben der vier Unternehmen) oder die "Big Four". Sie werden, obwohl sie ungleiche Online-Aktivitäten und Geschäftsmodelle betreiben, oft gemeinsam betrachtet, da jeder dieser Konzerne für sich gesehen durch seine Dominanz den gesellschaftlichen Wandel vorangetrieben hat.

Die technologischen Innovationen der Bigtechs haben die Welt in den letzten beiden Jahrzehnten stark geprägt (Amazon wurde im Jahr 1996, Google 1997 und Facebook 2004 gegründet, lediglich Apple - 1976 gegründet - ist etwas älter). Wenn man über die Grenzen der westlichen Welt hinaus blickt, müsste man zu diesen global agierenden US-Unternehmen auch eine Reihe chinesischer Technologie-Unternehmen wie zum Bei spiel Alibaba mit Ant Financial und dem Bezahldienst Alipay oder Tencent mit Wechat und Wechat Pay zählen. Wählt man die Abgrenzung etwas weiter, könnten auch Uber oder Airbnb dazu gezählt werden, die ebenfalls eine deutliche Veränderung im Konsumentenverhalten erreicht haben.

Gewaltige Markt- und Finanzmacht

Die Marktmacht der Bigtechs ist beeindruckend. Google mit Sitz in Mountain View, Kalifornien, ist die meistaufgerufene Suchmaschine mit einem Marktanteil bei den Page Views von rund 75 Prozent. Das 2005 gegründete Videoportal Youtube ist seit 2006 eine Google/Alphabet-Tochtergesellschaft. Zu Google/ Alphabet gehört auch Google Cloud Platform (GCP), eines der weltweiten Topunternehmen im Cloud-Business. 2020 machte Google einen Umsatz von über 185,2 Milliarden US-Dollar; davon über 80 Prozent durch Werbung in unterschiedlichen Ausprägungen.

Amazon mit Sitz in Seattle, Washington, hat sich in kurzer Zeit vom Online-Buchhändler für den englischsprachigen Raum zum "Everything Store" mit über 200 Millionen Produkten entwickelt. Dazu zählt auch der Amazon Marketplace, auf dem Drittanbieter ihre Produkte verkaufen können und durch den Amazon zum Weltmarktführer im E-Commerce wurde. Darüber hinaus bietet Amazon den Cloud-Dienst AWS (Amazon Web Services) an, der zu den globalen Topanbietern im Cloud-Geschäft zählt. Mehr als die Hälfte des Umsatzes machte 2020 mit 386,2 Milliarden US-Dollar in aller Welt der E-Commerce aus.

Facebook mit Sitz in Menlo Park, Kalifornien, ist ein soziales Netzwerk mit Personen, Unternehmen und Marken samt deren Profilen, der Möglichkeit, Fotos und Videos auf der Plattform hochzuladen sowie miteinander in Kontakt zu treten. Facebook hat über drei Milliarden Mitglieder, wovon 2,8 Milliarden monatliche und 1,8 Milliarden tägliche Nutzer sind, und ist weltweit auf Rang sieben (2020) der meistbesuchten Websites. Zu Facebook gehören auch der Messenger-Dienst Whatsapp und Instagram, ein werbefinanzierter Online-Dienst zum Teilen von Fotos und Videos. Der Facebook-Umsatz - vor wiegend erzielt durch Werbeerlöse von zehn Millionen auf Facebook werbenden Unternehmen - betrug im vergangenen Jahr 86,0 Milliarden US-Dollar.

Apple mit Sitz in Cupertino, Kalifornien, ist ein Technologieunternehmen, das Computer, mobile Geräte sowie Betriebssysteme, Anwendungssoftware und Unterhaltungselektronik entwickelt und vertreibt. Apple trug maßgeblich bei, dass diese Produkte zu Massenprodukten wurden. Apple hat mit i-Tunes, einem Store für Musik- und Filmdownloads und dem App Store zwei der weltgrößten Vertriebswege für digitale Güter. Bei einem Umsatz von 294,1 Milliarden US-Dollar 2020 war das i-Phone mit einem Anteil von etwa 50 Prozent Apples wichtigstes Produkt.

Insgesamt erzielten die vier Bigtechs zusammen 2020 einen Umsatz von 961,5 Milliarden US-Dollar, was umgerechnet in etwa 800 Milliarden Euro entspricht.

Auch ihre Finanzmacht ist gigantisch. Die Marktkapitalisierung von Google liegt bei 1,2 Billionen US-Dollar, die von Amazon bei 1,4 Billionen US-Dollar, die von Facebook bei 0,6 Billionen US-Dollar und die von Apple bei 1,9 Billionen US-Dollar (Stand 6.Februar 2021). Die gesamte Marktkapitalisierung von GAFA beträgt ungefähr 5,1 Billionen US-Dollar oder 4,2 Billionen Euro. Demgegenüber fällt die Marktkapitalisierung zum Beispiel von Volkswagen mit 0,1 Billionen Euro oder des gesamten Dax mit 1,4 Billionen Euro deutlich ab.

Herausforderung für Banken und Fintechs

Aufgrund ihrer großen Markt- und Finanzmacht ist eine Expansion der Bigtechs in unterschiedliche Richtungen möglich. Ein aktueller Entwicklungspfad geht in Richtung Bankwesen. Für die traditionellen Banken bedeutet dies, dass zusätzlich zu den Herausforderungen durch die unterschiedlichsten Fintechs als weitere Herausforderung die Bigtechs kommen. Das Gleiche gilt für Fintechs, die ebenfalls durch den Einstieg der Bigtechs in das Bankenwesen zusätzlich gefordert werden.

Die Bigtechs haben nicht nur die Fähigkeit, Branchen weltweit digital aufzurollen, sondern auch den finanziellen Back ground dafür. Die ersten Schritte vorwiegend bei Payments haben sie bereits gesetzt:

  • Google Pay als Zusammenführung von Android Pay (Zahlen mit dem Smartphone) und Google Wallet (P2P Geld versenden und empfangen).
  • Amazon Pay als Zahlungsform im E-Commerce bei Amazon, auf dem Amazon-Marketplace und bei Internet-Shops, die diese Zahlungsform übernommen haben. Dazu kommen die Amazon-Kreditkarte und Amazon Lending an Verkaufspartner sowie das Angebot von Krediten interessierter Banken.
  • Facebook Pay bei Facebook, Whatsapp und Instagram, die für P2P-Transaktionen und In-App-Käufe gedacht sind. Darüber hinaus wird Facebook mit der geplanten ehemaligen Libra-Kryptowährung Diem und dem Novi Wallet in Erscheinung treten.
  • Apple Pay ist nahezu weltweit für alle i-Phones als kontaktlose Zahlungsfazilität Realität geworden.

Über den Zahlungsverkehr hinaus

Die Bigtechs werden sich jedoch nicht nur mit dem Einstieg in den Zahlungsverkehr begnügen. Aufgrund ihrer Fähigkeit, ganze Branchen aufzumischen und Game Changer zu sein, wird eines der Bigtech-Unternehmen oder vielleicht auch mehrere eher früher als später das komplette Portfolio an Bankdienstleistungen anbieten. Für diese Entwicklung spricht auch, dass sich Banken und ihre Produkte ideal für eine Digitali sierung eignen und die Bigtechs diesbezüglich exzellentes Know-how aufweisen.

Es ist davon auszugehen, dass die skizzierten Entwicklungen nicht nur einzelne Länder betreffen werden, sondern die Geschäftstätigkeit nach einzelnen Testmärkten international beziehungsweise weltweit ausgerichtet wird und ganze Wirtschaftszweige umfasst. Die notwendigen Banklizenzen für die Länder, in denen sie aktiv sein wollen, werden vermutlich kein Hindernis darstellen.

Viele Voraussetzungen für Aktivitäten im Banksektor erfüllt

Für eine Intensivierung ihrer Aktivitäten im Bankensektor erfüllen Bigtechs viele Voraussetzungen. Neben der Kapitalstärke kann die bestehende Marktmacht - in Form von Kunden - für Produkte, die den klassischen Bankprodukten entsprechen, innovativ genutzt werden. In einem ersten Schritt müsste nicht ein Einstieg in alle Geschäftsfelder erfolgen, sondern es würde ausreichen, sich im Angebot auf Produkte mit hohen Stückzahlen und geringer Regulierungsbelastung zu konzentrieren.

Ein weiterer Erfolgsfaktor könnte darin liegen, dass die Bigtechs mit ihrem Datenmanagement ihr Produktangebot optimieren können. Wenn man beobachtet, was im Vergleich zu den Bigtechs kleine Challenger-Banken wie N26 oder Revolut, die in über 20 Ländern vertreten sind, mittlerweile erreicht haben, können die Chancen der Bigtechs als hervorragend eingestuft werden.

Eine künftige Bigtech-Bank wird wohl keine klassische Bank sein, wie wir sie heute kennen. Sie wird viel eher eine Digitalbank sein, die ohne Filialen Schritt für Schritt in vielen Ländern auf ihrer Plattform Bankdienstleistungen anbieten, vergleichbar mit einer Challenger-Bank. Dass die Bigtechs die Fähigkeit haben, ein Portfolio unterschiedlichster Produkte agil zu entwickeln, haben sie in der Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen.

Nachhaltige Veränderung der Bankenwelt

Während die Grundlage einer Bigtech-Bank - wie gehabt - in einem Konto und Karten besteht, haben die Bigtechs bei allen anderen Produkten im Anlagebereich beziehungsweise im Kreditbereich die Option, diese entweder selbst zu entwickeln und anzubieten oder attraktive Produkte anderer Banken, die damit auf ein Mengenwachstum hoffen können, auf die Plattform zu integrieren. Analysiert man die aktuellen Angebote der Bigtechs, kann vermutet werden, dass diese auch kundennahe und benutzerfreundliche Bankprodukte entwickeln können.

Was die Preise für die Produkte betrifft, so könnten diese - um den Markt aufzurollen - sogar attraktiver als jene der klassischen Banken sein. Aufgrund der Kapitalstärke der Bigtechs wären sie in der Lage, eine längere Anlaufzeit zur Etablierung auf dem Markt zu finanzieren. Die Kundenakquisition wäre angesichts der Netzwerk- und Verbundeffekte bei den bestehenden Kunden auch für andere Dienstleistungen kein Pro blem. Aufgrund ihrer vorhandenen Daten und ihrer Erfahrungen und Stärken im Daten-Management ist davon auszugehen, dass die Bigtechs es schaffen werden, ihre Kunden mit maß geschneiderten Produktangeboten anzusprechen.

Gefahr erkannt, aber noch nicht gebannt

Die Bigtechs haben aufgrund der beschriebenen Möglichkeiten gute Chancen, die Bankenwelt nachhaltig zu verändern. Mancherorts wurde diese Gefahr vonseiten der etablierten Banken erkannt, sie ist jedoch sicher nicht gebannt. Nur darauf zu setzen, dass die Bankkunden und potenziellen Bigtech-Bankkunden den traditionellen Banken mehr vertrauen als den Bigtechs (wie Marktforschungen zeigen), dürfte nicht die alleinige richtige Verhaltensweise sein.

Wenn man die Masse der Nutzer von Bigtech-Produkten betrachtet, muss davon ausgegangen werden, dass ein Grundvertrauen in die Bigtechs vorhanden ist und dass es dieses vermutlich auch bei Bankprodukten geben wird. Angesichts der drohenden Konkurrenz durch die Bigtechs sollten klassische Banken ihre Rolle und Wettbewerbsfähigkeit überdenken und den Fokus verstärkt auf die Kundenbindung legen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien

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