Business Resilienz

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Seit März 2020 kämpfen viele Unternehmen mit den Auswirkungen der weltweiten Corona-Pandemie, die zu einer Disruption in vielen Branchen geführt hat. Da jede Krise gleichzeitig eine Chance zu einem Innovations-Boost darstellt, sofern Unternehmen ihre alten Strukturen und Geschäftsmodelle an die neuen Rahmenbedingungen anpassen, bekam der aus der Biologie und Psychologie stammende Begriff der Resilienz im Unternehmenskontext eine neue Dimension.

Unter Resilienz (lateinisch resilire: zurückspringen' abprallen) wird die Widerstandsfähigkeit und Flexibilität verstanden, sich von Krisen und Veränderungen zu erholen und darauf einzustellen, um gestärkt in die Zukunft zu gehen. Das Gegenteil von Resilienz ist der in Covid-19-Zeiten oft verwendete Begriff der Verwundbarkeit (Vulnerabilität).

Fähigkeit, schnell auf Unvorhergesehenes zu reagieren

Business Resilienz ist die Fähigkeit eines Unternehmens schnell auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren und flexibel, widerstandsfähig und positiv mit Marktanforderungen, Stresssituationen und Krisen umzugehen.

Da gerade in einer Krise die Schwachstellen eines Unternehmens evident werden, muss jede Krise als Anlass genommen werden, sich stabiler und resilienter für die Zukunft aufzustellen. Idealerweise sollten Unternehmen bereits in krisenfreien, ruhigeren Zeiten proaktiv vorbauen. Unternehmen müssen lernen, unerwartete Umstände zu verkraften, schnell die notwendigen Entscheidungen zu treffen und sich anzupassen und gegebenenfalls neu auszurichten. Dabei muss das gesamte Unternehmen auf seine Resilienz betrachtet werden, die Organisation, die Struktur, die Produkte, die Partnerschaften und Kooperationen.

Unternehmen überstehen durch Krisen ausgelöste plötzliche Disruptionen nur dann, wenn sie schnell mit ihnen umgehen können und Business Resilienz zentraler Bestandteil ihrer Strategie ist. Bei einer Krisenstrategie geht es nicht um Einzelmaßnahmen, sondern um ein umfassendes systematisches strategisches Konzept.

Kapitalreserven als Überlebensfaktor

Ein wichtiger Überlebensfaktor ist das Sicherstellen der notwendigen Liquidität, um über eine zu definierende Zeit mit unzureichenden Erträgen, aber bestehenden Aufwendungen auszukommen. Kapitalreserven in Form von Eigenkapital und Kreditlinien kommt hier große Bedeutung zu. Resiliente Unternehmen verfügen über Kapitalreserven, die es ihnen ermöglichen, eine wirtschaftliche Durststrecke durch unerwarteten Umsatzrückgang eine gewisse Zeit zu überbrücken.

Ein weiteres Merkmal resilienter Unternehmen ist ihre Flexibilität, auf ein sich änderndes Konsumentenverhalten zu reagieren. Bei der Erarbeitung innovativer Geschäftsmodelle müssen neue aufkommende profitable Kundensegmente beziehungsweise -gewohnheiten frühzeitig (vor der Konkurrenz) entdeckt und besetzt werden. Da in einer akuten Krisensituation schnell gehandelt werden muss, müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen für eine agile Organisation mit flexiblen Arbeitsmethoden vorhanden sein oder rasch geschaffen werden. Dabei spielen kontinuierliche Bewertungen und Rückkopplungsschleifen mit den eigenen Teams und Geschäftspartnern eine zentrale Rolle.

Flache Hierarchien stärken die Resilienz

Nicht nur das Unternehmen insgesamt, sondern vor allem auch ihre Führungskräfte müssen in einer Krise flexibel auf Veränderungen reagieren. Die für ein geeignetes Leadership geforderten Fähigkeiten umfassen Authentizität, Empathie, Transparenz, eine klare, unmittelbare Kommunikation, Weitsichtigkeit, die Fähigkeit schnelle Entscheidungen durch dezentrales Empowerment der Mitarbeiter zu treffen, ein hohes Maß an funktionsübergreifender Interaktivität sowie den Aufbau digitaler Skills im Unternehmen. Flache Hierarchien stärken die Resilienz, da unabhängige, qualifizierte und mit Verantwortung ausgestattete Mitarbeiter besser auf interne und externe Veränderungen reagieren.

Die aktuelle Corona-Krise hat bei vielen Unternehmen zu einem bis dato nicht vorstellbaren Digitalisierungsschub, unter anderem bei den digitalen Kundenschnittstellen im Vertrieb und ebensolchen Serviceplattformen geführt. Die zunehmende Digitalisierung kann für eine Effizienzsteigerung (Prozessoptimierungen und Kostenreduktionen) im gesamten Unternehmen, inklusive funktionsübergreifender Kollaborations-Platt formen für Mitarbeiter (im/außerhalb vom Büro) genutzt werden. Nicht zu vergessen ist, dass die notwendigen IT-Voraussetzungen geschaffen werden und bei den Mitarbeitern darauf geachtet wird, die notwendigen digitalen Skills aufzubauen beziehungsweise weiterzuentwickeln.

Experten sind sich darin einig, dass die digitale Durchdringung eines Unternehmens zu einem gesunden Bruch mit etablierten, althergebrachten Denk- und Arbeitsweisen führen sollte und zu einem Kulturwandel in Richtung einer agilen, offenen und kollaborativen Kultur beitragen kann. Dabei können auch neue Geschäftsmodelle unter Einbeziehung von disruptiven Innovationen über Start-ups entstehen.

Erfahrungen für künftige Krisen nutzen

Business Resilienz bezieht sich aber nicht nur auf das Bewältigen einer vorliegenden Krise, sondern diese Erfahrungen können auch für zukünftige Krisen genutzt werden. Auch andere Arten von Krisen können die Prozesse, Verhaltensmuster und Kernbereiche eines Unternehmens stark beeinträchtigen und tief in geschäftliche Abläufe eingreifen. Ob Bankenkrisen/-crashs, Ausfälle in der Lieferkette, Cyberattacken - Unternehmen müssen mehr denn je daran arbeiten, widerstandsfähiger gegen Krisen und Schocks zu werden.

Selbst wenn keine Krise eintreten sollte, hilft eine systematische Krisenvorbereitung. Unternehmen, die sich auf mögliche Krisenszenarien vorbereiten, sind auch für unvorhersehbare Ereignisse besser gerüstet, da durch die Vorbereitung zwei wichtige Aspekte unternehmerischer Resilienz geübt werden. Die Fähigkeit zum flexiblen und entschlossenen Umgang mit bedrohlichen Entwicklungen und die Fähigkeit, bedrohliche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, auch wenn sie schleichend verlaufen.

Ein abschließendes Zitat von Laotse zeigt einen weiteren Unterschied zwischen Unternehmen, die gegen Stagnation, Krisen oder Schocks widerstandsfähiger sind oder in solchen Situationen sogar noch wachsen, im Vergleich zu jenen, die wie gelähmt untergehen: "Verlierer hören auf wenn sie scheitern. Gewinner scheitern bis sie Erfolg haben."

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien

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